Z Gastroenterol 2014; 52(3): 311-313
DOI: 10.1055/s-0033-1362307
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Praxisempfehlung zur Therapie der chronischen Hepatitis C – Zulassung des Polymerase-Inhibitors Sofosbuvir

Christoph Sarrazin
,
Peter Buggisch
,
Holger Hinrichsen
,
Dietrich Hüppe
,
Stefan Mauss
,
Jörg Petersen
,
Karl-Georg Simon
Further Information

Publication History

Publication Date:
12 March 2014 (online)

Mit der jüngsten Zulassung von Sofosbuvir erweitert sich das Therapiespektrum für alle Genotypen deutlich. Grundsätzlich sollte bei der Beratung eines Patienten mit chronischer Hepatitis C aber auch die in Kürze zu erwartenden weiteren Medikamentenzulassungen berücksichtigt werden. Aktuell stehen folgende Medikamente zur Therapie der Hepatitis C mit entsprechenden Wirkungsspektren zur Verfügung:

  • PEG-Interferon alfa: Zur Erst- und Re-Therapie für alle HCV Genotypen

  • Ribavirin: Als Kombinationstherapie zur Erst- und Re-Therapie für alle HCV Genotypen

  • Sofosbuvir: Als Kombinationstherapie zur Erst- und Re-Therapie für alle HCV Genotypen

  • Telaprevir: Als Kombinationstherapie zur Erst- und Re-Therapie für den HCV Genotyp 1

  • Boceprevir: Als Kombinationstherapie zur Erst- und Re-Therapie für den HCV Genotyp 1

In der Praxis sollte allerdings mit der Einführung von Sofosbuvir eine Triple-Therapie mit den Proteaseinhibitoren Boceprevir und Telaprevir wegen der geringeren Effektivität und höheren Toxizität nicht mehr eingesetzt werden.

Im laufenden Jahr ist noch mit der Zulassung der Protease-Inhibitoren Simeprevir und Faldaprevir als auch des NS5A Inhibitors Daclatasvir zu rechnen. Diese werden die Therapiemöglichkeiten nochmals wesentlich erweitern und aufgrund einer wenn auch begrenzten Erfahrung bei wenigen Patienten (bisher < 100 Patienten je nach Untergruppe) erste Interferon-freie Therapien für alle Genotypen und Vortherapien noch im Laufe des Jahres 2014 ermöglichen (Jacobson 2013, Sulkowski 2014).

Im Jahr 2015 werden dann voraussichtlich weitere Interferon-freie Kombinationstherapien (Sofosbuvir plus Ledipasvir; ABT450r + ABT267 + ABT333 + Ribavirin) mit hoher Wirksamkeit bei der Erst- als auch der Re-Therapie von Patienten mit PEG-Interferon / Ribavirin Therapieversagen folgen (Gane 2013, Lawitz 2013, Kowdley 2014). Somit sollte die Dringlichkeit einer antiviralen Therapie sowie der Patientenwunsch gegen potentielle Nebenwirkungen und Erfolgschancen der aktuellen Therapie abgewogen werden.

Bei einem Entschluss zur antiviralen Therapie werden in Abhängigkeit von der Ausgangssituation die folgenden Therapiemöglichkeiten empfohlen:

Ersttherapie:

  • Genotyp 1, 4–6: Triple-Therapie Sofosbuvir, PEG-Interferon und Ribavirin für 12 Wochen

Hier liegt eine Zulassung auf der Grundlage von Phase 2/3 Studiendaten mit hohen SVR-Raten (ca. 90 %) vor. Auch für Patienten mit kompensierter Leberzirrhose konnten hohe SVR-Raten (ca. 80 %) erzielt werden (Lawitz 2013). Eine Therapieverlängerung führte in Phase 2 Studien zu keinem Vorteil bei therapienaiven Patienten ohne Leberzirrhose (Kowdley 2013). Die Triple-Therapie mit PEG-IFN, Ribavirin und Sofosbuvir über 12 Wochen ist daher die empfohlene Therapie für diese Patientengruppe. Eine Therapieverlängerung auf 24 Wochen wie es nach der Zulassung für Patienten mit negativ prädiktiven Faktoren möglich wäre, sollte bei fehlender Studiendatenlage nur im Einzelfall erwogen werden. Telaprevir und Boceprevir basierte Triple-Therapien sollten nicht mehr eingesetzt werden.

