Gesundheitswesen 2015; 77(07): 496-498
DOI: 10.1055/s-0035-1554679
Praxisbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ermittlungsweg des Gesundheitsamtes des Landkreises Stendal bei einer Erkrankungshäufung durch Campylobacter jejuni in einer Kindertagesstätte nach dem Verzehr von Rohmilch

Detection of a Disease Cluster by the Health Authorities of Stendal District due to Campylobacter Jejuni in a Nursery After the Consumption of Raw Milk
N. Hermann
1   Gesundheitsamt Landkreis Stendal
,
I. Schubert
1   Gesundheitsamt Landkreis Stendal
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Publication Date:
30 July 2015 (online)

Zusammenfassung

Mit einer Labormeldung über den Nachweis von Campylobacter jejuni bei einem 6-jährigen Jungen begann der Ermittlungsweg des Gesundheitsamtes des Landkreises Stendal, um die Erkrankungshäufigkeit durch den bakteriellen Erreger in einer Kindertagesstätte erklären zu können. Die Kinderarztpraxis des erkrankten Kindes informierte daraufhin über einen Bauernhofbesuch. Diesen bestätigte die Leiterin der Kindertagesstätte. Sie teilte auf Nachfrage dem Gesundheitsamt weiter mit, dass während des Besuches Rohmilch verkostet wurde.

In den nächsten Tagen traten weitere Erkrankungsfälle auf. Insgesamt erkrankten in einem Zeitraum von 10 Tagen 21 Kinder aus 5 verschiedenen Gruppen. Das Gesundheitsamt veranlasste Stuhlproben von den erkrankten Kindern, Erzieherinnen und dem Leiter des landwirtschaftlichen Betriebs, da Campylobacter-Infektionen meist lebensmittelbedingt sind und Rohmilch eine mögliche Infektionsquelle darstellt.

Das Gesundheitsamt führte mit dem Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt eine retrospektive Kohortenstudie durch, mit dem Ziel, einen Zusammenhang zwischen der Exposition durch den Rohmilchverzehr und dem Auftreten der Erkrankung durch C. jejuni aufzudecken. Anhand eines Fragebogens wurde der Nahrungsmittel- und Milchverzehr und die Teilnahme am Essen in der Kindertagesstätte sowie am Bauernhofbesuch erhoben. Es wurden 91% der Kinderkohorte und 86% der Erwachsenenkohorte erfasst.

Die exponierte Risikogruppe zeigte ein höheres Erkrankungsrisiko als die nicht exponierte Vergleichsgruppe. Der Unterschied konnte auf das Wirken des Risikofaktors Rohmilch zurückgeführt werden. Weiter gelang dem Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt anhand von 2 Einzelmilchproben von 2 verschiedenen Kühen und einer Tankmilchprobe der Nachweis des bakteriellen Erregers, sodass damit der Zusammenhang zwischen den Erkrankungen, der Verkostung von Rohmilch, dem Nachweis der Erreger in den Stuhlproben der Kinder und den Milchproben der Kühe gegeben war.

Das Gesundheitsamt zog aus dem Fall folgende Schlüsse: Eine Beratung aller Leiterinnen von Kindertagesstätten sowie der Milcherzeugenden Betriebe im Landkreis Stendal zum Thema Rohmilch ist erforderlich. Besuche von Kindergruppen auf dem Bauernhof sind weiterhin möglich, jedoch ist der Verzehr von rohen Lebensmitteln tierischer Herkunft einschließlich Rohmilch untersagt.

Abstract

A notification from a laboratory concerning the detection of Campylobacter jejuni in a 6-year-old boy initiated the investigation carried out by the health authorities from Stendal district, in order to explain the morbidity rate caused by the germ. The day after the boy’s pediatrician informed about a visit to a farm, which was confirmed by the head of the nursery. She told the health authorities about the consumption of raw milk during their visit at the farm.

The following days more children fell sick. Within 10 days the total number of diseased children was 21. The health authorities asked for stool samples of the diseased children, nursery nurses and the head of the farm since raw milk presents a potential cause of infection.

The health authorities together with the Saxony-Anhalt State Office for Consumer Protection conducted a retrospective cohort study. The aim was to explain the association between the exposure from raw milk consumption and the occurrence of the disease from C. jejuni. Based on a questionnaire data about the food and milk intake at the nursery and at home and about the trip to the farm were collected. 91% of the children’s cohort and 86% of the adults’ cohort were captured.

The exposed group at risk showed a higher risk of falling ill than the group, which was not exposed. The risk factor raw milk explained the difference. Furthermore, the analysis of milk samples taken by the district veterinary office from 2 cows and from the farm’s tank was able to detect the germs. The correlation of the illness, the consumption of raw milk, the detection of C. jejuni in the samples taken from the children and the samples taken from the cows was evident.

Based on the case the health authorities recommended that heads of nurseries as well as heads of dairy farming in the district of Stendal needed to be advised on raw milk. Nurseries are still allowed to take trips to farms. However, raw animal derivates including milk must not be consumed.