Dtsch Med Wochenschr 2015; 140(18): 1346
DOI: 10.1055/s-0041-105749
Dossier
Divertikelkrankheit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Divertikelkrankheit: Häufiges Alltagsproblem in neuem Licht

Diverticular disease: an everyday problem in a new light
J. F. Riemann
1   Vorstandsvorsitzender der Stiftung Lebensblicke
2   em. Direktor der Medizinischen Klinik C am Klinikum Ludwigshafen
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Publication History

Publication Date:
11 September 2015 (online)

Divertikel im Dickdarm sind Ausstülpungen der Darmwand und eigentlich ein häufiger, meistens kaum beachteter Befund. 80 % der Divertikelträger haben im Laufe ihres Lebens keine Symptome oder gar Probleme. Dennoch: Der Laie ist häufig von der Diagnose verunsichert und fragt sich, was denn „an Divertikeln dran sei“. Der abwegige Zusammenhang, aus Divertikeln könne eine Krebserkrankung entstehen, hält sich erstaunlicherweise bis heute in der Bevölkerung.

Die Divertikelkrankheit als eine mögliche Folge der Divertikel (Divertikulose) ist hingegen mit einer hohen Inzidenz, Morbidität und einer erheblichen Belastung unseres Gesundheitssystems verbunden. Ihre Pathogenese ist bisher nicht zufriedenstellend geklärt, sie wird derzeit als multifaktoriell angesehen.

Divertikel sind nicht nur ein harmloser Nebenbefund sind: Sie können auch zu einer akuten, nicht selten rezidivierenden Divertikulitis bis hin zu schwersten Verläufen mit komplexen Komplikationen führen. In der Diagnostik der Divertikulitis spielt die Sonografie inzwischen – wen wundert’s – eine entscheidende Rolle.

Das alte Diktum, nach der ersten Entzündung den betroffenen Darmabschnitt chirurgisch zu entfernen, wurde durch neuere Studien mit Verlaufsbeobachtungen klar widerlegt. Konservative Therapieoptionen beinhalten inzwischen neben Ernährungsempfehlungen bewährte (z. B. Antibiotika bei schweren Verläufen), aber auch neue pharmakologische Ansätze, die auf aktuellen pathophysiologischen Erkenntnissen beruhen.

Schwieriger und immer interdisziplinär wird es, wenn sich schon primär schwere Verlaufsformen der Divertikelkrankheit in fortgeschrittenem Stadium präsentieren: so bei Immunsuppression, bei multimorbiden Patienten oder bei Hochbetagten, die viele Rezidive erlebt haben, die von wem auch immer nicht ernst genommen wurden. Chirurgischerseits gilt heute, festgelegt in ganz aktuellen interdisziplinären Leitlinien, dass keine Indikation zu einem primär operativen Vorgehen bei einer akuten unkomplizierten Divertikulitis und auch bei unkomplizierten Rezidiven besteht (die häufig sein können), wohl aber für den seltenen Fall des Nichtansprechens der konservativen Therapie. Und das ist in der Tat selten. Die Indikation zur Operation ist stadienabhängig und wird heute von Gastroenterologen und Chirurgen gemeinsam gestellt: je schwerer der Verlauf, desto wichtiger die interdisziplinäre Kooperation!

Das Dossier vermittelt den aktuellen Wissenstand zu dieser häufigen Erkrankung und soll eine Entscheidungshilfe im Alltag sein, wie der behandelnde Arzt seinen Patienten beraten und Mythen zu Divertikeln und ihren möglichem Krankheitsfolgen ausräumen kann.