Diabetes aktuell 2016; 14(03): 105
DOI: 10.1055/s-0042-108833
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Smart Diabetes – gibt es das?

Antje Bergmann
,
Peter E.H. Schwarz
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Publication Date:
02 June 2016 (online)

Letzte Woche auf dem DDG wie auch auf internationalen Kongressen wird immer mehr über „Smart Diabetes, mobile Health und mobile Diabetes, aber auch „Digital Diabetes and Health“ gesprochen. Die Diskussionen sind spannend und man erlebt ein Spektrum bei Kollegen, die sich zum einen eher ablehnend verhalten und zum anderen, aggressiv befürwortend diese Entwicklungen fördern

Worum geht es eigentlich? Die Entwicklung der Technologie beschert uns heute die Möglichkeit, Patienten besser zu erreichen. Das schließt in vielen Fällen Apps auf Smartphones ein, aber auch Telemonitoring, Telemedizin und Teleintervention. Viele von uns sehen dabei die technische Lösung im Vordergrund und sind fasziniert von den Möglichkeiten. Schaut man aber die letzten 10 Jahre zurück und analysiert in Deutschland oder Europa evaluierte Telemonitoringmodelle, sind viele von diesen gescheitert – insbesondere, wenn es um die Behandlung von Menschen mit chronischen Erkrankungen geht. Warum? In den meisten Fällen bietet das reine Telemonitoring keinen wirklichen Mehrwert. Was beinhalten dann diese digitalen Gesundheitsangeboten? Die rein technische Lösung stellt allein nur Mittel zum Zweck dar und bietet keinen Mehrwert. Nur wenn die technische Lösung in verbesserte Behandlungspfade oder verbesserte Interventionsprogramme inkludiert ist, kann ein Zusatznutzen entstehen. Dieser kann bei optimaler Anwendung erheblich sein. Mit den digitalen Lösungen können wir Patienten erreichen – dort, wo sie ihren Alltag gestalten, wo sie leben und in ihrer täglichen Routine mit ihrer Erkrankung umgehen müssen. Genau an diesen Punkten passieren Kontrolle und Selbstmanagement. Können nun digitale Lösungen ein Vorteil für ein Selbstmanagement sein? Vermutlich neigen einige Patienten dazu zu sagen: „Ich will nicht permanent überwacht werden.“. Diese Einstellung ist zu verstehen, da man hier in erster Linie potentielle Nachteile im Vordergrund sieht.

Welche Potentiale haben jedoch im Gegenzug dazu digitale Gesundheitsprodukte oder Smart Health Produkte? Wir alle wissen, dass gutes Selbstmanagement im Diabetessektor vermutlich ein entscheidende Trigger für ein gutes Gesundheitsoutcome bei den Patienten ist. Wenn Gesundheits-Apps den Patienten unterstützen können, sein eigenes Selbstmanagement zu verbessern, wäre dies ein Zusatznutzen. Wenn solche Gesundheits-Apps richtig genutzt werden, kann dadurch ggf. die Arzt-Patienten-Beziehung gefestigt werden. Wenn Gesundheits-Apps gleichfalls dazu führen könnten, dass die Arbeitsbelastung bei den ärztlichen Kollegen sinkt, bei gleichebleibender Versorgung, wäre das ebenfalls ein Zusatznutzen. Für viele von uns besteht nach wie vor die Sorge, dass Telemedizinlösungen und Smart Health Pathways Mehraufwand bedeuten und mit höheren Kosten verbunden sind. Anwenderfreundliche, benutzerorentierte Lösungen können Ärzte und Patienten gemeinsam gestalten helfen. Schaut man sich die Downloads von Diabetes-Apps und Gesundheits-Apps an, sind diese an Platz 7 bei den am häufigsten heruntergeladenen Apps in den App stores. Patienten haben meist sehr konkrete Vorstellungen, was sie sich von Apps wünschen und was nicht.

Wie könnten diese Überlegungen die Zukunft verändern? Hürden und Vorurteile auf Patienten- und Arztseite sollten hinterfragt werden.

Stellen Sie sich vor, der Arzt nutzt eine Schrittzähler-App und vernetzt das mit der Gruppe seiner Patienten, die die gleiche App nutzen, sodass die Patienten sehen, wie viel der Arzt läuft und der Arzt sieht, was seine Patienten erlaufen. Spontan lehnen das sicher viele Kollegen ab, aber es könnte ein sehr starkes Motivationsinstrument sein. Dies könnte nach bestehenden Studienlage sukzessive dazu führen, dass innerhalb von vier Wochen alle Beteiligten im Schnitt 3 000 Schritte mehr laufen als vorher. Bei allen Überlegungen spielten Qualitätskriterien für die Anwendung von Gesundheits-Apps und insbesondere Diabetes-Apps eine große Rolle. Auf dem DDG Kongress hat sich dazu eine erste Gruppe gefunden, die das in Deutschland mit Patientenverbänden und auch im europäischen Kontext diskutiert. Anwendungen Apps und co sollten als „Smart Health Solutions“ von ärzten gemeinsam mit ihren Patienten auswählt werden oder zumindest für und Wider diskutiert . Nur dann ist eine App oder eine Smart Health, Mobile Health oder Digital Health Lösung etwas, was einen Mehrwert darstellt. Lassen Sie uns also überlegen, gemeinsam nach klugen „Smart Diabetes Solutions“ suchen und sie in der Interaktion mit unseren Patienten einsetzen – im Mittelpunkt der Patient mit seinen Bedürfnissen und seinem Versorgungsbedarf.

Bleiben Sie neugierig auf Neues!

Ihre A. Bergmann und P. Schwarz