NOTARZT 2015; 31(05): 252-255
DOI: 10.1055/s-0035-1552717
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„es grünt so grün …“[*]

L. Nibbe
Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Berlin
,
F. Martens
Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Berlin
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Publication Date:
28 October 2015 (online)

Fall 1

Der RTW bringt einen 46-jährigen Mann in die Rettungsstelle des Krankenhauses. Alarmiert wurde der Rettungsdienst durch die Freundin des Patienten, die eine zunehmende Schläfrigkeit ihres Partners bemerkt hatte. Der Patient schien zu schlafen, auf Ansprache erfolgte keine Reaktion, erst ein Schmerzreiz ließ ihn kurzzeitig die Augen öffnen und er wehrte den Schmerzreiz ab. Verbale Äußerungen bestanden in unverständlichen Lauten. Der Blutdruck wurde mit 130/85 mmHg, die Herzfrequenz mit 110/min bestimmt. Bei Raumluft lag die pulsoxymetrische Sättigung bei 94 %. Laborchemisch fand sich eine Alkoholkonzentration im Serum von 1,7 g/l und in der venösen Blutgasanalyse eine mäßige Hyperkapnie von 49 mmHg.


Kurz nach Einlieferung des Patienten erschien dessen Freundin und brachte eine leere Packung von ehemals 10 Kapseln Katadolon®. Diese Schmerztabletten nähme sie gelegentlich wegen Rheuma, doch sie sei sich sicher, dass die Packung am Vortag noch fast voll gewesen sei. Somit wurde zusätzlich eine toxikologische Analyse hinsichtlich des Wirkstoffes Flupirtin angefordert, die nach einigen Stunden Analysedauer eine Konzentration von 2,98 µg/ml ergab.


Wegen anhaltender Vigilanzminderung wurde der Patient auf die Intensivstation verlegt. Dort wurde Elektrolytlösung als Volumen infundiert und zur besseren Bilanzierung ein Blasendauerkatheter eingelegt. In den Folgestunden fiel dann eine deutliche, grüne Verfärbung des Urins auf ([Abb. 1]). Vier Stunden nach Übernahme auf die Intensivstation entwickelte sich ein agitiert-deliranter Zustand, der vorübergehend mechanische Fixierung und die Gabe von Clonidin erforderlich machte. In den Vormittagsstunden des Folgetages war der Patient wieder völlig aufgeklart und konnte einem Psychiater vorgestellt werden. Ein Suizidversuch wurde in diesem Gespräch negiert, der Alkoholgebrauch thematisiert und der Patient wurde mit Empfehlungen für ambulante Alkoholentzugsbehandlung nach Hause entlassen.

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Abb. 1 Grüner Urin nach Flupirtinvergiftung (Foto L. Nibbe).

* frei nach dem Musikal „My Fair Lady“


 
  • Literatur

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