JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2013; 2(05): 198-199
DOI: 10.1055/s-0033-1357284
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wem die Stunde schlägt

Heidi Günther
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Publication Date:
02 October 2013 (online)

Uns gehört nur die Stunde. Und eine Stunde, wenn sie glücklich ist, ist viel.

(Theodor Fontane)

Es ist mal wieder soweit. Nein, ich meine nicht das Oktoberfest – das haben wir schon abgearbeitet. Nein, ich meine auch nicht Weihnachten – obwohl es bis dahin auch nicht mehr allzu lange dauert, und wenn ich die Angebote in den Geschäften der Stadt sehe, erschrecke ich immer leicht und habe kurz Panik, ob ich schon wieder etwas knapp dran bin. Beruhigt und auch etwas amüsiert stelle ich dann fest, dass es noch mehrere Wochen Zeit hat, mir Gedanken über zu besorgende Geschenke und das weihnachtliche Drum und Dran zu machen. Unser Einzelhandel ist mir eben, wie in jedem Jahr, Lichtjahre voraus.

Jetzt kommt erst mal die Zeitumstellung. Um es vorweg zu nehmen: In der Nacht vom 26.10. zum 27.10. werden die Uhren eine Stunde ZURÜCK gestellt. Schön für alle, die an diesem Wochenende frei oder aber Tagdienst haben. Eine Stunde länger schlafen! Schade für alle Kollegen, die Nachtdienst haben. Eine Stunde länger arbeiten. Wahrscheinlich bin ich an den folgenden Abenden wieder eine Stunde früher müde und eher unwahrscheinlich ist es, dass ich am Morgen eine Stunde eher munterer bin als sonst.

In der EU ist ja, wie wir alle wissen, fast alles geregelt. Es ist unter anderem festgelegt, wie groß ein Überraschungsei sein darf, wie krumm eine Banane sein muss, um als solche durchzugehen, und dass es verboten ist, Teebeutel auf dem Kompost zu entsorgen. So ist auch in der Richtlinie 2000/84/EG die Sommerzeit geregelt. Und nach dieser Regelung geht diese am letzten Wochenende im Oktober zu Ende. Dann haben wir wieder Normalzeit. Dann ist es also abends wieder früher dunkel und morgens früher hell. Und Mittag um zwölf ist dann wieder Mittag um zwölf.

Schuld an dieser Zeitumstellerei hatten die Ölkrisen 1973 und 1978 und die Einsicht, Energie sparen zu müssen. Leider hat es nicht wirklich geklappt. Sicherlich spart man an den Abenden Strom, weil es ja länger heller ist. Dumm nur, dass es in den Monaten März, April und Oktober doch noch oder schon so empfindlich kühl ist, dass mehr geheizt wird. Denn auch ich muss am Morgen schon in ein kuschelig warmes Bad kommen, egal ob MEZ oder MESZ.

Dabei war die Idee mit der Zeitumstellung zur Energieeinsparung nicht neu. Schon 1784 schrieb Benjamin Franklin in einem Artikel „Essay on Daylight Saving“ über die Nutzung des Tageslichts. (Übrigens für alle interessierten Krankenschwestern: Benjamin Franklin soll der Erfinder des flexiblen Harnkatheters sein!) 1907 schrieb dann ein britischer Bauunternehmer über die Verschwendung von Tageslicht in seinem Artikel „Waste of Daylight“. So gingen die Versuche um die Zeit jahrzehntelang hin und her. Ende des 19. Jahrhunderts gab es kurz regionale Sommerzeiten. In Bayern hieß das „Münchener Ortszeit“ und in Preußen „Berliner Zeit“. Ganz kurz (1947–1949) gab es in Deutschland dann sogar noch die „Hochsommerzeit“. Alle Experimente scheiterten.

Dann kam die EU und mit ihr die oben genannte Richtlinie. Und obwohl von Anbeginn an über Sinn und Unsinn dieser Richtlinie diskutiert wurde und die letzten Jahrzehnte bewiesen haben, dass die erhoffte Energieeinsparung ausblieb, ist diese EU-Richtlinie jetzt offensichtlich in Stein gemeißelt und wir drehen alle zweimal im Jahr an den Uhren. Und bitte, wollen wir doch froh sein, dass es nicht für jede Jahreszeit einer besonderen Einstellung auf unseren Uhren bedarf! Das bisschen Aufwand für gar keinen Nutzen.

Es hat aber bisher auch nicht viel gebracht, dass sich Mediziner zu Wort meldeten und über die gesundheitlichen Folgen, mit denen viele Menschen durch diese Umstellungen zu kämpfen haben, berichteten. Und auch der Landwirt, dessen Kühe, Schweine und Hühner die Welt nicht mehr verstehen, findet kein Gehör.

Jetzt könnte man ja annehmen, dass es ein Leichtes wäre, von Brüssel aus zu verkünden, dass die Sommerzeit abgeschafft wird. Aber ich sehe ein, dass man dort erst die fünf bis acht anderen Probleme in der EU angehen sollte und sich dann dem Problemchen um die Zeitumstellung widmen kann.

Und dass Entscheidungsfindungen länger dauern können, sehen wir ja immer wieder deutlich in der deutschen Politik. Ich sage nur: Endlagersuchgesetz, EEG-Umlage und die Drohne „Euro-Hawk“. Die nicht enden wollenden Diskussionen um Mindestlöhne, prekäre Arbeitsplätze, PKW-Maut, Unisex-Tarife bei den Versicherungen, Rundfunkgebühren … und und und.

So dauert der Herbst nun auch in diesem Jahr wieder eine Stunde länger. Aber was soll’s?! Auch für mich ist dieses Problem nicht unbedingt Prio 1 auf meiner To-do-Liste, aber es lässt sich so schön darüber lamentieren.

Ich wünsche allen eine schöne Zeit, egal ob Sie die Kolumne noch in der Sommerzeit oder schon in der Winterzeit lesen!

Ihre Ihre Heidi Günther

hguenther@schoen-kliniken.de