Z Gastroenterol 2016; 54(01): 105
DOI: 10.1055/s-0034-1398263
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Darmkrebsvorsorge und -früherkennung – Kolonkapsel ein Zukunftsmodell?

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Publication Date:
18 January 2016 (online)

Die Stiftung Lebensblicke hatte unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Jürgen F. Riemann am 4. November 2015 zu einem Experten-Workshop nach Frankfurt eingeladen, um die Bedeutung der Kolonkapsel im Rahmen der Darmkrebsvorsorge zu beleuchten.

Nach einleitenden Worten von Prof. Riemann zur möglichen Bedeutung dieser neuen Methode berichtete Prof. Dr. Horst Neuhaus über den aktuellen Stand der Technik. Die derzeitige Kolonkapsel verfügt über zwei Kameras und eine geschwindigkeitsadaptierte Aufzeichnungsrate. Nach derzeitiger Studienlage liegt die Spezifität für den Nachweis von Polypen größer als 10 mm bei ca. 90 Prozent. Diese Ergebnisse konnten 2015 in einer Studie mit Screening-Patienten bestätigt werden. Eine optimale Darmreinigung sei entscheidend für ein solch gutes Ergebnis. Desweiteren stelle die Kolonkapsel eine aussagefähige Untersuchungsmethode bei vorausgegangener inkompletter Koloskopie dar.

Prof. Dr. Axel Dignaß konnte anschließend die Sicht der DGVS (Vorstand) darlegen. Man sei bei dem sehr wichtigen Thema der Darmkrebsvorsorge interessiert und offen für neue diagnostische Methoden (Kapsel). Wichtig seien aber größer angelegte Studien, um die bisher fehlenden Nachweise für eine starke Evidenz vorlegen zu können. Dr. Horst Hohn, der Sprecher der Kapselgruppe im bng, schilderte die Möglichkeiten der Kolonkapsel in der Facharztpraxis. Wichtig sei eine gute Organisation und ein strukturierter Ablauf die Untersuchung (mit ausgebildeter MFA) und die äußerst gründliche Reinigung des Darmes. Der Zeitaufwand bei der Durchführung der Kapseluntersuchung (> 1 Std.) ist hoch, die Bezahlung als Versicherungsleistung bisher nicht geklärt.

Dr. Gerhard Dahlhoff (AOK-Projektleiter) und Kollege M.D. Marwan Khoury (niedergelassener Gastroenterologe in Hof) berichteten über das Kolonkapsel-Projekt der AOK in Hof. Inhaltlich hat das Angebot die Methode eine hohe Akzeptanz bei den Patienten gefunden, insbesondere bei jenen, die einer Koloskopie bisher skeptisch gegenüber standen. Zugleich konnten mehr Versicherte durch ausreichende Aufklärung für eine Vorsorgekoloskopie gewonnen werden. Da die Kapseluntersuchung in Hof in bis zu 60 Prozent pathologische Befunde generiert, wurden viele Koloskopien – möglichst als „Tandemuntersuchung“ – direkt nach der Kapsel ohne eine erneute Darmvorbereitung nötig und dem Patienten im Vorfeld angeboten. Dieses Vorgehen erhöht zwar die Kosten der Vorsorge, führt jedoch in der Region um Hof zu einer höheren Inanspruchnahme der Vorsorge. Erste umfassende Ergebnisse werden gerade ausgewertet.

Kollege Dr. Axel Munte, der ehemalige Vorsitzender der KVB und selbst Gastroenterologe, beschrieb eine ambulante Situation, in der alle Leistungserbringer und Krankenkassen in einem Boot sitzen, um eine möglichst hohe Teilnahme an Vorsorgemaßnahmen zu erreichen. Deswegen wurde diese als AOK Pilot Studie gedachte Untersuchung in einer Modellregion in Bayern durchgeführt. Die Region Hof wurde gewählt, weil trotz hoher Inzidenz des Kolorektalen Karzinoms die Teilnehmerrate an der Darmkrebsvorsorge bisher gering war.

Dr. Lutz Altenhofen aus dem ZI der KBV nahm Stellung zu dem wichtigen Thema der kleinen Polypen in der Darmkrebsvorsorge. Fakt ist, dass gerade die Anzahl dieser Entität in den letzten Jahren angestiegen ist. Die Ursachen sind vielfältig (u. a. bessere Technik, Weiterbildung und Qualifikation des Untersuchers etc.). Bei einem Update der Leitlinie sollte die Polypengröße Einfluss auf das zu empfehlende Kontrollintervall haben.

Zum Abschluss des Workshops gab Prof. Bertrand Granado (Paris) einen Einblick in zukünftige technische Entwicklungen und Möglichkeiten der Kolonkapsel (z. B. 3D), die zurzeit in einem europäischen Projekt untersucht werden (NAutILES). Die Stiftung Lebensblicke plant, die Ergebnisse des Treffens in einem Positionspapier zusammenzufassen.

Dr. Jens Aschenbeck, Dr. Dietrich Hüppe (Sprecher der Fachgruppe Kolorektales Karzinom im bng)

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Das Fazit von Dr. Jens Aschenbeck und Dr. Dietrich Hüppe: Eine gefühlt hohe Nachfrage der Kolonkapsel in der Darmkrebsvorsorge in einigen Zentren der Republik sollte nicht dazu benutzt werden, die bisher fehlende Evidenz und Studienlage für diese Methode zu negieren. Bis zur Zulassung der Methode zur Darmkrebsvorsorge sind große Studien und gute wissenschaftliche Daten dringende Vorrausetzung