Notfallmedizin up2date 2015; 10(02): 114-115
DOI: 10.1055/s-0035-1557745
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Referat

Contributor(s):
Christian Treder
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Publication Date:
14 July 2015 (online)

„Drücken oder drücken lassen?“ – das ist hier die Frage

Perkins GD, Lall R, Quinn T et al. Mechanical versus manual chest compression for out-of-hospital cardiac arrest (PARAMEDIC): a pragmatic, cluster randomised controlled trial. Lancet 2015; 385: 947–955

In den ERC Guidelines zur kardiopulmonalen Reanimation (CPR) aus dem Jahr 2010 liegt der Schwerpunkt auf einer suffizienten Thoraxkompression sowie Frequenz und Entlastung während der kardiopulmonalen Reanimation, um eine möglichst kontinuierliche Zirkulation zu generieren. Zur Entlastung der Rettungskräfte steht hierzu seit ca. 2002 das sog. LUCAS™ (Lund University Cardiac Arrest System; Physio Control Inc., Redmond/USA) zur Verfügung.

Bereits 2 größere Studien untersuchten einen möglichen Überlebensvorteil für den Patienten durch die Anwendung einer mechanischen Kompressionshilfe. Die im Januar 2014 publizierte LINC-Studie untersuchte, ob es einen Unterschied in der 4-Stunden-Überlebenswahrscheinlichkeit zwischen manueller und automatisierter Thoraxkompression gibt (JAMA 2014; 311: 53–61), wobei Rubertsson et al. zu dem Schluss kamen, dass im klinischen Alltag kein deutlicher Unterschied besteht. Zum selben Thema veröffentlichten Wik et al. im März 2014 ihre CIRC-Studie (Resuscitation 2014; 85: 741–748). Auch in dieser zeigte sich bezüglich der Krankenhausentlassung und der Überlebenswahrscheinlichkeit kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen einer „high-quality manual CPR“ und der „integrated load distributing band CPR“. Hier wurde allerdings das AutoPulse™-System (Zoll Medical Corp., Chelmsford/USA) zum Vergleich herangezogen.

Dr. Perkins und seine Kollegen aus Großbritannien untersuchten nun mit ihrer PARAMEDIC-Studie, ob es unter „real life conditions“ einen Unterschied zwischen der manuellen und mechanischen Thoraxkompression bezüglich des 30-Tage-Überlebens gibt. Die Cluster-randomisierte, kontrollierte Studie wurde in Zusammenarbeit mit den 4 Ambulance Services des englischen Gesundheitssystems durchgeführt. Insgesamt wurden 91 Rettungswachen ausgewählt, in denen die 418 Cluster (Rettungsmittel) stationiert waren. Dabei wurde unterschieden zwischen „ambulance“ (mit 2 Personen) und „rapid response vehicle“ (mit einer Person besetzt), die auf LUCAS™ oder manuelle CPR randomisiert wurden. Das ersteintreffende Fahrzeug war ausschlaggebend für die Reanimationsmethode.

Im Gegensatz zu den beiden o. g. Studien wurde der Fokus von den Autoren der PARAMEDIC-Studie auf eine realitätsnahe Einführung des LUCAS™ und dessen Auswirkung auf das Überleben gelegt. Deshalb erfolgten Einführung und Training mit dem LUCAS™-2 wie bei jedem anderen neuen Mittel im Rettungsdienst. Das bedeutet, dass jeder beteiligte Rettungsdienstmitarbeiter Zugang zu einer Online-Trainings-Quelle hatte und ein 1- bis 2-stündiges Training an einer Reanimationspuppe erhielt. Während dieser Trainings wurde betont, wie wichtig die schnelle Anlage des LUCAS™-2 mit möglichst wenig Unterbrechungszeit der Reanimation ist. Das Personal wurde regelmäßig weiter geschult, ein „research paramedic“ sah sich alle Fälle an und gab, wenn nötig, Feedback. Jeder Rettungsdienstmitarbeiter wurde in Airway-Management, der Gabe von Medikamenten und der Defibrillation aus- und fortgebildet. In keiner der beiden Gruppen wurde ein direktes Reanimations-Feedback-System eingesetzt.

