Z Gastroenterol 2014; 52(10): 1205c-1207
DOI: 10.1055/s-0033-1362820
Mitteilungen der DGVS
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DGVS Spring Conference ‚Microbiota in Health and Disease‘

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Publication Date:
20 October 2014 (online)

Die diesjährige DGVS Spring Conference fand am 23. und 24. Mai 2014 im Willy-Brandt-Haus in Berlin statt. 131 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Klinik und Forschung aus dem In- und Ausland trafen sich hier, um sich zu den neuesten Erkenntnissen aus Grundlagenforschung und klinischer Anwendung zum Thema ‚Microbiota in Health and Disease‘ zu informieren und auszutauschen. Dieses Thema wurde gewählt aufgrund der immer deutlicher werdenden immensen Bedeutung des Mikrobioms für die gesunde Entwicklung und Funktion des menschlichen Organismus sowie das Auftreten einer Reihe von Erkrankungen, nicht nur im Bereich der Gastroenterologie.

Das wissenschaftliche Programm der Konferenz wurde von der AG Neurogastroenterologie der DGVS und der COST Action (Cooperation in Science and Technology) GENIEUR (Genes in Irritable Bowel Syndrome Research Network Europe, www.GENIEUR.eu) unter der Leitung von PD Dr. Jutta Keller (Israelitisches Krankenhaus, Hamburg) und PD Dr. Beate Niesler, (Universität Heidelberg), ko-organisiert. Die Veranstaltung wurde finanziell unterstützt von der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität sowie den Firmen Takeda und Symbiopharm.

Bei der Auswahl der Vorträge wurde auf ein breites Spektrum an Themen und auf die aktive Teilnahme jüngerer Kolleginnen und Kollegen aus Klinik und Forschung Wert gelegt. Neben international anerkannten Expertinnen und Experten trugen somit auch qualifizierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler zu hochaktuellen Themen vor. Zudem gab es eine Posterausstellung mit Präsentation neuester Forschungsergebnisse.

Schwerpunkte der Tagung waren die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Charakterisierung des Mikrobioms bei Gesunden sowie bei Patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen, die Beeinflussung des Mikrobioms durch Wirts-eigene und exogene Faktoren sowie die Translation der grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnisse in neue, teils noch experimentelle Therapieverfahren. Das wissenschaftliche Programm war dementsprechend in vier Themenblöcke gegliedert, die auf eineinhalb Tage verteilt waren.

In den Pausen zwischen diesen Themenschwerpunkten wurde die allgemeine Diskussion fortgesetzt, und es fand die Posterausstellung statt, in deren Rahmen der wissenschaftliche Nachwuchs aus internationalen Teams zehn weitere Beiträge präsentierte. Diese wurden von einem internationalen Expertenteam begutachtet. Die von der DGVS gestifteten Posterpreise im Wert von 500 € wurden vergeben an Frau Rashni Lakra (Universität Erlangen) und Herrn Ignacio Rangel (Universität Örebrö, Schweden) für die Beiträge zum Thema ‚The C.rodentium T6SS (Type 6 Secretion System) is important for competition with gut microflora‘ bzw. ‚Characterisation of luminal and mucosal microbiota in Irritable Bowel Syndrome‘.

Die erste Sitzung der Hauptveranstaltung widmete sich dem Thema ‚Microbiota – Status quo in health and disease‘, welches umfangreich von den Kollegen Dr. Per Bork (EMBL, Heidelberg: Microbiota in health), Prof. Magnus Simrén (Universität Göteborg, Schweden: Microbiota in Functional Gastrointestinal Disorders) und Prof. Dirk Haller (TU München-Freising: Microbiota in Inflammatory Bowel Disease) behandelt wurde. Sie stellten aus verschiedenen Blickwinkeln dar, wodurch das menschliche Mikrobiom beim Gesunden charakterisiert wird und dass eine Dysbiosis bei funktionellen und chronisch entzündlichen gastrointestinalen Erkrankungen mit einer Störung der Homöostase, einer gestörten Barrierefunktion und einem Überschießen des Immunsystems bzw. Entzündung assoziiert sind. Dr. Amandine Everard (Universität Louvain, Belgien) beleuchtete die Bedeutung des Mikrobioms für nicht-gastroenterologische Erkrankungen, nämlich Adipositas und metabolisches Syndrom. Frau Everard und Team konnten im Tiermodell zeigen, dass Akkermansia muciniphila, welches ein Mucin-degradierendes Bakterium in der Darmmukosa ist, das mit dem Körpergewicht korreliert, bei Adipositas- und Diabetes Typ 2 vermindert vorkommt. Die Gabe von Probiotika normalisierte das Auftreten von Akkermansia und verbesserte damit einhergehend das metabolische Profil der Tiere. Darüber hinaus konnte der direkte Einsatz von Akkermansia bei metabolischem Syndrom die Fettmassenzunahme und Entzündungen im Fettgewebe sowie Insulinresistenz revertieren. Diese Daten bilden potentiell die Basis für gezielte Studien bei Menschen.

