Z Gastroenterol 2016; 54(11): 1251-1253
DOI: 10.1055/s-0042-116601
Mitteilungen des BVGD
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Editorial: Biosimilars – ähnlich, aber nicht gleich!

Franz Hartmann
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Publication Date:
10 November 2016 (online)

Biosimilars sind nach Definition der WHO biotherapeutische Produkte, die hinsichtlich Ihrer Qualität, Sicherheit und therapeutischen Effektivität einem bereits zugelassenen biotherapeutischen Produkt entsprechen. 22 Biosimilars (EMA, Stand 02/2016) wurden bereits von der EMA zugelassen, 13 sind zwischenzeitlich vom Hersteller in Deutschland auch in den Verkehr gebracht, weitere werden in absehbarer Zeit folgen. Nachdem bereits im letzten Jahr das EU Patent für Infliximab abgelaufen ist, kommt auch das Patent des umsatzstarken Adalimumab in Europa 2018 an sein Ende. In Anbetracht der hohen Kosten und Umsätze und damit auch Renditen dieser Medikamente sind für die Entwicklung von Adalimumab Biosimilars bereits 13 Hersteller am Start, das erste Adalimumab Biosimilar wurde bereits zur Zulassung eingereicht. Auf der Basis von 120 Referenzprodukten werden voraussichtlich in den nächsten Jahren mehr als 400 Biosimilars entwickelt werden. Wenngleich die Gensequenz der Biosimilars nahezu identisch ist mit der des Originalproduktes, gibt es doch eine Vielzahl von posttranslationalen Modifikationen. Alle Biopharmazeutika – also auch Biosimilars und biosimilare Antikörper – werden mit Hilfe von lebenden Zellen (Hefen, E. coli-Bakterien, Hamster-Ovarialzellen) hergestellt, wobei die genauen Herstellungsprozesse des Originalpräparates nicht publiziert werden. Das bedeutet, die biosimilaren Arzneimittel sind strukturell nicht identisch mit dem Originator. Da im Laufe der Zeit auch beim Originator aus unterschiedlichen Gründen Veränderungen im Herstellungsprozess vorgenommen werden, sind auch die heute im Handel befindlichen Original-Biologika nicht mehr identisch mit dem ursprünglichen Arzneimittel. Vor diesem Hintergrund haben die Europäische Union (EU) und die European Medicines Agency (EMA) bereits vor mehr als 10 Jahren Regeln zur Entwicklung und Zulassung von Biosimilars festgelegt, die den Nachweis von Qualität, Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit in präklinischen und Phase-I-Studien fordern, gefolgt von einer vergleichenden Phase-III-Studie mit dem Originator in einer der zugelassenen Indikationen. Sind Effizienz und Sicherheit mit dem Originalpräparat vergleichbar, kann in Europa das Biosimilar für alle dem Originator zugewiesenen Indikationen zugelassen werden. Die FDA in den USA ist in ihrem Biologic Price Competition and Innovation Act von 2009 das Problem zwar angegangen, es aber erst im April 2015 finalisiert. So wurde erst im März des letzten Jahres das erste und bislang einzige Biosimilar (Filgrastim) zugelassen und in den Markt eingeführt. Im Februar diesen Jahres votierte ein FDA advisory committee zugunsten des Infliximab Biosimilars von Celltrion, das damit als zweites Biosimilar eine volle Zulassung erfahren könnte.

In einer Stellungnahme der AkdÄ (2008) wird den Ärzten in Deutschland folgendes Vorgehen empfohlen: „Aus Sicht der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) wird der therapeutische Einsatz von biosimilaren Arzneimitteln so beurteilt, dass aufgrund der behördlichen Anforderungen bei der Zulassung die für notwendig gehaltenen Nachweise für die Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit vorhanden sind. Daher können biosimilare Arzneimittel bei Beginn einer Behandlung ebenso eingesetzt werden wie das Arzneimittel des Originalherstellers. Wird ein Patient bereits mit einem biotechnologisch hergestellten Arzneimittel behandelt und soll z. B. aus Kostengründen von dem Arzneimittel des Originalherstellers auf ein biosimilares Arzneimittel umgestellt werden, sind ggf. andere Dosen, andere Dosierintervalle und unter Umständen auch andere Darreichungswege, sowie die zugelassenen Anwendungsgebiete zu beachten. In jedem Fall muss der Patient in der ersten Zeit nach Umstellung so engmaschig wie bei einer Neueinstellung überwacht werden.“

