neuroreha 2014; 06(04): 148
DOI: 10.1055/s-0034-1396336
Leserbriefe
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publication Date:
03 December 2014 (online)

Leserbrief zu: neuroreha 2013; 4: Schwerpunkt Schlucken
Starrost U, Schilling B: Therapiekonzepte in der Dysphagietherapie – ein Überblick

Die vollständige Auflistung der Therapieansätze zu den Schluckstörungen in dieser Überblicksarbeit erfreut! Allerdings erstaunen Formulierungen wie „Anhänger“, „Glaubensrichtungen“, „(Therapieansatz) … erfunden“ in einer Zeitschrift mit wissenschaftlichem Anspruch. Ist hier ein Bias festzustellen?

Die Herabsetzungen „anderer“ Konzepte gibt es seit fast 20 Jahren. Sie sagen mehr über die Urheber oben zitierter Formulierungen aus als über die, die so bezeichnet werden. Wäre es nicht an der Zeit, diesen fragwürdigen Sprachduktus abzulegen?

Ein inhaltlicher Diskurs ist gefragt, z.B. über die Bedeutung der posturalen Kontrolle auf unser Menschsein und ihre Veränderung durch neurogene oder krankheitsbedingte sekundäre Schädigungen. (Vielleicht ein Neuroreha-Schwerpunktheft?) Oder hinsichtlich der zitierten S1-Leitlinie „Neurogene Dysphagien“, bei der das Einbeziehen der „anderen“ Expertengruppe wünschenswert wäre (so wie es bei ersten Einladungen vor vielen Jahren angedacht war).

Viele Fragen zur Leitlinie tun sich auf: Studien zum Mendelsohn-Manöver oder zur Masako-Übung/tongue holding exercise mit extrem kleinen TN-Zahlen und ohne Kontrollgruppe werden als „evidenzbasiert“ klassifiziert. Hingegen werden die F.O.T.T.-Pilotstudie (Seidl et al. 2007, immerhin zehn schwer betroffene Patienten) und andere Studien nicht aufgeführt …

Um die „evidenzbasierten“ US-Techniken, z.B. die im Artikel beschriebene Shaker-head lift exercise, umzusetzen, bedarf es Patienten mit ausreichender Vigilanz, posturaler Kontrolle und Adherence. Die Realität in deutschen Intensivstationen, Akut- und Reha-Kliniken sieht anders aus!

Diese Leitlinie hilft den Kolleginnen und Kollegen mit Intensiv- und Frührehapopulation (auch mit Minussymptomen) in ihrem klinischen und ambulanten Alltag derzeit nicht weiter.

Ob da die – im Artikel zweimal erwähnte – CIMT beim Schlucken hilft …?

Ricki Nusser-Müller-Busch, MSC (Neurorehabilitation), Logopädin, F.O.T.T-Instruktorin, manuelle Schlucktherapie

Antwort auf den Leserbrief

Sehr geehrte Frau Nusser-Müller-Busch,
vielen Dank für Ihren Leserbrief, zu dem wir hiermit gerne Stellung nehmen.

Der Fokus des Artikels lag in der inhaltlichen Präsentation und kritischen Würdigung aller Therapiekonzepte, die derzeit in der Dysphagietherapie Anwendung finden. Wir haben diese Konzepte soweit möglich nach den aktuellen Dysphagieleitlinien bewertet, anderenfalls nach Plausibilität. Eine Herabsetzung lag uns dabei fern.

Kritik an den Leitlinien bitten wir direkt an das verantwortliche Expertengremium zu richten.

Wir stimmen mit Ihnen überein, dass einige Übungen und Techniken ein gewisses Maß an Vigilanz und Kooperationsfähigkeit voraussetzen – dies wurde im Artikel auch mehrfach zum Ausdruck gebracht.

Nicht bestätigen können wir allerdings Ihre Anmerkung, dass die in den Leitlinien aufgeführten evidenzbasierten Übungen generell nicht bei Patienten der Frührehabilitation anwendbar seien. Hier haben wir andere Erfahrungen in unserer langjährigen Arbeit gemacht.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Starrost, Berit Schilling