Z Gastroenterol 2014; 52(6): 617-618
DOI: 10.1055/s-0033-1362552
Der bng informiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Weiterbildung in der Gastroenterologie – Ein transsektorales Ausbildungsmodell

Birgit Kallinowski
,
Dieter Schilling
Further Information

Publication History

Publication Date:
23 June 2014 (online)

Die Entwicklung des deutschen Gesundheitssystems führt mit ihrer starken Orientierung an ökonomischen Aspekten u. a. dazu, dass in gastroenterologischen Abteilungen von Krankenhäusern zunehmend Betten abgebaut werden. 80 Prozent der gastroenterologischen Krankheitsbilder inklusive der dafür notwendigen Prozeduren können ambulant behandelt werden. Die Einführung des fallbezogenen Entgeltsystems (DRG) hat dazu geführt, dass die gastroenterologische Basisdiagnostik in der Klinik nur noch bei schwersterkrankten Patienten durchgeführt wird bzw. dass nur noch eine palliative Therapie für final / präfinale Tumorpatienten stattfindet. Somit stehen Ausbildungskliniken vor dem großen Problem, ein breites Spektrum der Gastroenterologie inklusive der gastroenterologischen Onkologie in ausreichendem Maße anbieten zu können.

Zudem verschärfen familiäre und kommerzielle Gründe das Problem. Ausgebildete Gastroenterologen wandern aus unterschiedlichen Gründen – finanzielle Anreize, bessere Work-Life Balance, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie – entweder in Praxen, in MVZ oder ins finanziell attraktivere europäische Ausland ab. Die Folgen sind: Oberarztstellen in Krankenhäuser bleiben vakant, Nachfolger für prosperierende gastroenterologische Schwerpunktpraxen fehlen, Praxen werden ggf. unverkäuflich.

Rahmenbedingungen der Weiterbildung

Die neue Musterweiterbildungsordnung für die Gastroenterologie wird derzeit in Zusammenarbeit von DGVS und BDI überarbeitet. An eine dreijährige Basisausbildung zum Facharzt für Innere Medizin (common trunk), die stationär abgeleistet werden muss, schließt sich eine dreijährige Ausbildung im Schwerpunkt Gastroenterologie an. Von diesen 36 Monaten sollten sechs Monate auf der internistischen Intensivstation abgeleistet werden (falls nicht schon in der Basisausbildung zum Internisten absolviert), 18 bis 24 Monate auf einer gastroenterologischen Station, (fakultativ in ambulanten Einrichtungen mit Weiterbildungsermächtigung) und zwölf Monate in gastroenterologischen Funktionen (Endoskopie, Ultraschall, Funktionsdiagnostik).

Die ambulante Weiterbildungsmöglichkeit im Verbund, sei es in gastroenterologischen Schwerpunktpraxen oder onkologischen Tageskliniken soll den Weiterbildungsinhalten der Hepatologie, Versorgung von CED-Patienten und Patienten mit gastroenterologischen Tumoren Rechnung tragen. Über die Richtzahlen der Prozeduren bzw. Fertigkeiten / Kenntnisse in den Behandlungsverfahren als auch über die weiterbildungsermächtigten Institutionen besteht bis dato noch kein Konsens. Auch über sog. curriculare Weiterbildungsmodule (z. B. Koloskopie, Onkologie), die unabhängig voneinander abgeleistet werden können, wird weiterhin diskutiert. Ungeachtet dessen entstehen den ausbildenden Institutionen erhebliche Personalkosten, sodass bereits auf dem Dt. Ärztetag in Kiel im März 2012 ein Finanzausgleich für ausbildende Abteilungen in Krankenhäusern und niedergelassenen Schwerpunktpraxen gefordert wurde.