Gefolgt wurde dieser Beitrag von einem Vortrag von Prof. Daniel Baumgart (Charité, Berlin), der die immer deutlicher werdende Bedeutung des Mikrobioms für die Karzinogenese im Gastrointestinaltrakt schilderte. Prof. Emeran Mayer (Universität Los Angeles, USA) trug anschließend zum Thema ,Influence of Microbiota on the CNS‘ vor. Wer hätte es noch vor kurzem für möglich gehalten, dass Darmbakterien tatsächlich einen Einfluss auf Entwicklung und Funktion des Gehirns haben und dies über eine Kommunikation der Darm-Hirn-Achse ablaufen könnte? Neben Tierversuchsdaten, die darauf hinweisen, dass es eine Assoziation zwischen Dysbiosis und mentalen Erkrankungen wie Autismus und Schizophrenie gibt, zeigte Prof. Mayer beeindruckende Daten seiner eigenen Arbeitsgruppe, die auf eine Beeinflussung der Gehirnfunktion gesunder Erwachsener durch die Verabreichung von Probiotika deuten. Der regelmäßige Verzehr eines fermentierten Milchproduktes, das bestimmte Bifidobacterium-, Streptococcus- und Lactobacillus-Spezies enthielt, war mit einer veränderten Konnektivität relevanter Netzwerke und einer veränderten Verarbeitung emotionaler Reize verbunden.

In der nächsten Sitzung wurde dargestellt, wie Wirtsfaktoren das Mikrobiom beeinflussen können. Prof. Philip Rosenstil (Universität Kiel) referierte zum Thema ‚Host microbe crosstalk in the human gut‘ und Dr. Thomas Clavel (TU München, Freising – Weihenstephan) sprach über ‚Environmental factors – inflammation / antibiotics – triggers of microbiota composition and function‘. Abschließend sprach Prof. Stephan Bischoff (Universtität Hohenheim) zum Thema ‚Microbiota and diet‘.

Die folgende Sitzung zu den methodischen Herausforderungen der Mikrobiomforschung wurde von der Arbeitsgruppe ‚Microbiota‘, der COST Action GENIEUR gestaltet. Im Rahmen von GENIEUR fokussiert ein internationales, interdisziplinäres Team unter der Leitung von Frau PD Dr. Niesler auf genetische und epigenetische Faktoren sowie auf die Rolle des Mikobioms, des Metagenoms und der Wirt-Mikrobiom-Interaktion in der Entstehung des Reizdarmsyndroms. Die erste Sprecherin, Frau Dr. Mirjana Rajilic-Stojanovic (Universität Belgrad, Serbien) gab aktuelle Einblicke in die momentanen Schwierigkeiten in der Microbiota-Forschung aus der Sicht von Mikrobiologen. Es folgte Prof. Jeroen Raes (Universität Leuven, Belgien) mit einer Einführung in Methoden der Datenauswertung, die für Studien des menschlichen Mikrobioms benötigt werden. Dr. Koen Venema (Universität Maastricht, Niederlande) beleuchtete aktuelle experimentelle Ansätze zur Erforschung von Microbiota in vitro und stellte einen Darmsimulator vor, den seine Arbeitsgruppe für ihre Forschungen nutzt. Den Abschluss machte Dr. John Penders (Universität Maastricht, Niederlande), der Empfehlungen zur guten wissenschaftlichen Praxis zur Planung und Durchführung von Mikrobiom-Studien gab, die in der Microbiota-Arbeitsgruppe der COST Action GENIEUR erarbeitet worden waren.

