Diabetologie und Stoffwechsel 2014; 9(6): 389
DOI: 10.1055/s-0034-1397457
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leserbrief – Leserbrief zum Beitrag „Ein halbes Jahrhundert Diabetologie“

Contributor(s):
Eva Küstner
,
Wolfgang Schütt
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Publication History

Publication Date:
29 December 2014 (online)

Der Beitrag von Professor Mehnert kann nicht unwidersprochen bleiben. Er ist an vielen Stellen sachlich falsch und gibt weder den aktuellen Stand der Diabetologie noch der Rechtsprechung wieder. Die Absicht dieses Beitrags bleibt unklar. Deshalb erlauben wir uns ein paar Richtigstellungen und einen persönlichen Kommentar:

Schon der 1. Satz des Beitrags ist falsch: Der Grad der Behinderung wird bei Diabetes mellitus nicht mehr „wie folgt angegeben: durch Diät oder durch Diät und orale Antidiabetika gut ausgleichbar….“ Hätte Herr Mehnert einen Blick in die Versorgungsmedizin-Verordnung von Juli 2010 geworfen, wäre der Fehler nicht passiert. Dem 2. Satz, der seine persönliche Einschätzung wiedergibt, dass sich die nicht mehr gültige „Einstufung der Diabetiker im ganzen gut bewährt“ habe, kann man nicht zustimmen, denn die Versorgungsmedizin-Verordnung ist im Jahre 2010 aus gutem Grund geändert worden. Im Übrigen werden nicht „die Diabetiker“ bewertet, sondern im Rahmen des behördlichen Feststellungsverfahrens die Beeinträchtigungen der Teilhabe eingeschätzt, die durch den Diabetes selbst, aber auch durch Hypoglykämien oder den Therapieaufwand begründet werden.

In der 2. Spalte fragt sich der Autor, ob man Menschen mit Diabetes (er schreibt „Patienten“), „die als insulinspritzende Diabetiker zwar labil sind, aber keine Komplikationen oder sonstige Erkrankungen aufweisen und als Schwerbehinderte (GdB 50 % und mehr) eingestuft werden…wirklich das Siegel „schwerbehindert“ aufdrücken (soll)“. Das ist eine unsinnige Frage, denn der Antrag auf Schwerbehinderung wird freiwillig gestellt, hier wird von Amts wegen nichts „aufgedrückt“. Ob man sich als Mensch mit Diabetes einer möglichen Diskriminierung von Menschen aus dem sozialen Umfeld aussetzen will oder nicht, kann jeder selbst entscheiden. Damit Betroffene eine informierte Entscheidung treffen können, sollte die Abwägung des Pro und Contra im Rahmen der Beratung von Menschen mit Diabetes thematisiert werden. Im Übrigen wird der Grad der Behinderung nicht in Prozent ausgedrückt.

Auch der folgende Satz enthält Falschinformationen, daher stellen wir richtig: Beim Abschluss einer Lebens- oder privaten Krankenversicherung muss wahrheitsgemäß über bestehende Krankheiten Auskunft gegeben werden, hier ist die Schwerbehinderteneigenschaft nicht das eigentliche Hindernis. Bei der Suche nach einem Arbeitsplatz hat ein Schwerbehinderter das Recht auf Verschweigen der Schwerbehinderung, eine tätigkeitsunabhängige Frage des Arbeitgebers nach einer Schwerbehinderung ist in der Einstellungsphase bis zum Ende der Probezeit rechtlich unzulässig. Das ergibt sich aus § 81 Abs. 2 SGB IX und §§ 7,8 AGG. Und bei „Problemen mit dem Führerschein“ werden die Begutachtungsleitlinien für die Kraftfahreignung des Bundesamts für Straßenwesen angewendet, eine Schwerbehinderteneigenschaft ist dabei unerheblich.

Unserer Meinung nach reichen diese Beispiele, um zu zeigen, dass so ein Beitrag nicht würdig ist, in unserer Fachzeitschrift veröffentlich zu werden. Er birgt ja die Gefahr, von Kollegen, die nicht so sehr mit der Materie vertraut sind, als richtig angesehen zu werden und an Betroffene weitergegeben zu werden – in guter Absicht und im Vertrauen auf den guten Namen Professor Mehnerts.

Der Beitrag erinnert uns an längst vergangene Zeiten, in denen die Menschen mit Diabetes viel zu oft in einer sehr vage gehaltenen Sprache und ohne Verweis auf die aktuelle Rechtslage über sozialrechtliche Belange „aufgeklärt“ worden sind . Seit vielen Jahren versucht nun der Ausschuss Soziales der Deutschen Diabetes Gesellschaft in der Form klar und rechtlich genau zu informieren .

Nun hat Professor Mehnert am Ende des Beitrags einen Artikel „zur Berufswahl des Diabetikers“ angekündigt. Dem Autor ist anzuraten, sich dabei an die aktuellen, seit 10 Jahren gültigen Berufsempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft zu halten. Ihnen als den Herausgebern dieser Zeitschrift legen wir dringend nahe, hier vorsichtig zu handeln und den Artikel vor Veröffentlichung zumindest von jemand Kompetentem gegenlesen zu lassen. Wir brauchen kein weiteres derartiges Ärgernis.