Z Gastroenterol 2014; 52(3): 314
DOI: 10.1055/s-0033-1362308
Der bng informiert
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Eine Erfolgsgeschichte – 10 Jahre Hepatitis C-Register

Dietrich Hüppe
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Publication Date:
12 March 2014 (online)

Versorgungsforschung ist zwar in aller Munde, doch große Patientengruppen mit chronischen Erkrankungen im „real-life setting“ werden selten nachhaltig dokumentiert. Im September 2003 trafen sich hepatologisch engagierte Ärzte des bng und Vertreter der Roche Pharma AG (Roche) zur Entwicklung einer online gestützten Datenbank, um die Epidemiologie und Therapie der chronischen Hepatitis C (CHC) in Deutschland zu erfassen.

Ein online-Projekt war 2003 innovativ, der Erfolg nicht vorhersehbar. Mit dem Auftragsforschungsinstitut „Factum“ (Offenbach) beauftragte Roche ein engagiertes Studienzentrum, welches die dokumentierenden Praxen betreute und die Validität der Daten überprüfte. Schon im ersten Jahr wurden mehr als 3.000 Patienten mit CHC gescreent und mehr als 1.000 Behandlungsverläufe mit PegInterferon und Ribavirin dokumentiert. Bis November 2013 erhöhte sich die Zahl der gescreenten Patienten auf 40.744 und der medikamentös Behandelten auf 26.824. In die Behandlungszahl gehen ab 2011 auch 1.670 Patienten mit Genotyp 1 ein, die zusätzlich mit einem Proteaseinhibitor (Telaprevir oder Boceprevir) behandelt wurden (Triple-Therapie). Damit gehört diese Kohorte zu den weltweit größten Datensammlungen zur CHC überhaupt.

Zu Beginn schauten Kollegen aus Kliniken und Unikliniken skeptisch auf dieses von bng und Roche initiierte Projekt. Die Nachhaltigkeit der Datenerfassung und die kontinuierliche Aufarbeitung der Ergebnisse überzeugten die Skeptiker. Mittlerweile nehmen mehr als 600 Zentren in Deutschland an dem Dokumentationsprojekt teil. Neben bng-Praxen beteiligen sich Kliniken und Unikliniken sowie HIV-Praxen und Suchtmediziner.

Dieses Versorgungsforschungsprojekt ist nicht nur zahlenmäßig, sondern auch wissenschaftlich erfolgreich. In den letzten zehn Jahren wurden 103 Poster auf nationalen und internationalen Kongressen (DGVS, GASL, EASL, AASLD, DDW) und sieben Originalpublikationen in deutscher und englischer Sprache veröffentlicht. Erstmalig konnte aufgrund dieser Datenbank die Epidemiologie der CHC in Deutschland flächendeckend aufgezeigt (Hüppe et.al. ZFG, 2008) und die Behandlungsergebnisse in „real life“ dokumentiert werden, insbesondere auch in Patientengruppen, die bisher in Europa kaum beschrieben worden sind (Mauss et al. ZFG 2012).

Aus der Analyse der Datenbank ergaben sich eine Vielzahl von prädiktiven Behandlungsfaktoren, die zur individuellen Therapieentscheidung („Personalisierte Medizin“) beigetragen haben. In der Kohorte konnten auch bisher nicht erkannte Medikamentennebenwirkung festgestellt und hochrangig veröffentlicht werden (Mauss et al, Hepatology 2013). Eine weitere Analyse beschäftigte sich mit gesundheitsökonomischen Fragen in der Behandlung der CHC. Die Kosten der dualen Therapie wurden exakt erfasst, von Medikamentenkosten über die Erfassung ärztlicher Leistung bis zu therapiebedingten Arbeitsausfallzeiten. Die Analyse ergab, das ärztliche Betreuungsleistungen nicht einmal ein Prozent der Kosten der Behandlung ausmachten.

Nur etwa die Hälfte der diagnostizierten Patienten mit CHC wurde in den beteiligten Zentren medikamentös behandelt. Die Ursachen dieses Behandlungsdefizits, sind vielfältig. Sie reichen von der „Angst des Patienten vor Therapienebenwirkungen“ bis zur „mangelnden Patienteneinsicht in die Behandlungsnotwendigkeit“. Die Behandlungsergebnisse wurden mit den Leitlinien zur Behandlung der CHC konfrontiert. Auch hier ergaben sich erstaunliche Ergebnisse. So war „das Nichteinhalten von Leitlinien“ in einzelnen Zentren mit besseren Therapieergebnissen assoziiert. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass der Behandlungserfolg im „real-life-setting“ mit dem Behandlungserfolg in Zulassungsstudien vergleichbar ist.

Die Projektergebnisse wurden nicht nur national und international dokumentiert, sondern auch intern in der Studiengruppe aufgearbeitet. Dazu dienten jährliche nationale Studientreffen.

Von Anfang an war dieses Projekt bei den Ethikkommissionen der Landesärztekammern registriert und begutachtet. Die Roche AG unterstützte dieses Projekt finanziell, in dem der Dokumentationsaufwand in den beteiligten Zentren nach GOÄ-Sätzen entschädigt wurde. Von Roche muss namentlich Dr. Ulrich Alshuth erwähnt werden, der mit seinem großen wissenschaftlichen Engagement und nachhaltigem Einsatz zum Erfolg des Projektes beigetragen hat.

Nun ist es Roche und bng gelungen, das Projekt für die Zukunft auf „noch breitere Füße“ zu stellen. Die „Deutsche Leberstiftung“ plant, die Datenbank in Kooperation mit dem bng fortzuführen, um auch in Zukunft die aktuellen Änderungen in Diagnostik und Therapie möglichst umfassend dokumentieren zu können.