Dtsch Med Wochenschr 2017; 142(16): 1181
DOI: 10.1055/s-0042-109200
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Außerklinische Beatmung – eine wachsende Herausforderung

Extraclinical Ventilation: An Increasing Challenge
Christian Grohé
,
Bernd Schönhofer
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Publication Date:
15 August 2017 (online)

Neben der nicht-invasiven Beatmung (NIV) nimmt außerklinisch die invasive Langzeitbeatmung mit der Tracheotomie als Beatmungszugang insbesondere in den letzten 10 Jahren deutlich zu. Eine wesentliche Ursache hierfür ist die steigende Anzahl dauerhaft beatmungspflichtiger multimorbider und älterer Patienten, die nach einer längeren intensivmedizinischen Behandlung nicht mehr vom Respirator entwöhnbar sind [1]. Die der chronisch ventilatorischen Insuffizienz zugrundeliegenden Diagnosen sind zu jeweils einem Drittel COPD, neuromuskuläre und thorako-restriktive Erkrankungen.

Aufgrund der kontinuierlichen Zunahme schwerkranker Patienten mit außerklinischer Beatmung wachsen die Herausforderungen, die Versorgung ambulant wie stationär sicherzustellen. Ein gängiges Konzept des interdisziplinären und intersektoralen Managements der Patienten unter Einbeziehung von verschiedenen Berufsgruppen und der Angehörigen fehlt bisher.

Die außerklinische Beatmung hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Schwerpunkt der Pneumologie entwickelt. So kam es im Zuge dieser Entwicklung 1994 zur Gründung des „Arbeitskreises Heim- und Langzeitbeatmung", der die Basis für die im Jahr 2010 gegründete „Deutsche interdisziplinäre Gesellschaft für außerklinische Beatmung“ (DIGAB) darstellte. Federführend hat die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) gemeinsam mit anderen Fachgesellschaften Leitlinien zur außerklinischen Beatmung verfasst [2], deren Revision kurz vor der Publikation steht.

Die rasante Entwicklung der außerklinischen Beatmung stellt das Gesundheitssystem nicht nur medizinisch und ethisch, sondern auch ökonomisch vor eine große Herausforderung. Basierend auf Kalkulationen verschiedener Kostenträger liegen die jährlichen Ausgaben im Gesundheitswesen für den Bereich der außerklinischen Beatmung aktuell bereits bei mind. 3 Milliarden Euro allein in Deutschland. Aufgrund des hohen finanziellen Ressourcenverbrauches ist das Potenzial, dieses missbräuchlich zu nutzen, hoch. Das Problem der adäquaten Verwendung der notwendigen Ressourcen und seiner Steuerung wird in dem aktuellen Positionspapier der beteiligten Fachgesellschaften [3] deutlich.

Vor diesem Hintergrund werden in den drei Artikeln dieses Dossiers wichtige Aspekte und Fragen der außerklinischen Beatmung thematisiert:

  • Pathophysiologie, Indikationen zur NIV und invasiven Beatmung sowie Therapieempfehlungen (s. Seite 1197),

  • die inzwischen unverzichtbare intersektorale Zusammenarbeit von Beatmungszentrum, dem ambulanten Bereich in der Patientenbetreuung und der Konzeptentwicklung der Versorgung (s. Seite 1205),

  • das zunehmende Problem der Patienten mit invasiver außerklinischer Beatmung, die vor allem infolge der langen Krankenhausaufenthalte mit multiresistenten Keimen besiedelt sind und diese Erreger nun in die Häuslichkeit tragen (s. Seite 1211).

Die drei Artikel bieten der interessierten Leserschaft Einblicke in aktuelle Konzepte und Problemstellungen der außerklinischen Beatmung, der zukünftig in unserer Medizin eine zunehmende Bedeutung zukommt.

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Prof. Dr. med. Christian Grohé
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Prof. Dr. med. Bernd Schönhofer
 
  • Literatur

  • 1 Schönhofer B, Euteneuer S, Nava S. et al. Survival of mechanically ventilated patients admitted to a specialised weaning centre. Intensive Care Med 2002; 28: 908-916
  • 2 Windisch W, Brambring J, Budweiser S. et al. S2-Leitlinie: Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz. Pneumologie 2010; 64: 207-240
  • 3 Rosseau S. et al. Positionspapier zur aufwendigen ambulanten Versorgung tracheotomierter Patienten mit und ohne Beatmung nach Langzeit-Intensivtherapie (sogenannte ambulante Intensivpflege). Pneumologie 2017; 71: 204-206