Z Gastroenterol 2016; 54(08): 731-732
DOI: 10.1055/s-0042-110120
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Professor Dr. med. Bertram Wiedenmann – Vorstellung des Kongresspräsidenten der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten

P. R. Galle
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Publication Date:
16 August 2016 (online)

Es ist mir eine besondere Freude und eine Ehre, einen langjährigen Kollegen, Freund und Weggefährten aus Heidelberger Tagen, Herrn Prof. Dr. med. Bertram Wiedenmann, als Kongresspräsidenten 2016 der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) vorzustellen.

Bertram Wiedenmann wurde am 21. Dezember 1953 in Bamberg geboren, wo er auch zur Schule ging. Er kommt aus einem Arzthaushalt, was seine berufliche Orientierung prägte. Der frühe Verlust seines Vaters hat von Anfang an seine Eigenständigkeit gefordert. Er begann sein Medizinstudium mit dem vorklinischen Abschnitt 1973 in Kiel, gefolgt von klinischen Studienabschnitten in München am Klinikum rechts der Isar und einem externen Jahr am Royal Free Hospital in London, Großbritannien. Unterstützt von einem Fulbright-Stipendium wechselte er nach Abschluss seines Studiums im Jahre 1980 an das Albert-Einstein College of Medicine in New York City, um dort die Wechselwirkung von Sichelzellhämoglobin mit der Erythrozytenmembran zu untersuchen.

Nach 2-jähriger Tätigkeit wechselte er 1982 als Postdoc in die Biological Labortories der Universität Harvard, einem weltweit renommierten Labor, wo er einen entscheidenden Beitrag zur molekularen Zusammensetzung endozytotischer, synaptischer Vesikel leistete, indem er erstmals integrale von peripheren, sog. coated vesicle Proteinen trennen konnte.

1983 wechselte er für ein weiteres Jahr als Postdoc an das Deutsche Krebsforschungszentrum Heidelberg in die Arbeitsgruppe des renommierten Zellbiologen Prof. W.W. Franke.

Am DKFZ gelang Bertram Wiedenmann – gemeinsam mit seinem Mentor W. W. Franke – unter Einsatz der damalig neu etablierten monoklonalen Antikörpertechnologie die Entdeckung des entscheidenden Moleküls für die immunhistologische Erkennung neuroendokriner Tumore, Synaptophysin.

Mit der Entdeckung von Synaptophysin im Jahre 1984 fokussierten sich seine Forschung zunehmend auf translationale Aspekte, die mit dem Nachweis der durchgehenden Expression von Synaptophysin in normalen und neoplastisch transformierten, neuroendokrinen Zellen eine klare Forschungsausrichtung auf diese Tumorentität für die Zukunft vorgaben. Folgerichtig wechselte er im gleichen Jahre in die Klinik für Gastroenterologie von Prof. B. Kommerell am Universitätsklinikum Heidelberg und begann seine Facharztausbildung, die er Ende 1989 zeitgleich mit seiner Habilitation abschloss.

Kommerell war ein prägender Lehrer, stark klinisch orientiert aber mit einem guten Gespür für vielversprechende „Physician Scientists“, die damals noch nicht so hießen.

Wichtige Wegbegleiter in dieser Zeit waren die Professoren A. Stiehl, L. Theilmann, K.-H. Seitz und v. a. U. Räth.

Im Jahre 1990 folgte er dem Ruf von Prof. E.-O. Riecken und wurde Oberarzt in der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie am damaligen Klinikum Steglitz der Freien Universität Berlin. Dort baute er die erste neuroendokrine Tumorambulanz in Berlin auf und etablierte ein Graduiertenkolleg der DFG. 1993 erhielt er den Ruf eine C3-Professur in der Klinik und wurde zudem leitender Oberarzt an der gleichen Einrichtung.

1997 wurde Bertram Wiedenmann dann als C4-Universitätsprofessur und Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie & Interdisziplinären Stoffwechsel-Centrums/Endokrinologie und Diabetes mellitus an den Campus Virchow-Klinikum, Charité – Universitätsmedizin Berlin berufen. Seit dem Oktober 2012 ist er darüber hinaus auch Leiter der Medizinischen Klinik für Gastroenterologie am Campus Charité Mitte (CCM).

Hinzu kam in den Jahren 2012 – 2016 die Funktion als Ärztlicher Leiter des Charité Centrum für Innere Medizin mit Gastroenterologie und Nephrologie (CC13).

