Gesundheitswesen 2015; 77(06): e143-e152
DOI: 10.1055/s-0034-1395646
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gesundheitszustand von Menschen ohne Krankenversicherung und von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus: Analyse von Daten der Malteser Migranten Medizin (MMM) in München

Health Status of Persons without Health Insurance and of Undocumented Migrants: Analysis of Data from the Malteser Migranten Medizin (MMM) in Munich, Germany
E. Y. Lotty
1   Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, Helmholtz Zentrum München, Neuherberg
,
C. Hämmerling
2   Malteser Migranten Medizin, Malteser Hilfsdienst e.V., München
,
A. Mielck
1   Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, Helmholtz Zentrum München, Neuherberg
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Publication Date:
19 February 2015 (online)

Zusammenfassung

Einleitung: Viele Menschen in Deutschland besitzen keine Krankenversicherung, ihre Zahl wird auf über 100 000 geschätzt. Hinzu kommen (grob geschätzt) ca. 40 000 Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Empirische Studien über die gesundheitliche Versorgung dieser beiden Personengruppen liegen bisher kaum vor; es wird auch nur selten betont, dass derartige Studien wichtig wären. Offenbar besteht hier ein erhebliches Wahrnehmungs- und Forschungsdefizit. Die vorliegende Arbeit will dazu beitragen, diese Lücke zu schließen, durch eine empirische Analyse auf Basis von Daten der Malteser Migranten Medizin (MMM) in München.

Methoden: Zur Verfügung standen Patientendaten der Münchener MMM aus dem Zeitraum Januar 2009 bis Oktober 2012. Pro Behandlungsfall werden dort die folgenden Angaben erhoben: Behandlungsdatum, Geschlecht, Altersgruppe, Herkunftsregion, Aufenthaltsstatus (3 Gruppen), Diagnosekapitel (ICD-10), Behandlungsumfang (4 Gruppen). In die Analysen gingen Daten von 2 352 Fällen ein. In multivariaten Analysen wurde der Einfluss dieser Variablen wechselseitig kontrolliert. Zum Vergleich mit Angaben aus der Allgemeinbevölkerung wurden Daten der Barmer GEK aus Bayern hinzugezogen, bezogen auf den Zeitraum 2009–2011.

Ergebnisse: Die Analysen zeigen große Unterschiede im Diagnosespektrum nach Herkunftsregion und Aufenthaltsstatus. Nicht bestätigt werden konnte jedoch die Hypothese, dass die MMM-Patienten ohne legalen Aufenthaltsstatus besonders häufig an psychischen Erkrankungen leiden. Der Vergleich mit den Daten der Barmer GEK erbrachte ein etwas überraschendes Ergebnis, demnach zeigen sich beim Diagnosespektrum keine großen Unterschiede zwischen den Patienten der MMM und den Versicherten der Barmer GEK.

Schlussfolgerung: Der Bedarf an gesundheitlicher Versorgung lässt sich mit den MMM-Daten nur grob abschätzen. Die vorliegenden Analysen zeigen jedoch deutlich, wie unterschiedlich die Patienten sind, die zur MMM kommen. Die Münchener MMM verfügt über ein relativ breites Versorgungsangebot, die komplexen Anforderungen können jedoch nur zum Teil erfüllt werden, so fehlt z. B. ein Psychotherapeut. Mit den vorhandenen Ressourcen wird es immer nur sehr begrenzt möglich sein, die gesundheitliche Versorgung dieser Personengruppen zu gewährleisten. Wichtig wäre daher vor allem, dass ihre Versorgung besser in das Versorgungssystem der allgemeinen Krankenversicherung integriert wird.

Abstract

Introduction: It is estimated that more than 100 000 persons are without health insurance in Germany. The number of undocumented migrants is roughly estimated to be about 40 000. There are hardly any empirical studies looking at health care provision for these population groups, it is even rarely stressed that more empirical studies are needed. There seems to be a major gap concerning perception and research. The present study aims at promoting this discussion by presenting analyses based on data from an institution providing health care for these population groups, i. e., the Malteser Migranten Medizin (MMM) in Munich.  

Methods: Data were available from all patients coming to MMM between January 2009 and October 2012 (i. e., from 2 352 visits altogether). The following information is available for each visit: date, sex, age group, country of origin, residence permit status (3 groups), diagnosis (ICD-10 chapter), type of health care (4 broad groups). Multivariate analyses have been conducted for simultaneous control of these variables. In order to compare these data with information from the general population, data from a large statutory sickness fund have been included as well.

Results: Focusing first on the MMM patients, the analyses showed large differences concerning diagnoses by country of origin and by residence permit status. We were not able, however, to confirm the hypothesis that mental health problems are especially common among undocumented migrants. The comparison with the general population indicated, surprisingly, that MMM patients showed a very similar spectrum of diagnoses as compared with the general population.

Conclusion: The data from MMM do not allow a precise assessment of health care need, they still indicate, though, how different the patients are who seek help. MMM offers a broad range of health care, but it is hardly possible to meet the manifold demands of all the patients; there is no psychotherapist, for example. The resources available at MMM will always just allow a very limited provision of health care. It would be important to promote the integration of persons without health insurance and for undocumented migrants into the general system of statutory sickness funds.