Diabetes aktuell 2016; 14(03): 117
DOI: 10.1055/s-0042-108832
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Treat to Target

Martin Füchtenbusch
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Publication Date:
02 June 2016 (online)

Mit dem Schwerpunkt „treat to target“, key points zu Ernährungstherapie, Behandlung der Arteriellen Hypertonie sowie zur lipidologischen Therapie bei Diabetes werden 3 Kernthemen von renommierten Experten in den Fokus genommen, die die aktuellen und teilweise neu formulierten Therapieziele und die Strategien, wie diese erreicht werden können, in kompakten Einzelbeiträgen für die tägliche klinische Praxis diskutieren.

Die folgenden 3 Beiträge könnte man „isoliert“ studieren und nebeneinander lesen. Betrachtet man diese „verklammert“ und zusammengehörig, wird die Bedeutung des Diabetes als kardiovaskuläres Risikocluster umso klarer. Wie in den Leitlinien der ESH/ESC-Taskforce 2013 und der Deutschen Hochdruckliga/Deutsche Gesellschaft für Kardiologie [1] dargelegten Risikostratifizierung der Hypertonie nach kardiovaskulärem Gesamtrisiko wird Diabetes auf Stufe 4 (von insgesamt 5) der Zusatzrisiken, neben Endorganschäden oder CKD-Stadium 3, positioniert, wodurch das kardiovaskuläre Risiko der Hypertonie weiter gesteigert wird. Andererseits wird in den Leitlinien der ESC (2011) nach wie vor Typ-2-Diabetes (T2D) als KHK-Hoch-Risikoäquivalent betrachtet mit entsprechend strengeren LDL-C-Behandlungszielen [2]. Die Frage um den relativen Beitrag von (metabolisch maligner) Adipositas, Insulinresistenz, Hypertonie und Dyslipidämie zum kardiovaskulären Risiko führt zurück zur seit den 1990er-Jahren geführten Diskussion, ob das Metabolische Syndrom als eigenständige, klinisch relevante Diagnoseeinheit betrachtet werden soll oder nicht. Hintergrund der akademischen Debatte war die Kritik, dass es keinen Beleg dafür gibt, dass die konsequente Behandlung der einzelnen Entitäten Hypertonie, Dys-/Hyperlipidämie und Hyperglykämie sowie Übergewicht / Adipositas ein schlechteres kardiovaskuläres Outcome liefert als die Behandlung des Metabolischen Syndroms. Unabhängig von dieser Diskussion um zutreffende Bezeichnungen ist unstrittig, dass die meisten Patienten mit T2D und ein immer größer werdender Anteil von Patienten mit Typ-1-Diabetes phänotypisch ein vaskuläres Risikocluster aufweisen, dass durch Hyperglykämie, Hypertonie, Dyslipidämie, systemische Inflammation und Hyperkoagulopathie in variabler Ausprägung gekennzeichnet ist.

Die Prävalenz der Arteriellen Hypertonie ist bei Menschen mit T2D 2–3-fach erhöht im Vergleich zu stoffwechselgesunden Menschen gleichen Alters. Der fragwürdige Begriff „Essenzielle Hypertonie“ bei T2D ist pathogenetisch betrachtet unscharf und sagt nur wenig aus. Neben sekundären Hypertonieformen, die bei T2D ebenso häufiger auftreten, haben die Arterielle Hypertonie und T2D ein gemeinsames pathogenetisches Cluster. So kann bei Insulinresistenz mit kompensatorischer Hyperinsulinämie die Wirkung des Insulins über den RAS / MAP-Kinase-Weg mit vasokonstriktorischen Effekten nach Stimulation des Endothelin-1 die vasodilatatorischen Effekte über den IRS1-PI3-Kinase-Weg mit Generierung von NO überwiegen, mit der Folge steigender Blutdruckwerte. Ebenso besteht ein Link zwischen vermehrter Produktion von Angiotensinogen aus dem viszeralen Fettgewebe bei der stammbetonten Adipositas und einem aktivierten RAA-System in mehreren Organsystemen. Schließlich führt eine verstärkte Reagibilität des Gefäßendothels bei T2D auf vasopressorische Reize zu erhöhten Blutdruckwerten. Lifestyle-Interventionen sowie medikamentöse Strategien, die auf eine Verminderung der Insulinresistenz abzielen, erreichen deshalb sowohl ein Absinken der RR-Werte als auch eine Verbesserung der glykämischen Kontrolle. Eine weitere therapeutische Herausforderung stellt die steigende Zahl von Patientien mit T2D und höheren Adipositasgraden sowie ausgeprägter Insulinresistenz dar. Zu wenig beachtet in der Diskussion um die pathogenetische Rolle der Muskel-Insulinresistenz erscheint dabei der Befund, dass Insulinresistenz auf Skelettmuskelebene eher einen protektiven Mechanismus darstellt, durch welchen die Muskelzelle vor einer Glukose- und Lipidüberladung und damit oxidativem Stress geschützt wird. Sie entwickelt sich in diesem Konzept nicht pathogenetisch ursächlich für den T2D, sondern als Folge von Betazellversagen, Fettverteilungsstörung sowie Insulinresistenz des Fettgewebes und sekundärer Beteiligung vermehrter hepatischer Glukoseproduktion unter kalorischem Exzess erst weiter „downstream“ in der Kaskade der Diabetesentwicklung [3]. Deshalb sollten bei adipösen Patienten mit T2D, bei welchen ein relativer Insulinmangel vorliegt, die Insulinempfindlichkeit aber deutlich eingeschränkt und die Insulineigensekretion aufgrund von Glukose- und/oder Lipotoxizität reduziert ist, eher Behandlungsoptionen Vorzug genießen, die auf eine Verbesserung der Insulinwirkung abzielen. Die wirksamste Strategie hierzu ist die konsequente Umsetzung von Lebensstil-modifizierenden Maßnahmen, d.h. Beschränkung auf eine mäßige hypokalorische Mischkost und die Steigerung der körperlichen Aktivität.

Vordringlich bleibt aber die strikte Kontrolle der bekannten Risikofaktoren. So zeigt z. B. der zusammenfassende Qualitätsbericht von 15 regionalen DMP-Programmen aus der KBV (2014), auch bei kritischer Betrachtung der Datenqualität, dass nur 54 % der eingeschriebenen Patienten das Blutdruck-Therapieziel von < 140/< 90 mmHg erreicht.

Literatur bei der Redaktion