  • Genotyp 2: Interferon-freie Therapie mit Sofosbuvir und Ribavirin für 12 Wochen

Hier liegt eine Zulassung für 12 Wochen Therapiedauer auf der Grundlage einer Phase 3 Studie mit hohen SVR-Raten (ca. 90 %) vor (Lawitz 2013, Jacobson 2013, Zeuzem 2013). Eine Therapieverlängerung auf 24 Wochen wie es in der Zulassung für Patienten mit negativ prädiktiven Faktoren möglich wäre, sollte bei fehlenden Studien nur im Einzelfall erwogen werden. Hohe SVR Raten werden für den Genotyp 2 auch mit einer dualen Therapie mit PEG-Interferon und Ribavirin erzielt (70-90 %). Jedoch ist die Therapiedauer in der Regel länger (12–24 Wochen) und die Behandlung nebenwirkungsreicher (Younossi 2013, Mangia 2005).

  • Genotyp 3: Triple-Therapie Sofosbuvir, PEG-Interferon und Ribavirin für 12 Wochen oder Sofosbuvir plus Ribavirin für 24 Wochen

Hier liegt eine Zulassung sowohl für eine Dreifachtherapie mit PEG-IFN, Ribavirin und Sofosbuvir über 12 Wochen als auch für eine duale Therapie mit Sofosbuvir und Ribavirin über 24 Wochen vor (Lawitz 2013, Zeuzem 2013). Bei Patienten erscheinen beide Therapieoptionen hinsichtlich der SVR-Raten gleichwertig. Für Patienten mit Leberzirrhose ist die Anzahl der behandelten Patienten jedoch niedrig (Zeuzem 2013).

Zusätzlich kann laut der Zulassung eine Therapieverlängerung auf 24 Wochen bei der Triple-Therapie mit pegyliertem Interferon, Ribavirin und Sofosbuvir erwogen werden, wenn negative prädiktive Faktoren vorliegen. Dies sollte analog zu den Patienten mit Genotyp 1 bzw. 2 bei fehlenden Studien nur im Einzelfall erwogen werden.


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Re-Therapie nach Versagen von (PEG)-Interferon /Ribavirin:

  • Genotyp 1, 4–6: Triple-Therapie Sofosbuvir, PEG-Interferon und Ribavirin für 12 Wochen

Hier liegt eine Zulassung vor. Zwar wurden keine vollständigen Daten zur Triple-Therapie Sofosbuvir, PEG-Interferon und Ribavirin erhoben. Aufgrund von Studien beim Genotyp 3 sowie der höheren SVR Raten bei der Ersttherapie im Vergleich zur Triple-Therapie mit Telaprevir / Boceprevir ist jedoch zu vermuten, dass auch bei der Re-Therapie von Therapieversagern auf (PEG)-Interferon / Ribavirin mit der Sofosbuvir-basierten Triple-Therapie höhere SVR Raten erreicht werden können, als mit der Telaprevir / Boceprevir Triple-Therapie. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden IFN-freien Therapien sollte bei diesen Patienten eine Therapie mit pegyliertem Interferon, Ribavirin und Sofosbuvir nur bei hoher Therapiedringlichkeit (z. B. fortgeschrittene Fibrose / Zirrhose) oder dringendem Patientenwunsch durchgeführt werden.

