veterinär spiegel 2015; 25(03): 131
DOI: 10.1055/s-0035-1557840
Nutztiere & Pferde
Editorial
Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart · New York

MRSA und Co. – nur mit Konsequenz in Schach zu halten

Rainer Schneichel
Further Information

Publication History

Publication Date:
14 September 2015 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

kürzlich hatte ich die Gelegenheit, an einer Diskussionsrunde zum Thema „Antibiotika-Resistenzen“ teilzunehmen, zu der die „Kritischen Medizinstudierenden Köln“ eingeladen hatte. Das Interesse der Zuhörer an der Situation in der Tiermedizin und in der Nutztierhaltung war sehr groß. In den Gesprächen zeigte sich, dass die Problematik der Resistenzen und der Infektionen mit resistenten Erregern, wie MRSA und ESBL, künftig weitaus umfassender angegangen werden muss, als dies bislang der Fall ist.

Die verschiedenen „Lager“ waren sich einig, dass eine Schuldzuweisung allein in Richtung Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung ein völlig falscher Ansatz ist. So wurde beispielsweise deutlich, dass die Vorgehensweise hinsichtlich MRSA-Screening in deutschen Krankenhäusern noch gravierende Lücken aufweist. Eine konsequente und regelmäßige Beprobung von Personal und Patienten wäre der richtige Weg, um dem gefährlichen Erreger Herr zu werden. Die Niederlande machen uns vor, wie es geht. Dort ist aufgrund eines engmaschigen Screenings und Kontrollsystems im Rahmen der „Search and Destroy“-Strategie die Rate von Infektionen mit den sogenannten „Krankenhauskeimen“ drastisch gesunken, während sie bei uns eher ansteigt. Im Jahr 2013 lag der Anteil an MRSA-Fällen auf Intensivstationen in deutschen Krankenhäusern bei 21 %, in Holland hingegen unter 5 % (aktuellere Zahlen liegen derzeit noch nicht vor).

Natürlich müssen wir seitens der Veterinärmedizin ebenfalls unser Möglichstes tun, um die Entstehung von Resistenzen zu vermeiden. Der kritische Umgang mit antimikrobiellen Substanzen und der behutsame Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung stellen eine wichtige Grundlage dafür dar. Ohne den Schulterschluss mit der Humanmedizin werden wir aber alleine das Ziel der erfolgreichen Bekämpfung von Resistenzen niemals erreichen.

Das sehen viele Ärzte und Krankenhaushygieniker inzwischen genauso, wie die Diskussion in Köln gezeigt hat. Nun gilt es, an der zügigen Umsetzung einer Strategie, ähnlich wie in den Niederlanden, zu arbeiten. Jeder Tag zählt. Denn der Anteil von MRSA- und ESBL-Fällen hat in den letzten Jahren stark zugenommen.

Die Argumentation, dass die Holländer es aufgrund ihrer zentralistischen Staatsstruktur leichter haben als wir, wird gerne verwendet, um das Zögern in unserem Land zu rechtfertigen. Doch was spricht dagegen, deutschlandweit eine einheitliche Vorgehensweise in den Krankenhäusern zu etablieren? Soll das höchste Gut, das wir besitzen, unsere Gesundheit, weiter dadurch gefährdet werden, dass man immer wieder Gegenargumente und Ausreden findet, warum ein „Search and Destroy“-System in Deutschland nicht funktionieren kann?

Leidtragende sind immer die Patienten, die sich vertrauensvoll in die Hände der Humanmedizin begeben. Probleme nach Operationen aufgrund von vorher nicht erkannten Infektionen mit MRSA können schlimme gesundheitliche Folgen haben, insbesondere für Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Würde man konsequent auf den Erreger testen, könnte man den betroffenen Patienten vor der OP innerhalb von 3 Tagen nasal behandeln, den Erreger abtöten und somit auf Nummer sicher gehen.

Doch davon sind wir noch weit entfernt. Auf Nachfrage in einem Krankenhaus in unserer Nähe, ob denn zumindest das Personal regelmäßig auf MRSA getestet werde, bekam ich eine ernüchternde Antwort: „Nein“, sagte eine Krankenschwester, „bei mir ist noch nie so ein Test gemacht worden.“ Dass dies kein Einzelfall ist, zeigen auch Berichte aus anderen Städten und Regionen.

Es gibt also dringenden Handlungsbedarf, der auch von unseren Politikern erkannt werden muss. Die Parteien, egal welcher Couleur, sollten sich nicht alleine auf die Antibiotika-Minimierung in der Nutztierhaltung stürzen, sondern ihr Engagement in Richtung menschliche Gesundheit richten.

Ihr

Zoom Image

Dr. Rainer Schneichel


#