Dtsch Med Wochenschr 2015; 140(22): 1699-1700
DOI: 10.1055/s-0041-103502
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38-jährige Frau mit unspezifischen Beschwerden im rechten Oberbauch

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Publication Date:
04 November 2015 (online)

Bei einer 38-jährigen Frau wird aufgrund einer unspezifischen rechtsseitigen Oberbauchsymptomatik eine Laboruntersuchung durchgeführt. Hier fallen erhöhte Transaminasen zwischen 60 und 90 U / l auf. Sie forschen nach und stellen fest, dass erhöhte Transaminasen bereits seit über 1 Jahr bekannt sind. Was liegt hier vor?

Antwort Eine chronische Hepatitis.

Kommentar Chronische Hepatitis:

Nachweis einer hepatozellulären Entzündung, die über 6 Monate anhält, mit Erhöhung der Transaminasen auf das 1,5 fache der Norm oder mehr.

Welche Erkrankungen berücksichtigen Sie bei der weiteren Diagnostik?

Antwort Die virusbedingten Hepatitiden, die Autoimmunerkrankungen der Leber, die medikamenteninduzierte Hepatitis, den Morbus Wilson, die Hämochromatose und den α1-Antitrypsin-Mangel.

Kommentar Chronische Lebererkrankungen:

Viruserkrankungen:

  • Hepatitis B, C, D,

  • EBV,

  • HSV,

  • CMV,

  • VZV,

Autoimmunerkrankungen der Leber:

  • Autoimmunhepatitis,

  • primär biliäre Zirrhose (PBC),

  • primär sklerosierende Cholangitis (PSC),

Speicherkrankheiten:

  • Hämochromatose,

  • Morbus Wilson,

α1-Antitrypsin-Mangel

medikamenteninduzierte Hepatitis

Die Virusserologie ist unauffällig. Woran denken Sie angesichts des Geschlechtes der Patientin und ihres Lebensalters?

Antwort An die Autoimmunhepatitis.

Kommentar Autoimmunhepatitis:

  • in 80 % Frauen betroffen,

  • in 50 % jünger als 40 Jahre.

Passen die Beschwerden der Patientin zur Diagnose?

Antwort Ja, sie hatte über unspezifische rechtsseitige Oberbauchschmerzen geklagt. Eine typische Symptomatik besteht oft nicht, allerdings wird die Autoimmunhepatitis in 25 % im Stadium der Zirrhose mit den entsprechenden Symptomen und Komplikationen diagnostiziert.

Kommentar Symptomatik der Autoimmunhepatitis:

  • rechtsseitige Oberbauchschmerzen,

  • Leistungsminderung,

  • Leberhautzeichen,

  • Ikterus,

  • Zeichen der portalen Hypertension.

Wie sichern Sie Ihre Verdachtsdiagnose Autoimmunhepatitis?

Antwort Durch den Nachweis charakteristischer Laborwerte, insbesondere durch die Autoantikörperdiagnostik, sowie den Ausschluss anderer Hepatitisursachen.

Kommentar Diagnosekriterien der Autoimmunhepatitis:

  • γ-Globulin-Erhöhung (IgG),

  • Autoantikörper: ANA, SMA, LKM-1.

Wie wird die chronische Autoimmunhepatitis behandelt?

Antwort Mit Prednison und Azathioprin für mindestens 2 Jahre, dann Auslassversuch, bei etwa der Hälfte der Fälle Dauertherapie notwendig.

Kommentar Therapie der Autoimmunhepatitis:

  1. Prednison 30 mg/d mit anschließender Dosisreduktion plus Azathioprin 1–1,5 mg / kg KG / d,

  2. mindestens 2 Jahre, dann – falls Normalisierung der Transaminasen und der histologischen Veränderungen – Ausschleichen der Therapie,

  3. regelmäßige Kontrollen, nötigenfalls Rezidivtherapie mit Prednison plus Azathioprin,

  4. bei wiederholten Rezidiven: Dauertherapie mit Prednison plus Azathioprin.

Eine 45-jährige Frau klagt über Juckreiz, der seit mehreren Monaten besteht und ständig zunimmt. Der körperliche Untersuchungsbefund ist im Wesentlichen unauffällig. In der Laboruntersuchung zeigt sich eine Erhöhung der alkalischen Phosphatase sowie der Gamma-GT. Außerdem besteht eine Hypercholesterinämie von 300 mg / dl. An welche Erkrankung denken Sie?

Antwort Primär biliäre Zirrhose.

Kommentar Die primär biliäre Zirrhose ist eine Erkrankung, die in 90 % der Fälle Frauen über 40 Jahre betrifft. Das erste Symptom ist meistens der Juckreiz. Dieser tritt auf, bevor ein erkennbarer Ikterus besteht.

Wie sichern Sie die Verdachtsdiagnose primär biliäre Zirrhose?

Antwort Nachweis antimitochondrialer Antikörper, starke Erhöhung des IgM, Antikörper gegen Gallengänge.

Kommentar Laborkonstellation bei PBC:

  • Cholestase anzeigende Enzyme erhöht,

  • starke IgM-Erhöhung,

  • Nachweis antimitochondrialer Antikörper, es werden vier Subtypen unterschieden, Anti-M2 ist spezifisch für die PBC.