Die Kongressteilnehmer und Teilnehmerinnen trafen sich im Anschluss an die Veranstaltung im Restaurant Veli’s, in dem kulinarische Köstlichkeiten aus Italien einen gelungenen Abschluss des ersten Tages bildeten und der Abend bei einem Glas Wein und angeregten Diskussionen ausklang.

Am zweiten Tag wurden die klinischen Optionen vorgestellt, die sich aus den Forschungen zum Mikrobiom ergeben. Die Sprecherinnen und Sprecher beleuchteten die unterschiedlichen Facetten dieses sehr aktuellen Themas durchaus kritisch. Eröffnet wurde die Sitzung von Prof. Robert-Jan Brummer (Universität Örebro, Schweden) mit dem Beitrag ‚Clinical role of probiotics‘. Darauf folge ein sehr aufschlussreicher Vortrag von Prof. Paul Enck (Universität Tübingen) zu ‚Probiotics and prebiotics in IBS and IBD‘, in dem klar herausgearbeitet war, dass die bisher veröffentlichten Studien hauptsächlich Übersichtsarbeiten sind und die wenigen Originalarbeiten große Schwächen aufweisen. Diese bestehen in der fehlenden statistischen Teststärke aufgrund kleiner Studienpopulationen, der Heterogenität der Studien und der fehlende Standardisierung. Hier müsse künftig unbedingt angesetzt und nachgebessert werden, um eine vergleichende Interpretation der Daten aus Studien verschiedener Gruppen zu ermöglichen.

Einen sehr kritischen und dennoch optimistisch stimmenden Vortrag hielt Frau Prof. Julia-Stephanie Frick (Universität Tübingen) zu den theoretischen Aspekten des fäkalen Mikrobiom-Transfers. Sie wies mit Nachdruck darauf hin, dass es sehr gefährlich sein kann, Patienten einfach mit einem Mikrobiom-Transfer zu versorgen, ohne den Spenderstuhl definiert untersucht oder Informationen über das Wirtsgenom zu haben. Der Ansatz ihrer Arbeitsgruppe fokussiert deshalb auf die Identifizierung von kurierenden bakteriellen Metaboliten sowie deren Charakterisierung und funktionelle Untersuchung in vitro und im Tiermodell in vivo. Viel versprechende bakterielle Metaboliten könnten potentiell zu neuen Therapeutika weiterentwickelt werden und eine kontrollierte und standardisierte Behandlungsoption bieten.

Der abschließende Vortrag von Frau PD Dr. Keller stellte die Erfahrungen ihrer Arbeitsgruppe mit der praktischen Durchführung und den Erfolgen des fäkalen Mikrobiom-Transfers dar. Die Referentin stellte strikte Kriterien für die Indikationsstellung, Spenderauswahl und Durchführung der Intervention vor. Trotz dieser Maßnahmen kam es bei einem Teil der Patienten zu Nebenwirkungen bzw. Komplikationen, die überwiegend leicht ausfielen (CRP-Erhöhung, Erhöhung der Körpertemperatur). Vereinzelt wurde aber auch ein septisches Krankheitsbild beobachtet, ohne dass sich mit herkömmlichen Methoden eine Ursache finden ließ. Insgesamt wurde das große therapeutische Potential des Mikrobiom-Transfers deutlich, aber auch die Tatsache, dass Vieles noch unverstanden ist und es weiterer, gut strukturierter Studien bedarf.

Insbesondere am zweiten Tag wurde aufgrund der Brisanz des Themas und des in den letzten Jahren immer offensichtlicher werdenden therapeutischen Potentials von Mikrobiota sehr angeregt diskutiert. Nach einer kurzen Abschlussrunde fand ein gelungener Kongress seinen Abschluss.

PD Dr. rer. nat. Beate Niesler

Abteilung Molekulare Humangenetik

Institut für Humangenetik

Universitätsklinikum Heidelberg

Im Neuenheimer Feld 366,

69120 Heidelberg

PD Dr. med. Jutta Keller

Medizinische Klinik

Israelitisches Krankenhaus

Orchideenstieg 14

22297 Hamburg