Z Gastroenterol 2014; 52(12): 1509-1510
DOI: 10.1055/s-0034-1397374
Mitteilungen des BVGD
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stellenwert der Gastroenterologie in Klinik (und Universitätsklinik)

J. Schölmerich
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Publication Date:
10 December 2014 (online)

Die Position der Gastroenterologie im Krankenhaussektor ist aufgrund neuer Entwicklungen nicht unproblematisch. So hat zwar die Zahl von im stationären Sektor tätigen Gastroenterologen sowohl was die Assistenzärzte angeht als auch was die hauptamtlich tätigen angeht in den letzten 15 Jahren deutlich zugenommen. Problematisch ist allerdings die Altersstruktur der stationären Ärzte, die im Verhältnis zu der Gesamtheit der Krankhausärzte stark alterslastig ist. Die Krankenhauskosten im stationären Bereich sind für die Verdauungskrankheiten deutlich niedriger als für die übrigen wichtigen Krankheitsgruppen, im ambulanten Sektor allerdings höher – dies ist allerdings teilweise auch durch Erkrankungen des Mund- und Zahnbereichs bedingt. Es ist schwierig die tatsächlichen gastroenterologischen Fälle zu quantifizieren, da die ICD 10-Codes häufig auch chirurgische Fälle mit erfassen, wie beispielsweise bei Erkrankungen der Gallenblase und der Gallenwege oder bei bösartigen Neubildungen. Dies bedeutet, dass die Gastroenterologie in 2014 durch eine Dominanz der ambulanten Versorgung bei gleichzeitig steigender Zahl von Gastroenterologen in Krankenhäusern charakterisiert ist. Absehbar ist auch, dass die Hepatitis und in Zukunft auch die Hepatitisfolgen durch die annähernd hundertprozentige Heilungsmöglichkeit der Hepatitis C abnehmen werden und dass die onkologischen Patienten in Zukunft zunehmend durch molekularorientierte Onkologie und nicht mehr durch Organonkologie behandelt werden.

Dies ist umso schwerwiegender als nach einer Umfrage von DGVS und BVGD ein Hauptschwerpunkt der Klinikabteilungen in über 60 % die onkologische Gastroenterologie ist, an dritter Stelle nach chronisch entzündlichen Darmerkrankungen folgt die Hepatologie mit immerhin 35 %. Hier wird eine Umorientierung nicht zu vermeiden sein. Bezüglich der gleichen Umfrage ergibt sich bemerkenswerter Weise, dass Standardverfahren wie Koloskopie und Gastroskopie in allen Abteilungen vorgehalten werden, dass aber alle weiteren durchaus interessanten Verfahren seltener zum Einsatz kommen. Hier liegt vermutlich die große Chance der Gastroenterologie, nämlich die Weiterentwicklung der endoskopischen Verfahren, die zunehmend auch über die klassische diagnostische und auch interventionelle Endoskopie hinausreichen müssen. Die routinemäßigen Endoskopieverfahren wie beispielsweise die Vorsorgekoloskopie und ähnliches werden in Zukunft wie bereits jetzt in anderen Ländern auch von trainiertem medizinischen Hilfspersonal bearbeitet werden können, hier liegen randomisierte Studien vor die zeigen, dass dies ohne Qualitätsverlust gut möglich ist [1].

Die Weiterentwicklung der Gastroenterologie wird nur möglich sein, wenn spannende Themen, die durchaus endoskopisch zu bearbeiten wären, wie Analyse der Mukosabarriere und deren Funktion, die Analyse von Zellpopulationen und der Präsenz von Mutationen beispielsweise über Antikörperbeschichtung, die Analyse von Bakterientranslokation und die Erfassung von lokalen Signalen weiterentwickelt werden. Auch die lokale Applikation von Therapeutika wie siRNA oder andere Substanzen, die auch in Nanopartikeln verpackt appliziert werden können, stellt eine Entwicklungsmöglichkeit dar, die anderen Fächern nicht zugänglich ist.