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat als Zulassungsbehörde für biotechnologisch hergestellte Arzneimittel in Deutschland seine Position zur Austauschbarkeit von Biosimilars und Referenzprodukt 2015 im Internet veröffentlicht. Darin wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Biosimilars nach ihrer Zulassung genauso eingesetzt werden können wie die Referenzprodukte. Dies beinhalte „…implizit sowohl Patienten, die vorher noch keine Therapie mit Biologika erhalten [haben], als auch Patienten, die vorher das Originalmolekül bekommen haben.“

Mit Remsima® und Inflectra® wurde nun im September 2015 der erste biosimilare Antikörper des TNF-alpha-Blockers Infliximab für alle Indikationen des Originalpräparates Remicade® nach Zulassung durch die EMA in den deutschen Markt eingeführt. Es handelt sich dabei um ein von Celltrion in Südkorea entwickelten Infliximab Biosimilar (CT-P13). Für den Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit waren zwei Phase III Studien bei Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis, der „sensitivsten Patientenpopulation“, auschlaggebend. Somit wurde das Infliximab-Bio- similar CT-P13 (Remsima® und Inflectra®) ohne weitere klinische Prüfung auch für Patienten mit Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, ankylosierender Spondylitis, Psoriasis und Psoriasisarthritis zugelassen.

Andere nationale Arzneimittelbehörden (Kanada und Israel) lehnen bislang eine Behandlung von CED Patienten mit einem Biosimilar ohne entsprechende Studienlage ab. In Norwegen wurde von der Norwegian Medicines Agency die Austauschbarkeitsstudie NOR-SWITCH (Remicade® vs. Remsima®) durchgeführt, leider liegen die Ergebnisse dieser Studie noch nicht vor.

Nach Ansicht verschiedener wissenschaftlicher Fachgesellschaften (ECCO 2013, swiss IBDnet 2014, ESPGHAN 2016, Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie 2014), des Verbandes der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) 2015 und auch der DCCV 2015 werden wichtige Aspekte bei der globalen Einführung von Biosimilars noch nicht ausreichend berücksichtigt und geregelt, wie z. B. die Biosimilar-Nomenklatur, die Extrapolation von Indikationen, die Austauschbarkeit und Substitution und schließlich das Problem einer unabhängigen, einheitlichen Pharmakovigilanz. Unterschiedliche Biosimilars mit identischem Wirkstoffnamen (INN – International Nonproprietary Name) können ein unterschiedliches Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil aufweisen.

Im Gegensatz dazu wird in einem im Februar 2016 veröffentlichten Positionspapier der British Society of Gastroenterology aufgrund der vorliegenden Beobachtungsstudien geschlossen, dass CT-P13 hinsichtlich Sicherheit und klinischer Effektivität mit dem Originator vergleichbar sei mit ähnlicher Immunogenität und dass somit der Austausch vom Originator auf CT-P13 ebenfalls sicher und effektiv sei. Eine automatische Substitution wird allerdings auch von den britischen Kollegen abgelehnt und die Pharmakovigilanz in einem unabhängigen Register gefordert.

Klinische Praxis in Deutschland ist zwischenzeitlich die Verwendung von CT-P13 (Remsima / Inflectra) bei der Ersteinstellung auf Infliximab, wobei der Handelsname und die Chargennummer ebenso wie beim Originalpräparat dokumentiert werden müssen.

Rahmenvorgaben nach § 84 Abs. 7 SGB V, d. h. Mindestverordnungsmengen für das Infliximab-Biosimilar, wurden zwischen GKV-Spitzenverband und KBV für 2016 bereits vereinbart. Von den Herstellern der Biosimilars kritisierte Rabattverträge wurden bereits von vielen gesetzlichen Krankenkassen abgeschlossen.

In Anbetracht der z. T. kontroversen Diskussion, die nicht nur zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen, sondern auch zwischen medizinischen Fachgesellschaften geführt wird, möchte Ihnen der BVGD mit den in diesem Heft veröffentlichten Stellungnahmen eine nicht nur interessengeleitete Einschätzung der Biosimilar Problematik ermöglichen.