Eine Therapieverlängerung auf 24 Wochen ist bei Vorliegen von negativen Prädiktoren für das Therapieansprechen nach der Zulassung erlaubt. Daten von klinischen Studien liegen hierzu nicht vor, so dass die Therapieverlängerung nicht allgemein empfohlen werden kann. Für eine Interferon-freie Therapie von Sofosbuvir in Kombination mit Telaprevir oder Boceprevir und Ribavirin liegen keine Daten vor. Diese Therapie ist deshalb nicht zu empfehlen.

Für eine Kombinationstherapie von Sofosbuvir mit Simeprevir oder Daclatasvir und Ribavirin über 12 Wochen wurden in kleinen Studien sehr hohe SVR Raten (ca. 90 %) erreicht, so dass eine entsprechende Therapie nach Zulassung der Substanzen zu prüfen wäre (Sulkowski 2014, Jacobson 2013). Allerdings ist dabei der Zulassungstext der jeweiligen Substanz zu beachten und die Verschreibung ggfs. mit den Kostenträgern ab zu stimmen. Dabei können auch die geringeren Kosten einer 12-wöchigen Kombinationstherapie aus Sofosbuvir und Simeprevir, das in den USA bereits zugelassen ist, im Vergleich zur 24-wöchigen Sofosbuvir Triple-Therapie herangezogen werden.

  • Genotyp 2: Interferon-freie Therapie mit Sofosbuvir und Ribavirin für 12 Wochen.

Hier liegt eine Zulassung auf der Grundlage von Phase 3 Studiendaten mit hohen SVR-Raten (über 90 %) vor. Bei Patienten mit Leberzirrhose scheint ein möglicherweise leicht erhöhtes Relapse-Risiko zu bestehen (SVR ca. 88 %) (Zeuzem 2013).

Eine Therapieverlängerung auf 24 Wochen ist bei Vorliegen von negativen Prädiktoren für das Therapieansprechen nach der Zulassung erlaubt. Daten von klinischen Studien liegen hierzu nicht vor, so dass die Therapieverlängerung nur im Einzelfall empfohlen werden kann.

  • Genotyp 3: Triple-Therapie Sofosbuvir, PEG-Interferon und Ribavirin für 12 Wochen oder Sofosbuvir plus Ribavirin für 24 Wochen

Die von der Patientenzahl begrenzten Daten lassen auch hier eine hohe Erfolgsrate bei Patienten ohne und mit Leberzirrhose für die Triple Therapie mit pegyliertem Interferon, Ribavirin und Sofosbuvir (SVR 83 %) erwarten (Lawitz 2013). Für die duale Therapie mit Sofosbuvir und Ribavirin führte eine Verlängerung von 12 über 16 auf 24 Wochen zu steigenden SVR Raten mit 87 % insbesondere für Patienten ohne Leberzirrhose. Bei Patienten mit Leberzirrhose war die SVR Rate mit 60 % auch bei einer 24-wöchigen Therapie eingeschränkt (Lawitz 2013, Jacobson 2013, Zeuzem 2013).


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Re-Therapie nach Versagen einer Triple-Therapie mit Telaprevir / Boceprevir:

  • Genotyp 1: Triple-Therapie Sofosbuvir, PEG-Interferon und Ribavirin für 12 Wochen

Es liegen keine Daten zur Triple-Therapie Sofosbuvir, PEG-Interferon und Ribavirin für diese Patientengruppe vor. Bei einem virologischen Versagen auf eine Telaprevir / Boceprevir-basierte Triple-Therapie liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein fehlende Sensitivität gegenüber PEG-Interferon alfa als auch (zumindest in den ersten Monaten) eine Resistenz gegenüber dem Protease-Inhibitor vor. Bei einer Re-Therapie könnte daher eine funktionelle Monotherapie mit Sofosbuvir mit einem hohen Risiko eines Relapse resultieren.

Für eine Interferon-freie Therapie mit Sofosbuvir, Telaprevir, Boceprevir oder Simeprevir und Ribavirin liegen keine Daten vor. Vor dem erneuten Einsatz eines Protease-Inhibitors sollte in jedem Fall eine Resistenztestung erfolgen.