Gegenüber welchen Erkrankungen müssen Sie die PBC differenzialdiagnostisch abgrenzen?

Antwort Gegenüber Juckreiz anderer Ursache, gegenüber anderen cholestatisch verlaufenden Lebererkrankungen, gegenüber einer extrahepatischen Cholestase und gegenüber der primär sklerosierenden Cholangitis.

Kommentar Differenzialdiagnose der PBC:

Juckreiz:

  • Medikamente,

  • Diabetes mellitus,

  • seniler Pruritus,

  • psychogen,

  • maligne Lymphome u. v. a.,

Cholestase:

  • cholestatische Form chronischer Hepatitiden,

  • extrahepatische Cholestase,

primär sklerosierende Cholangitis:

  • meistens Männer betroffen,

  • Cholestaseenzyme hoch,

  • IgG erhöht.

Regel PBC: IgM hoch. PSC: IgG hoch.

Wie können Sie der Patientin bei Vorliegen einer PBC helfen?

Antwort Eine kausale Therapie ist nicht bekannt. Die Behandlung mit Ursodeoxycholsäure führt zu einer verbesserten Ausscheidung von Gallensäuren, zur Behandlung des Juckreizes wird Cholestyramin eingesetzt. Substitution fettlöslicher Vitamine. Ultima ratio ist die Lebertransplantation. Die langfristige Prognose der PBC ist schlecht. Wesentlicher prognostischer Faktor ist die zunehmende Erhöhung des Bilirubins.

Kommentar Behandlung der PBC:

  • Verbesserung der Ausscheidung der Gallensäuren durch Ursodeoxycholsäure,

  • symptomatische Therapie: Cholestyramin gegen den Juckreiz, Vitaminsubstitution (ADEK), Maßnahmen aufgrund der Maldigestion: fettarme Mahlzeiten, mittelkettige Triglyceride, Lipasesubstitution,

  • ultima ratio: Lebertransplantation.

Sie behandeln einen Patienten, bei dem vor 7 Jahren eine Colitis ulcerosa diagnostiziert und behandelt wurde. Derzeit besteht Remission. Anlässlich einer Laboruntersuchung fällt eine deutliche Erhöhung der Gamma-GT und der alkalischen Phosphatase auf, außerdem eine leichte Erhöhung der Transaminasen. Woran müssen Sie in dieser Situation denken?

Antwort An eine primär sklerosierende Cholangitis (PSC).

Kommentar Primär sklerosierende Cholangitis und Colitis ulcerosa:

  • die PSC ist in 80 % mit einer Colitis ulcerosa assoziiert,

  • bei 5 % der Patienten mit Colitis ulcerosa tritt eine PSC auf.

Worunter leiden die Patienten häufig am meisten?

Antwort Unter dem Juckreiz.

Kommentar Differenzialdiagnose des Juckreizes:

Lebererkrankungen:

  • Cholestase,

  • PBC,

  • PSC,

hämatologische Erkrankungen:

  • Polycythaemia vera,

  • maligne Lymphome,

andere:

  • Hauterkrankungen,

  • Diabetes mellitus,

  • seniler Pruritus,

  • psychogener Pruritus.

Wie wird die PSC behandelt?

Antwort Mit Ursodeoxycholsäure, außerdem symptomatische Behandlung des Juckreizes mit Cholestyramin sowie, wenn nötig, Behandlung von Gallengangsstenosen.

Kommentar Therapie der PSC und ihrer Komplikationen:

  • Ursodeoxycholsäure [nicht durch Studien abgesichert],

  • bei Gallengangsstenosen: Dilatation,

  • bei Gallengangsinfektionen: Antibiose,

  • bei Juckreiz: Cholestyramin,

  • bei Maldigestionssyndrom: mittelkettige Triglyceride, fettarme Diät,

  • bei terminaler Leberzirrhose: Lebertransplantation.

Wie wird die Diagnose einer PSC gesichert?

Antwort Anhand der Anamnese und der Klinik, der Laborbefunde, der histologischen Untersuchung und der ERC.

Kommentar Diagnose der PSC:

  1. Anamnese und Klinik,

  2. Labor: Erhöhung von AP, Gamma-GT und Bilirubin, Hypergammaglobulinämie in 30 %, erhöhtes IgM in 30 – 50 %, P-ANCA in 50 – 80 %,

  3. histologische Untersuchung: Fibrosierung der Gallengänge,

  4. ERC: multifokale Strikturen und Unregelmäßigkeiten der intra- und extrahepatischen Gallenwege, perlschnurartige Dilatationen, divertikelartige Aussackungen.

Regel Diagnose der PSC: Labor, Histologie, ERC.

Wie können Sie schon durch einfache Untersuchungen die PSC von einer PBC abgrenzen?

Antwort Aufgrund der Anamnese, des Geschlechts und des Autoantikörpermusters.

Kommentar Abgrenzung der PSC gegenüber der PBC

PBC

PSC

Frauen

Männer

keine Colitis ulcerosa

Colitis ulcerosa

AMA

ANCA

in der ERC unspezifische Veränderungen wie bei Zirrhose

typisches ERC-Bild

Nachdruck aus:
Berthold Block, Facharztprüfung Innere Medizin, 3000 kommentierte Prüfungsfragen
4. Aufl., kompl. überarb. akt. 2011, 576 S., 106 Abb., kart. ISBN: 9783131359544