Laryngorhinootologie 2016; 95(12): 878
DOI: 10.1055/s-0042-118104
Fragen 878 für die Facharztprüfung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fragen 878 für die Facharztprüfung

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Publication Date:
23 December 2016 (online)

Frage: Sprechen Sie über Fehlbildungen des äußeren Ohres!

Antwort: Ohrfehlbildungen treten bei ca. einem von 6000 Neu-geborenen auf. 5% der Neugeborenen weisen Ohranhängsel, Fisteln oder abstehende Ohrmuscheln auf. Ohrmuschelfehlbildungen können isoliert auftreten oder in Kombination mit Mittelohrfehlbildungen und / oder im Rahmen von Fehlbildungssyndromen.

Ohranhängsel (syn. Auriculäranhänge) resultieren aus einer Überschussfehlbildung am Rand der ersten Kiemenfurche. Dabei kann ektodermales Gewebe versprengt sein oder bei Verschluss der Kiemenfurche verlagert werden. Familiäre Häufungen werden beschrieben. Das klinische Bild zeigt eine oder mehrere häutige Raumforderungen mit oder ohne Knorpelinhalt in der Regel präauriculär, selten auch im Wangenbereich. Sie können auch bei Fehbildungssyndromen wie Goldenhar-Syndrom und hemifazialer Mikrosomie vorkommen. Diagnostisch sollten deshalb Mittelohrfehlbildungen mittels Ohrmikroskopie, Audiometrie und ggf. CT ausgeschlossen werden und eine pädiatrische Syndromendiagnostik erfolgen. Therapeutisch erfolgt die Resektion und plastische Korrektur je nach Beschwerden, Manipulationsgefahr und Compliance des Kindes.

Ohrfisteln und Zysten sind epitheliale Reste im Bereich der 1. Kiemenfurche, die bei Störung des Verschmelzens der 6 Aurikularhöcker als embryonale Hemmungsfehlbildung entstehen. Klinisch zeigt sich eine meist blind endende Fistel am häufigsten präauriculär, aus der es intermittierend sezernieren kann. Symptomatisch werden die Zysten und Fisteln häufig erst im Erwachsenenalter durch Infektionen und Abszedierungen. Therapeutisch erfolgt die vollständige Resektion oft unter Anteilen des angrenzenden Ohrknorpels. Bei unvollständiger Entfernung ist die Rezidivrate hoch.

Ohrmuscheldysplasien werden ja nach Ausbildung in 3 Schweregrade eingeteilt. Die Dysplasie Grad I kommt am häufigsten vor. Es sind alle Teile der Ohrmuschel vorhanden, für die Korrektur sind nur in seltenen Fällen Hautplastiken notwendig. Die Otoapostasis mit Hypoplasie der Anthelix und/oder Hyperplasie der Concha und abstehendem Lobulus ist die häufigste Ohrmuschelfehlbildung. Ebenfalls zum Dysplasiegrad I zählen die Tassenohrdeformität, die Makrotie, das Taschenohr, das Stahlohr und Lobulusdeformitäten. Eine ästhetische Korrektur kann nach Evaluation der psychischen Belastung des Kindes durch den operierenden Arzt ab dem 5.–6. Lebensjahr erfolgen. Die Dysplasie Grad II zeigt eine ausgeprägte Deformität der Ohrmuschel mit Mikrotie und deformierten Knorpelanteilen, eine Ohrmuschel ist in Ansätzen noch erkennbar. Bei der Dysplasie Grad III sind keine Strukturen einer normalen Ohrmuschel mehr erkennbar. Bei beiden Dysplasieformen kommen häufig Kombinationen mit Gehörgangfehlbildungen vor. Die Diagnostik umfasst neben der audiologischen Untersuchung immer ein CT des Felsenbeines zur Darstellung von Gehörgang und Mittelohr. Eine pädiatrische Syndromendiagnostik ist notwendig zur Abklärung anderer Fehlbildungen. Typische Syndrome mit Beteiligung der Ohrmuschel ggf. mit Beteiligung von Gehörgang und Mittelohr sind das Franceschetti-Syndrom, das Goldenhar-Syndrom, das Klippel-Feil-Syndrom, sowie das CHARGE-Syndrom.