Mit einer Kombinationstherapie aus Sofosbuvir (Polymerase-Inhibitor) und Daclatasvir (NS5A-Inhibitor) +/- Ribavirin über 24 Wochen wurden in kleinen Studien sehr hohe SVR Raten (ca. 90 %) erreicht (Sulkowski 2014). Die Möglichkeit einer entsprechenden Therapie sollte nach Zulassung der Substanzen, falls erforderlich nach Abstimmung mit den Kostenträgern im Falle eines „off label“ Einsatzes geprüft werden.


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Interferon-intolerante Patienten:

  • Genotyp 1, 4–6: Sofosbuvir plus Ribavirin für 12 bis 24 Wochen

Bei Patienten mit einer Genotyp 1 oder 4 Infektion wurden Studien mit Sofosbuvir in Kombination mit Ribavirin durchgeführt. Bei einer Ersttherapie mit Patienten mit einem Genotyp 1 bzw. 4 für 12 Wochen konnten SVR-Raten von 50–80 % erreicht werden (Osinusi 2013, Gane 2012, Jacobson 2013, Ruane 2013). Bei Patienten mit Leberzirrhose und / oder Re-Therapie nach Non-Response auf PEG-Interferon und Ribavirin lagen die SVR Raten deutlich niedriger (10–60 %) (Gane 2012, Ruane 2013). Für eine Kombination von Sofosbuvir mit Telaprevir oder Boceprevir liegen keine Daten vor. Diese Therapie wird daher nicht empfohlen.

Für eine Kombinationstherapie von Sofosbuvir mit Simeprevir oder Daclatasvir und Ribavirin wurden in kleinen Studien sehr hohe SVR Raten (ca. 90 %) erreicht, so dass die Möglichkeit einer entsprechenden Therapie nach Zulassung bzw. Verfügbarkeit der Substanzen zu prüfen wäre (Jacobson 2013, Sulkowski 2014). Allerdings ist die Wirksamkeit von Simeprevir auf die HCV Genotypen 1, 4 und 6 beschränkt, während Daclatasvir auch beim HCV Genotyp 2 und 3 eingesetzt werden kann.


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HIV / HCV-Koinfektion

Zur Therapie der HIV / HCV-Koinfektion liegt nur eine Studie mit einer IFN-freien Therapie mit Sofosbuvir und Ribavirin vor. Diese ergab für die HCV-Genotypen 1 (76 %, 24 Wochen Therapie), 2 (88 %, 12 Wochen Therapie), und 3 (67 %, 12 Wochen Therapie) mit der HCV-Monoinfektion vergleichbare Ansprechraten (Sulkowski 2013).

Zur Triple-Therapie mit PEG-Interferon, Ribavirin und Sofosbuvir liegen keine Daten vor. Allerdings ist auf Grund der Erfahrungen mit Simeprevir, Faldaprevir, Boceprevir und Telaprevir mit deutlich verbesserten Ansprechraten im Vergleich zur dualen Kombinationstherapie mit PEG-Interferon und Ribavirin zu rechnen.


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Therapie vor und nach Lebertransplantation

In einer Studie zum Einsatz einer Therapie von Sofosbuvir und Ribavirin bis zur Lebertransplantation konnte die Virusreplikation bei allen Patienten effektiv supprimiert werden. Bei 62 % der Patienten wurde zudem eine Re-Infektion nach Transplantation verhindert (Curry 2013). Für die Gabe nach Lebertransplantation liegen nur wenige Erfahrungen vor. Medikamenteninteraktionen sind zu prüfen und Daten zu Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz (eGFR <30 ml / min) liegen bisher nicht vor (Charlton 2013). Eine Therapie sollte in jedem Fall in enger Kooperation mit einem erfahrenen Lebertransplantationszentrum durchgeführt werden.

Die Praxisempfehlungen inklusive Literaturliste stehen auf der bng-Webseite zum Download zur Verfügung.


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