Z Gastroenterol 2016; 54(12): 1419-1420
DOI: 10.1055/s-0042-121350
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Editorial – Ein verlorenes Jahr?

Franz Josef Heil
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Publication Date:
13 December 2016 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Neues von der KBV hat man in 2016 kaum gehört. Läuft also alles gut? Oder ist die KBV nur noch mit sich selbst beschäftigt, so dass ihre Hauptaufgaben liegen bleiben? Obwohl Dipl.-Med. Regina Feldmann, Vorstandsmitglied der KBV, nur noch bis März 2017 im Amt sein wird, lässt sie keine Gelegenheit aus, laut und öffentlich Porzellan zu zerschlagen, was offensichtlich inzwischen sogar dem BMG auf die Nerven geht. Frau Feldmann verstieg sich zuletzt zu der Forderung, beide KBV-Vorstände müssten zurücktreten – ein Vorgehen, das sie selbst vor knapp drei Jahren nach dem überraschenden, krankheitsbedingten Rücktritt von Dr. Andreas Köhler leider verweigert hatte, womit sie den nötigen Neuanfang verhinderte. Inzwischen ist unübersehbar, dass unter dem Dauerstreit im Vorstand auch die Sacharbeit erheblich leidet. 2016 war zweifellos ein schlechtes Jahr für die KBV!

Seit langem wird über die Reform des fachärztlichen EBM beraten. Sie soll eigentlich zum 01.07.2017 in Kraft treten, aber bis heute wurden wir (genauso wie auch andere Berufsverbände) nicht von der KBV zur Beratung eingeladen. Ich sehe bei einer EBM-Reform für uns eine der größten Herausforderung darin, dass – von der Dünndarmkapsel-Endoskopie abgesehen – seit Jahren keine innovativen gastroenterologischen Methoden Eingang in den EBM gefunden haben. Wenn das so bleibt, dann wird unser Fachgebiet im ambulanten Bereich veralten, und die ambulante Gastroenterologie wird von der Entwicklung in den Kliniken abgekoppelt. Änderungen und Ergänzungen des EBM sind lange überfällig. Unsere Vorschläge dazu haben wir vor über einem Jahr der KBV zugeschickt. Bis heute ist nichts passiert. Angesichts dessen, dass die Reform „kostenneutral“ erfolgen soll und die „sprechende Medizin“ Vorrang haben soll vor den „technischen Leistungen“ – was auch immer das sein soll – sind meine Erwartungen sehr gedämpft. Eine vernünftige EBM-Reform wird im nächsten Jahr wohl nicht kommen, hoffentlich auch keine unvernünftige.

Die GOÄ-Reform dümpelt, der Fahrtwind ist weg. Nachdem die BÄK im Frühjahr die Reform mit einem Paukenschlag notfallmäßig stoppen und die Erstellung der Leistungslegenden wieder auf Start, d. h. auf den Stand von 2010 zurücksetzen musste, geht es jetzt nur noch zögerlich weiter. Dr. Ulrich Tappe und Dr. Andreas Leodolter haben die Kapitel „Gastroenterologie“ und „Sonografie“ mit allen Leistungslegenden neu bearbeitet und Fehler beseitigt. Wir wenden uns gegen Pauschalierungen, die eine sachgerechte, individuelle Rechnungsstellung unmöglich machen. Die Sedierung bzw. Narkose darf kein Bestandteil der Endoskopie werden, sondern muss eine eigenständige ärztliche Leistung bleiben. Eine der wesentlichen Kritikpunkte, nämlich eine Überarbeitung der vorliegenden Neufassung des allgemeinen Teils, des sogenannten Paragrafenteils, will die BÄK am liebsten ohne weitere Diskussion durchwinken. Das wird ihr hoffentlich nicht gelingen! Und von einer Euro-Bewertung der Leistungen hört man weiterhin gar nichts. Das Jahr 2016 war auch für die GOÄ ein verlorenes Jahr.

Ein ärgerlicher und hoffentlich noch zu ändernder Punkt ist die Erneuerung der Online-Dokumentation der Vorsorge-Koloskopie. Da der bisher verwendete Datensatz nach 14 Jahren längst nicht mehr zeitgemäß ist, haben Vertreter von bng, BVGD, Felix-Burda-Stiftung und KBV schon vor zwei Jahren einen ganz neuen, verbesserten Dokumentationsbogen vereinbart. Wir sind der Meinung, dass die Dokumentation aller ambulanten Koloskopien mit relativ geringen Zusatzkosten ein hervorragender Beitrag zur Qualitätssicherung und Versorgungsforschung wäre. Im April hat der G-BA beschlossen, dass in Zukunft auch die Koloskopien zur Abklärung des iFOBT online dokumentiert werden müssen. Das wäre nun wirklich eine gute Gelegenheit, den veralteten Doku-Bogen endgültig durch einen neuen nach unserem Vorschlag zu ersetzen. Es ist sehr bedauerlich und ärgerlich, dass der GKV-Spitzenverband bisher Gespräche dazu verweigert. Er sieht keinen Bedarf für die von uns vorgeschlagene, zeitgemäße Qualitätssicherung mit einer Online-Dokumentation der Koloskopien.

Ruhiger geworden ist es nach unserer Beobachtung bezüglich der Behandlung von Patienten mit Hepatitis C. Erstaunlich, wie schnell wir uns an diese medizinische Revolution gewöhnt haben. Auch bei den Kassen scheint man die immer noch sehr hohen Kosten akzeptiert zu haben. Viele Patienten, die auf die neuen antiviralen Substanzen gewartet hatten, sind inzwischen erfolgreich behandelt worden. Die Behandlungszahlen werden sich vermutlich auf ein akzeptables Niveau einpendeln. Regressanträge sind uns in der letzten Zeit nicht mehr bekannt geworden, allerdings können die auch noch bis zwei Jahre nach der Behandlung beantragt werden. Hier muss man die Entwicklung mit offenen Augen beobachten und abwarten.

Durch die Einführung der Infliximab-Biosimilars ist Bewegung in die CED-Behandlung gekommen, was zum Abschluss von Selektivverträgen mit zwei Krankenkassen geführt hat. Natürlich ist das Hauptinteresse der Kassen, durch eine bevorzugte Behandlung mit den preiswerteren Biosimilars Geld zu sparen. Deshalb gab und gibt es immer wieder Kritik an den Verträgen. Dass durch diese Verträge für die Betreuung unserer Patienten aber auch mehr Honorar zur Verfügung steht, bewerten wir sehr positiv. Und natürlich ist es in unserem Interesse, dass das Geld der Krankenkassen nicht in ansteigendem Prozentsatz an die pharmazeutischen Industrie geht, sondern für die ärztliche Behandlung zur Verfügung steht.

2016 war ein Jahr ohne große gesundheitspolitische Entscheidungen. Nun werden die Karten neu gemischt. Die Vertreterversammlungen der KVen sind neu gewählt worden. Jetzt folgen die Wahlen zur KBV-VV und des KBV-Vorstandes. Im September werden Bundestagswahlen sein. Ich erwarte, dass es mit frischen Spielern neue, vielleicht auch überraschende Entwicklungen geben wird. Themen und Aufgaben gibt es genug!


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