Um eine Verbundweiterbildung zu ermöglichen, sollten u. a. eine Lockerung der Mengenbegrenzungsreglung für Weiterbildungspraxen erfolgen und eine bundesweit einheitliche finanzielle Förderung erfolgen die Regel sein. Derzeit gibt es nur in zwei Bundesländern eine finanzielle Förderung der gastroenterologischen Weiterbildungsassistenten. Die LÄK Niedersachsen unterstützt mit bis zu 1500 Euro pro Monat. Die KV Hessen unterstützt mit 1750 Euro pro Monat für maximal sechs Monate im Gebiet (zum Beispiel Innere Medizin) und für maximal drei Monate im Schwerpunkt (zum Beispiel Gastroenterologie). Da voraussichtlich mehr Anträge eingehen, als Gelder zur Verfügung stehen, wird in Hessen ausgelost.


#

Ausbildung im Verbund

Derzeit besitzen jedoch nur 30 Prozent der niedergelassenen Gastroenterologen eine Weiterbildungsermächtigung von sechs bis maximal 18 Monaten. Diese Ausgangssituation war Anlass für uns, ein gemeinsames ambulant- stationäres Ausbildungskonzept als Verbundweiterbildung zu starten, das versucht, diese Defizite zu kompensieren und den Assistenten ein breiteres Spektrum bei einer guten Work-Life Balance zu bieten.

Der eine Verbundpartner ist eine Schwerpunktpraxis für Gastroenterologie und onkologische Tagesklinik, die gastroenterologisch und onkologisch das gesamte ambulant abbildbare Spektrum abdeckt. Jährlich werden 3600 Patienten behandelt, wovon rund 700 Patienten wegen hämatologisch / onkologischen Fragestellungen vorstellig werden. Der andere Verbundpartner ist die Medizinische Klinik II des Diakonissenkrankenhauses (470 Betten) mit den Schwerpunkten Gastroenterologie, Hepatologie, Ernährungsmedizin Stoffwechselerkrankungen. Sie ist Teil des Viszeralmedizinischen Zentrums und des Darmkrebszentrums. Es werden ca. 3000 stationäre Patienten im Jahr behandelt und in der angeschlossenen Endoskopieabteilung ca. 6500 endoskopische Untersuchungen durchgeführt.

Die Ausbildung der Kollegen beginnt in der Inneren Klinik des Diakonissenkrankenhaus, in der entweder die fünfjährige Internistenausbildung mit anschließender Weiterbildung Gastroenterologie gewählt werden kann oder die Ausbildung mit dreijährigem Common Trunc und anschließender gastroenterologischer Schwerpunktausbildung. Unabhängig vom Ausbildungsmodus durchlaufen die Assistenten die Klinik für Kardiologie und Angiologie, die Klinik für Geriatrie, die Notaufnahme und die medizinische Intensivstation, bevor sie dann in der gastroenterologischen Weiterbildung in der gastroenterologischen Basisdiagnostik (Sonographie, inklusive Duplexsonographie, Kontrastmittelsonographie, Manometrie und pH-Metrie, diagnostische ÖGD und Koloskopie ausgebildet werden. Erst dann können die Assistenten in der Regel für zwölf Monate in der Praxis eingesetzt werden. Ausbildungsschwerpunkte der Praxistätigkeit, die in diesem ambulanten Ausbildungsjahr von Montag bis Mittwochmittag andauert, sind dann Vertiefung der endoskopischen Fertigkeiten, Betreuung von Patienten mit ambulanten gastroenterologischen Krankheitsbildern (Reizdarmsyndrom, Hepatologie, CED) und außerdem auch Betreuung onkologischer Patienten.


#

Bisherige Erfahrungen

Seit 2006 existiert diese strukturierte Verbundweiterbildung, sechs Kollegen / innen haben diese Rotation bisher absolviert. Im Durchschnitt haben die Assistenten / innen nach zwölf Monaten 500 Gastroskopien inkl. Bougierungen / Laserungen, Polypektomie, 500 Koloskopien inkl. Polypektomien, APC Laserungen, Bougierungen durchgeführt und ca. 15 bis 20 Patienten mit CED / Hepatitiden und immunologischen / virostat. Therapien longitudinal betreut.