Sind beide Ohren betroffen, steht die Hörrehabilitation im Vordergrund. Bei ausgeprägten Gehörgangsatresien ist ein Knochenleitungshörgerät, ab 2.–3. Lebensjahr ein knochenverankertes Hörgerät Mittel der Wahl. Rekonstruk-tive Maßnahmen sowohl im Bereich der Ohrmuschel als auch des Gehörganges sind aufwändig und nur mit mehrzeitigen Operationen erreichbar. Die Ohrmuschel kann komplett aus Rippenknorpel oder alloplastischem Material und Haut aufgebaut werden. Bei Erwachsenen ist eine Ohrepithese als Alternative zu diskutieren.

Frage: Sprechen Sie über Diagnose und Behandlung der Choanalatresie.

Antwort: Die kongenitale Choanalatresie tritt bei ca. jeder 8,000. –10,000. Geburt auf. Die bilaterale Form ist etwas häufiger als die unilaterale. Während die beiderseitige Atresie in den ersten 6 Wochen einen lebensbedrohlichen Notfall darstellt, wird die einseitige Atresie meist wegen geringer Symptomatik erst später erkannt. Bei 10–15% der Patienten bestehen weitere Mißbildungen (CHARGE=Colobom, Herzfehler, Atresie, Retardierung, Genital – u. Ohr [Ear-] Mißbildungen). Die knöcherne Atresie ist wesentlich häufiger als die membranöse Form. Ursache ist die fehlende Rückbildung der Membrana oronasalis in der dritten und siebten Embryonalwoche. Der knöcherne Verschluss entsteht durch eine versprengte Knochenbildung aus dem mittleren Keimblatt.

Klinisch imponieren bei der bilateralen Choanalatresie zyklisch auftretende Cyanosen und Apnoen, insbesondere bei der Nahrungsaufnahme. Charakteristisch ist das Bild der sogenannten „paradoxen Cyanose“, die im Gegensatz zu den kardiopulmonalen Formen in Ruhe auftritt und beim Schreien durch das Anspringen der Mundatmung verschwindet. Ein einseitiger Choanalverschluss wird meist erst im Laufe des frühen Kindesalters wegen einseitiger zäher und eitriger Rhinorrhoe erkannt. Die klinische Sicherung folgt durch Sondierung der Nasengänge oder endoskopisch. Die Durchgängigkeit des Atemweges kann durch Vorhalten eines Spiegels oder durch Einbringen kontrastgebender Flüssigkeiten in die Nasenhöhle geprüft werden. Zur weiteren Diagnostik ist ein axiales CT erforderlich (Atresietyp, Lage der Schädelbasis etc.).

Das therapeutische Ziel ist die Sicherung der Atemwege. Bei bilateraler Atresie kann eine ausreichende Atmung über einen oralen Guedeltubus vorübergehend gesichert werden. Nach abgeschlossener Diagnostik erfolgt die Eröffnung der Choanen in Intubationsnarkose. Von der blinden Punktion sollte wegen der erheblichen Komplikationsgefahr Abstand genommen werden. Zur Operation stehen transnasale, transseptale und transpalatinale Zugänge zur Verfügung. Die Entscheidung über den Zugang orientiert sich an den individuellen anatomischen Verhältnissen. Ausreichende Übersicht und größtmögliche Sicherheit haben die erste Priorität. Zum Offenhalten der Choanen ist die Einlage eines Platzhalters (z. B. Silikonröhrchen) für ca. 6 Wochen erforderlich.

Die Röhrchen sollten regelmäßig auf ihre Durchgängigkeit geprüft und ggf. gespült werden. Nach Entfernung der Röhrchen sollte die endoskopische Kontrolle und ggf. die Abtragung von Granulationsgewebe erfolgen. Bei narbiger Restenosierung ist ggf. die laserchirurgische Eröffnung oder Ballondilatation möglich.