Handchir Mikrochir Plast Chir 2016; 48(05): 318
DOI: 10.1055/s-0042-113364
Nachruf
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Hans-Jürgen Pollack (24.4.1943–4.7.2016)

H. Haferkamp
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Publication Date:
31 August 2016 (online)

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Dr. med. Horst Haferkamp

Im Alter von 73 Jahren ist Hans-Jürgen Pollack plötzlich und unerwartet verstorben. Die Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie ist ihm zu großem Dank verpflichtet.

Nach der Beendigung seiner chirurgischen Fachausbildung in Zittau hat er seine spezifisch handchirurgische Ausbildung bei Herrn Professor Mater in Sofia absolviert. Diese Zeit hat ihn wohl sehr geprägt, er hat immer mit großem Respekt von seinem handchirurgischem Lehrer gesprochen. Nach seiner Rückkehr nach Zittau 1974 wurde er Oberarzt im dortigen Kreiskrankenhaus. Insbesondere die von ihm dort aufgebaute Unfall- und Handchirurgische Abteilung, zu deren Chef er auch bald ernannt wurde, wurde bald überregional, dann auch in der gesamten DDR und schließlich auch international bekannt, sodass man ihm sogar die Leitung einer entsprechenden Abteilung im sog. ,,Regierungskrankenhaus‘‘ in Berlin Buch antrug. Diese sicherlich verlockende Offerte schlug er jedoch aus, da er nicht aufgrund seiner oppositionellen Gesinnung in die SED eintreten wollte. Dies ist es, was mir neben seinen handchirurgischen Verdiensten besonderen Respekt abnötigt. Diese Haltung ist sicherlich in seiner Ehrlichkeit und Gradlinigkeit begründet, die ich stets an ihm bewundert habe. Kurz nach der Wende und der Wiedervereinigung war er auch eine der wichtigsten Personen, die die Vereinigung der ost- und westdeutschen Handchirurgen auf den Weg brachten. 1996 wurde er auf der Tagung der DAH in Zürich zum Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie gewählt, ein Amt, das er für 2 Jahre mit großem Engagement ausübte.

Ich habe ihn erstmals 1993 anlässlich des Kongresses der DAH in der ehem. DDR in Zittau kennengelernt. Für mich war es einer der eindrucksvollsten und unter den schwierigen Bedingungen der damaligen Zeit perfekt organisiertesten Kongresse, die ich je erlebt habe. Damals war noch die Diaprojektion üblich, es war der erste Kongress, bei dem kein Dia klemmte und auch die Redezeiten eingehalten wurden. Während heute größere Kongresse nur noch mit professionellen und auch teuren Kongressorganisationen zu bewerkstelligen sind, so hat er den Kongress in Zittau fast im Alleingang, nur mithilfe seiner Sekretärin auf die Beine gestellt.

Wir haben uns danach öfters, nicht nur beruflich, sondern auch privat getroffen. Wenn wir über handchirurgische Probleme diskutierten, so schöpfte er aus einem reichen Fundus, der nicht nur angelesen war, sondern in einer großen, praktischen Erfahrung gründete. ,,Wer schreibt, der bleibt‘‘, diese Formulierung ist nicht auf Hans-Jürgen Pollack anzuwenden. Es sind „nur‘‘ 18 Publikationen aufzufinden, man musste ihn geradezu zu schriftlichen Mitteilungen drängen, diese zeichnen sich jedoch für damals wegweisende, innovative Erkenntnisse aus. Kurzum: Er blieb und setzte sich intensiv für Fortbildung ein, so inaugurierte er das Bad Dübener Handchirurgische Symposium, zu dem ich öfters als Referent eingeladen war.

Nach Verabschiedung in den Ruhestand arbeitete er mehrfach in Nepal. Kennzeichnend für ihn war, dass er dort nicht in Touristenhotels logierte, sondern das überaus karge Leben als Gast mit einer einheimischen Familie teilte. Das ihm dort präsentierte Patientengut, insbesondere die vielen Verbrennungsopfer, stellten selbst den so erfahrenen Chirurgen vor die Herausforderung seines Lebens, wie er selbst formulierte. Das waren Patienten, die in Folge von Verbrennungen im Kindesalter seit Jahrzehnten mit dem Kopf an der Schulter, am Brustbein, in einem Fall sogar am Bauchnabel narbig fixiert waren. Hätte ich die Bilder nicht gesehen, so hätte ich dies kaum glauben können. Es waren Krankheitsbilder, die wir in Europa nicht mehr kennen, und die ihn zunächst auch ratlos machten. Er hat sie dennoch mit Geschick, Erfahrung, aber insbesondere mit Intuition und Improvisation erfolgreich behandelt. Das Bild der Frau, deren Kopf mit der Schulter verwachsen war, zeigt diesen postoperativ in normaler Stellung mit einem Lächeln auf dem Gesicht der Patientin. ,,Das erste Lächeln seit 40 Jahren‘‘, so war sein Kommentar zu diesem Bild.

Wir alle und auch die Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie haben nicht nur einen großartigen Chirurgen, sondern auch einen beeindruckenden Menschen verloren. Unser Mitgefühl gilt seiner Witwe, Frau Dr. med. Barbara Pollack und Ihrer Familie. Die Trauerfeier fand in der uns noch vom Kongress 1993 bekannten, wunderschönen Bergkirche in Oybin statt. Christhild Wulle, Albrecht Förster und ich haben als Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie ihn auf seinem letzten Weg begleitet.

Horst Haferkamp.