Die Studie schloss von April 2010 bis Juni 2013 insgesamt 11 171 Notfälle ein, davon waren 4689 Reanimationen. Von diesen flossen 4471 in die Untersuchung ein. Um eine bessere Aussagekraft zu gewährleisten, entschloss man sich ein 1:2-Verhältnis zwischen LUCAS™-2 und manuelle CPR zu wählen. In der Kontrollgruppe erhielten von 2819 Patienten 2809 eine manuelle und 11 eine LUCAS™-Reanimation. Von den 1652 Patienten in der LUCAS™-2 Gruppe erhielten 985 eine LUCAS™-Reanimation, 638 eine manuelle Thoraxkompression und bei 29 Patienten ließ sich die Art der Kompression nicht ermitteln.

Was führte zur Nichtanwendung der mechanischen Kompression in der LUCAS™-2-Gruppe?

  • Personal war nicht in Anwendung trainiert (n = 78)

  • Fehler im Team („crew error“,nicht näher bezeichnet; n = 168)

  • kein LUCAS™-2 im Wagen (n = 26)

  • Patient war ungeeignet (zu groß, zu klein, etc.; n = 102)

  • Gerätedefekt (n = 14)

  • Benutzung war nicht möglich (n = 140)

  • Gründe unbekannt (n = 110)

Beim 30-Tage-Überleben gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen (6 % in der LUCAS™-2-Gruppe; [n = 104] vs. 7 % in der Kontrollgruppe [n = 193]) in Bezug auf die Gesamtzahl der Fälle. Bei Betrachtung der 3-Monats-Überlebenswahrscheinlichkeit zeigte sich ebenfalls kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen (LUCAS™-2-Gruppe 6 % [n = 96] vs. Kontrollgruppe 6 % [n = 182]). Auffällig war jedoch, dass in der LUCAS™-2-Gruppe die Zahl der Patienten mit günstigem neurologischem Outcome niedriger war.

Fazit

Mit dieser Studie wurde der Versuch unternommen, eine Aussage über die Effektivität einer mechanischen im Vergleich zu einer manuellen Thoraxkompression während einer Reanimation zu treffen. Das Hauptaugenmerk lag dabei darauf, das LUCAS™-2 genau wie andere neue Gerätschaften in ein bestehendes System zu integrieren. Es gab initial kein intensives Training oder eine „Aufwärmphase“ vor Studienbeginn. Bei der weiteren Analyse fand man heraus, dass sich ein schlechteres Outcome gerade in der Gruppe der Patienten mit initial schockbarem Rhythmus fand. Eine Erklärung könnte sein, dass die Zeit bis zur Anlage des Systems vor dem ersten Schock zu einer Verzögerung der Defibrillation führte. Die Autoren verweisen aber darauf, dass man diese Ergebnisse vorsichtig betrachten muss, da es sich nur um eine Subgruppenanalyse handelt. Ein weiteres Ergebnis war, dass in dieser Studie jeder Rettungsdienstmitarbeiter 1–2 Reanimationen pro Jahr durchführte. Hier wird klar, dass bei Verwendung und Einführung eines neuen Systems ein ausreichendes Training der Anwender unablässig für die sichere Durchführung und die Effizienz ist. Auch wenn sich kein Unterschied zwischen den verglichenen Gruppen zeigte, gibt uns auch diese Studie wieder den Hinweis, den Einsatz einer neuen Technik mit differenziertem Blick zu betrachten. Wie schon in den ERC Guidelines erwähnt, gibt es Situationen, in denen der Einsatz sinnvoll ist (während einer Herzkatheteruntersuchung oder bei längerer Patientenrettung, prolongierter Reanimation). Auch bei einem Patiententransport unter Reanimation kann ein solches System eine gute Kompressionstiefe, -frequenz und suffiziente Entlastung gewährleisten.

Christian Treder, Lübeck

Koordination der Rubrik „Referate“: Dr. med. Jan Wnent, Lübeck