Alle Kollegen / innen sind mittlerweile in der Funktion als Oberärzte / innen in Klinken tätig, die in gleicher oder etwas geringerer Versorgungsstufe tätig sind. Zwei männliche Kollegen sind niedergelassen in einer gastroenterologischen Schwerpunktpraxis, einer davon in der Konstruktion eines medizinischen Versorgungszentrums an einem ländlichen Kreiskrankenhaus, in dem er auch als Vertretungsoberarzt in der gastroenterologischen Bettenabteilung eingebunden ist.

Dieses ambulante Ausbildungsjahr ist für die Weiterbildungsassistenten Bereicherung und Belastung zugleich. Durch die Halbwocheneinsätze sind viele Übergaben in der Klinik nötig, da die Assistenten weiterhin zu 50 Prozent im stationären Versorgungsbereich inkl. Nachtdienste tätig sind. Vorteile dagegen sind: Bei Arbeitszeiten von 8.00 bis 16.30 Uhr im ambulanten Praxisbetrieb, fallen in der Regel keine Überstunden an, die Assistenten konzentrieren sich rein auf die medizinische Versorgung der Patienten, erlernen schnell endoskopische Techniken und können so, obwohl sie immer noch angestellt im Krankenhaus arbeiten, den Praxisalltag in einer gastroenterologisch-onkologischen Schwerpunktpraxis erleben, um zu überlegen, ob diese Arbeitsweise ihnen evtl. zukünftig zusagen könnte.


#

Vorteile für alle Beteiligten

Als Ausbilder ist man gefordert auf dem neusten Stand der Wissenschaft zubleiben, man tauscht sich auf ärztlicher Ebene aus. Nachteil sind die recht hohen Personalkosten für die Auszubildenden, das eingefrorene Regelleistungsvolumen (d. h. eine Erhöhung der Patientenzahlen und damit Erhöhung des Umsatzes ist reglementiert) und der hohe Aufwand für jeden neu einzuarbeitenden Assistenten, was eine hohe Flexibilität des qualifizierten Assistenzpersonals der Praxis und für die Praxisinhaberin bedeutet.

Diese Verbundweiterbildung erhöht die Anzahl der auszubildenden Gastroenterologen in der Klinik pro Zeiteinheit. Den Weiterbildungsanwärtern im Schwerpunkt Gastroenterologie kann eine modulare fixe Weiterbildung mit den geforderten Weiterbildungsinhalten garantiert werden. Die Klinik bleibt somit attraktiv als Weiterbildungsklinik und konkurrenzfähig im Wettbewerb um motivierte Gastroenterologen Anwärter / innen.


#

Schlussfolgerungen

Unser Ausbildungsmodell hat sich in der praktischen Umsetzung bewährt. Es wird den heutigen Anforderungen an die Ausbildung des Gastroenterologen mehr gerecht als das bisherige System. Auch kleinere Kliniken können so ein breites Spektrum bieten. Da alle Rotanten nach der Schwerpunktausbildung in leitenden Positionen (Oberarzt oder Praxiseigentümer) tätig sind, scheint diese Verbundweiterbildung auch Kliniken und Praxen zu überzeugen, qualifizierte Bewerber vor sich zu haben.

Für Klinik und Praxis bedeutet dieses Modell, dass man automatisch näher zusammenrückt, ohne daraus Ausschließlichkeitsansprüche abzuleiten. Die Kontinuität der Patientenversorgung wird in jedem Fall intensiver und patientenfreundlicher.

Dieses Kooperationsmodell setzt jedoch ein sehr gutes Verhältnis zwischen Klinikchef und Praxisinhaber, Loyalität und eine hohe Kommunikationsbereitschaft auf beiden Seiten voraus. Es ist aber darüber hinaus motivierend und befriedigend für beide Seiten – Ausbilder und Weiterbildungsassistenten – somit eine Win-Win-Situation für jeden, die zur Nachahmung anregen sollte.


#