Von ebenso großer Bedeutung ist die Weiterentwicklung der gastroenterologischen Intensivmedizin. Hier sind etliche Erkrankungen aus dem gastroenterologischen Bereich, wie das Leberversagen, die gastrointestinale Blutung, die mesenteriale Ischämie und dabei insbesondere die nicht okklusive Form, die Cholangiosepsis und auch die akute Pankreatitis klassische Krankheitsbilder, die von gut ausgebildeten Intensivmedizinern mit gastroenterologischem Background behandelt werden können und müssen. Hier ist zu berücksichtigen, dass bei etlichen dieser Erkrankungen interventionelle endoskopische Methoden eine wesentliche Rolle spielen, die auch hier weiterentwickelt werden müssen, wie beispielsweise die Nekrosektomie bei akuter Pankreatitis oder interventionelle endosonographische Verfahren zur Gefäßdarstellung und -wiedereröffnung.

Ein weiterer Bereich, der für die Zukunft der Gastroenterologie von hoher Bedeutung ist, ist die Adipositas-Epidemie. Wenn man die Daten aus den USA betrachtet steht zu erwarten, dass auch hierzulande in absehbarer Zeit über 25 % der Bevölkerung krankhaft adipös sein werden. Hier muss die bislang heimatlose Ernährungsmedizin zwingend in die Gastroenterologie integriert werden, zumal hier Forschungsansätze wie beispielsweise Ausnutzung von neuen Funktionen der Gallensäuren [2] ebenfalls dem Fach spezifisch zuzuordnen sind.

Somit ist klar, dass die Gastroenterologie um in Kliniken zu überleben die Forschung insbesondere in dem Bereich der Endoskopie, der Intensivmedizin und der Ernährungsmedizin intensivieren muss, um in der Zukunft denkbare Verluste an Kapazitäten durch Reduktion der Hepatitisfolgen und Änderung der onkologischen Therapiestrategien zu kompensieren.

Einen besonderen Aspekt stellt die Gastroenterologie an Universitätskliniken dar. Hier sind die Gastroenterologen häufig die „letzten Internisten“ die oft zuständig für die allgemeine innere Medizin, die Notaufnahme und eventuell auch Intensivstationen sind. Sie sind oft mit der Infektiologie und mit dem Stoffwechsel und der Ernährung assoziiert und sie stellen durch die Verfügbarkeit der Endoskopie einen wichtigen „sekundären Leistungserbringer“ in allen Kliniken dar. Sie haben eine zentrale Rolle in der Lehre der inneren Medizin, die ja wiederum eine zentrale Rolle in der gesamten Studentenausbildung einnimmt. Die Vielfalt von Symptomen und Krankheitsbildern und die wesentliche Funktion in der Pathophysiologie ist in Kombination mit der Vielzahl der in der Gastroenterologie beheimateten Organsysteme ein nicht zu unterschätzender Vorteil, der die Präsenz der Gastroenterologie an den Universitätsklinika in jedem Falle sichert. Hier muss nur deutlich werden, dass im Gegensatz zu Hämatologen / Onkologen und Kardiologen Gastroenterologen sich tatsächlich auch als Teil der „Inneren Medizin“ verstehen und die genannten Funktionen wahrnehmen wollen.

Zusammengefasst kann konstatiert werden, dass die klassische Bettenbelegung in den gastroenterologischen Abteilungen und Kliniken zurückgehen wird. Im Gegenzug müssen die „Dienstleistungen“ Endoskopie und die hier nicht besprochene Sonographie ausgebaut und entwickelt werden, hierzu ist Forschung erforderlich. Die Rolle der klinischen Gastroenterologie als Erbe der internistischen Generalisten muss erhalten und verstärkt werden. Dies gilt insbesondere für die Universitätsklinika. Es könnten unschwer weitere Bereiche wie beispielsweise die Mikrobiomforschung und die Ernährungsmedizin primär an den Universitätsklinika durch Forschung akquiriert werden. Den Universitätsklinika ist zwingend aufgegeben, die Endoskopie-Forschung voranzutreiben.

 
  • Literatur

  • 1 Limoges-Gonzalez M, Mann NS, Al-Juburi A et al. Comparisons of screening colonoscopy performed by a nurse practitioner and gastroenterologists: a single-center randomized controlled trial. Gastroenterol Nurs 2011; 34: 210-216
  • 2 Watanabe M, Houten SM, Mataki C et al. Bile acids induce energy expenditure by promoting intracellular thyroid hormone activation. Nature 2006; 439: 484-489