Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2016; 51(11/12): 653-654
DOI: 10.1055/s-0042-115506
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Intraoperative EEG-Suppression assoziiert mit späterem Delir

Alexander Raymann
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Publication Date:
24 November 2016 (online)

In einer beobachtenden Kohortenstudie untersuchten Bradley A. Fritz und Kollegen der Washington University School of Medicine in St. Louis, Missouri, die Korrelation zwischen vermehrten Suppressions-EEG intraoperativ und der Entwicklung eines postoperativen Delirs. Dabei zeigte sich, dass ein Suppressions-EEG ein unabhängiger Risikofaktor für das Delir ist.

Die Autoren untersuchten erwachsene Patienten, die sich einem operativen Eingriff in Narkose mit geplanter postoperativer Intensivtherapie unterzogen, mit intraoperativem EEG-Monitoring (BIS-Quatro). Die Patienten erhielten eine i. v. Einleitung mit Propofol, die Narkose wurde mit einem volatilen Anästhetikum mit oder ohne Lachgas aufrechterhalten. Die Suppression des EEG wurde mittels BIS-Quatro-Sensor über einen einzelnen Kanal FP1–F7 kontinuierlich während der OP ermittelt. Die Suppressionrate beschreibt den Anteil von elektrisch suppremiertem EEG über die vorherigen 63 s. Diese werden minütlich errechnet. Bei Signalproblemen wurden vorhandene Messungen über die nächsten 4 min als konstant angenommen. Waren > 50 % der Zeit keine Daten zu eruieren, wurde der Datensatz nicht verwendet. Die Gesamtmenge der Suppressionsanteile wurde dann in Minuten kalkuliert.

Als Teil der Routinepflege auf der Intensivstation erfolgte mittels Confusion Assessment Method for Intensive Care Units (CAM-ICU) 2-mal täglich ein Delir-Screening bis zur Entlassung von der Intensivstation. Postoperatives Delir war definiert als ≥ 1 positive CAM-ICU-Ergebnisse in den ersten 5 postoperativen Tagen.

Je nach RASS-Score (RASS = Richmond Agitation Sedation Scale) wurde das Delir klassifiziert als

  • hypoaktiv (RASS ≤ 0),

  • hyperaktiv (RASS > 0) oder

  • gemischt (RASS zu verschiedenen Zeitpunkten > und < 0).

Die Lebensqualität wurde mittels dem Veterans-RAND-12-item-Test (VR-12-Test) gemessen. Funktionelle Unabhängigkeit wurde mit dem Barthels-Index ermittelt und die kognitiven Fähigkeiten über den PROMIS v 1.0-Applied Cognition-Abilities-Short Form 4a getestet. Diese Tests wurden am 30. postoperativen Tag durchgeführt.

Intraoperative Opioidmedikation wurde in Morphinäquivalente umgerechnet, die volatilen Anästhetika jeweils in Einheiten des altersangepassten MAC-Werts angegeben.

Die untersuchte Kohorte beinhaltete 727 vorwiegend männliche Patienten höheren Alters. Die mediane Dauer einer EEG-Suppression lag bei 4,5 min (IQR 0,7–17,4), der mediane Anteil von BIS < 20 betrug 11 min (IQR 5–31). Von den 727 Patienten lagen bei 619 Daten zum Delir-Screening vor. 162 dieser Patienten (26 %; 95 % CI 22–30 %) entwickelten ein postoperatives Delir. Von diesen erlebten

  • 119 (73 %) Patienten ein hypoaktives und

  • 43 (27 %) ein gemischtes Delir.

Fälle von rein hyperaktivem Delir traten nicht auf. Bei Patienten ohne EEG-Suppression stieg im Vergleich zu Patienten mit steigendem Anteil an EEG-Suppression während der OP die Wahrscheinlichkeit für ein postoperatives Delir mit steigender Suppressionsdauer. Diese Korrelation konnte auch bei steigender Dauer von BIS-Werten < 20 festgestellt werden, wobei die Beziehung in diesem Fall nicht linear war. Längere Phasen der EEG-Suppression erhöhten das Risiko eines postoperativen Delirs (Odds Ratio für log der minimalen Suppression: 1,22; 99 % CI 1,06–1,40; p = 0,0002).

Die am 30. postoperativen Tag durchgeführten Tests zur Lebensqualität (VR-12) und Denkfähigkeit (PROMIS) ergaben keine signifikante Korrelation mit der Dauer der intraoperativen EEG-Suppression. Patienten, die ein Delir entwickelten, hatten niedrigere Barthels-Index-Werte (Median, 95; ISR, 85–100) als Patienten ohne Delir (Median, 95; 95–100).

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Patienten, die während einer OP eine EEG-Suppression erleiden, haben ein höheres Risiko, postoperativ ein Delir zu entwickeln. Das fanden Forscher der Washington University School of Medicine in St. Louis in einer Kohortenstudie heraus.
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Fazit Die Autoren schließen, dass die Dauer der EEG-Suppression während einer Narkose ein unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung eines postoperativen Delirs ist. Prädiktoren für eine EEG-Suppression waren niedrigere Opioiddosen während der OP (Odds Ratio 0,5 pro Morphinäquivalent / kg-Steigerung; 95 % CI 0,4–0,6) und höhere endtidale MAC-Werte des verwendeten volatilen Anästhetikums (Odds Ratio 1,5; 95 % CI 1,5–1,6).

 
  • 1 Fritz BA, Kalarickal PL, Maybrier HR et al. Intraoperative electroencephalogram suppression predicts postoperative delirium. Anesth Analg 2016; 122: 234-242