Bertram Wiedenmann hat mit der Entdeckung von Synaptophysin und der daran anschließenden molekularen Untersuchungen neuroendokriner Tumorgewebe diese Tumorentität entscheidend beeinflusst und vorangebracht. So hat er in Kooperation mit seinen internationalen Partnern Prof. K. Öberg, Uppsala, Prof. Ph. Ruszniewski, Paris und Prof. G. DelleFave, Rom im Jahre 1995 erstmals einen internationalen Verbund gegründet, der die Betreuung neuroendokriner Tumorpatienten in Zentren mit hoher Expertise auf diesem Gebiet zum Ziel hatte. Darauf aufbauend gründete er im Jahre 2004 mit seinen internationalen Partnern die Europäische Neuroendokrine Tumorgesellschaft (ENETS) und wurde deren erster Präsident. Bis heute ist er Mitglied des Vorstandes dieser mittlerweile 1100 Mitglieder umfassenden Fachgesellschaft, die Mitglieder aus über 40 Ländern umfasst. Darüber hinaus umfasst ENETS mittlerweile 37 Centren der Excellence in 12 europäischen Ländern, ebenfalls eine Entwicklung, die im Wesentlichen auf unseren diesjährigen Präsidenten zurückzuführen ist. Es erfüllt uns Mainzer mit Freude und Stolz, dass wir, unter Leitung von Prof. M. Weber, eines dieser Exzellenzzentren darstellen.

Seine wissenschaftlichen Verdienste auf dem Gebiet der neuroendokrinen Tumorerkrankungen haben auch zu einer verbesserten Diagnostik dieser Erkrankungen beigetragen: So konnte Bertram Wiedenmann den Somatostatinrezeptor-Subtyp 2 als wesentlichen In-vivo-Rezeptor für radioaktiv markierte Somatostatinanaloga identifizieren, was heute die Tumordiagnostik mittels Szintigrafie und PET ermöglicht.

Er hat wesentlich zur molekularen und klinischen Klassifizierung neuroendokriner Tumoren beigetragen, was schlussendlich eine Einteilung in unterschiedliche Subtypen ermöglichte. Gemeinsam mit Prof. G. Rindi, Rom initiierte Bertram Wiedenmann erstmals eine TNM-Klassifikation für neuroendokrine Tumore.

Schließlich war er an der Evaluierung verschiedener neuer Wirkstoffe wie Everolimus und Sunitinib in der Behandlung neuroendokriner Tumorpatienten auf internationaler Ebene beteiligt. In diesem Zusammenhang hat er auch grundsätzliche Beiträge zur Optimierung der Durchführung klinischer Studien geleistet und das Koordinationszentrum für Klinische Studien an der Charité aufgebaut.

Bertram Wiedenmann ist ein beredtes Beispiel für den „Physician Scientist“, den translational forschenden Arzt. Er hat mit großer Konsequenz seine frühen Ergebnisse in der Grundlagenforschung genutzt und zielgerichtet in die klinische Nutzung entwickelt. In einer Zeit, in der es den Universitätskliniken schwer fällt, Ärztinnen und Ärzte für ein doppeltes Engagement in Klinik und Forschung zu motivieren, gibt sein Lebensweg ein Rollenmodell für eine erfolgreiche Synthese dieser beiden Grundlagen akademisch-medizinischer Tätigkeit.

In Anerkennung dieser Leistung wurde und wird seine Arbeit, insbesondere seine Bestrebungen, die Tumorfrüherkennung mittels molekularer Bildgebung zu verbessern, u. a. aus Mitteln des BMBF, der WILL FOUNDATION und der Universität Stanford gefördert.

Seine internationale Anerkennung wird nicht zuletzt daran sichtbar, dass er in diesem Jahr als erste Nicht-Amerikaner dem Programm-Kommittee von ASCO-GI vorsitzt.

Für sich selbst spricht sein herausgehobenes wissenschaftliches Oeuvre: Mehr als 400 Publikationen im „Peer-Review“ Verfahren, darunter drei Zitationsklassiker mit mehr als 500 Zitaten, insgesamt mehr als 23 000 Zitate und ein h-Index von 79 bilden eine außergewöhnliche wissenschaftliche Leistungsfähigkeit ab. Und ein Blick in das aktuelle Publikationsverzeichnis lehrt: Bertram Wiedenmann publiziert weiterhin auf höchstem quantitativem und qualitativem Niveau.

Ich kenne Bertram Wiedenmann seit unserer gemeinsamen Assistentenzeit in Heidelberg. Er zeichnete sich immer durch kreative Denkansätze und eine exzellente Organisationsstruktur aus. Ich bin sicher, wir dürfen unter seiner Leitung einen spannenden und inhaltlich starken Kongress der DGVS zusammen mit ihrer Sektion für Gastrointestinale Endoskopie und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) – die „Viszeralmedizin 2016“ in Hamburg erwarten.

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Professor Dr. med. Bertram Wiedenmann