Der Klinikarzt 2016; 45(12): 589
DOI: 10.1055/s-0042-121574
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Aktueller Standard der Gastroenterologie und Hepatologie

Elke Roeb
1   Schwerpunkt Gastroenterologie, Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum Gießen & Justus-Liebig-Universität Gießen
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Publication Date:
30 December 2016 (online)

Die moderne Gastroenterologie stellt eine Brücke zwischen Grundlagenforschung und innovativer klinischer Praxis bei entzündlichen gastrointestinalen Erkrankungen sowie der gastrointestinalen Onkologie dar. Die präklinische und patientennahe Forschung in der Gastroenterologie profitiert von einer Wissensfülle aus genomweiten Studien und der Kenntnis der molekularen Mechanismen, die sowohl bei Inflammation als auch der Onkogenese im Gastrointestinaltrakt beteiligt sind. In diesem Heft demonstrieren wir den aktuellen Standard der Gastroenterologie und Hepatologie am Beispiel von 5 wichtigen Krankheitsbildern.

Anke Reinacher-Schick, Mitautorin der S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, erläutert die Verwendung von molekularen Profilen beim Dickdarmkarzinom für die Diagnose und eine individualisierte therapeutische Behandlung. Katja Deterding, Rudolf-Schoen-Preis-Trägerin und Erstautorin der bislang größten prospektiven, randomisierten Studie zur akuten Hepatitis C in Europa, diskutiert, wie akute und chronische Hepatitis C in fast allen Fällen sicher und nebenwirkungsarm geheilt werden kann. Ein Ziel das Anfang der 1990er Jahre, in der Ära der ersten Interferone, noch als unerreichbar galt.

Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) ist eine führende Ursache chronischer Lebererkrankungen und betrifft 20-40 % der Bevölkerung vor allem in industrialisierten Ländern (Beitrag Kerstin Herzer & Elke Roeb). Ca. 20 % der Patienten mit NAFLD entwickeln eine nichtalkoholische Steatohepatitis, die sogenannte NASH. Es ist bekannt, dass NASH zu Leberzirrhose und hepatozellulärem Karzinom fortschreiten kann. NASH ist derzeit die am schnellsten wachsende Ursache für eine Lebertransplantation bei Patienten mit HCC in Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) mit den beiden Hauptvertretern Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zeigen eine zunehmende Inzidenz, ohne dass wir die Pathogenese vollständig verstehen. In der Vergangenheit gab es außer der Kortisongabe kaum Therapiemöglichkeiten. Dies hat sich - wie Elena Sonnenberg und Britta Siegmund eindrucksvoll schildern - in den letzten Jahren grundlegend verändert. Neue Substanzen kommen auf dem Markt und bieten so neue Therapieoptionen für unsere Patienten und damit eine bessere Lebensqualität an. Trotz anfänglicher ermutigender Ergebnisse können bisher jedoch weder die komplexe Genetik noch die molekulare Diagnostik die individuelle Anfälligkeit für chronische Darmerkrankungen oder Präkanzerosen oder die enorme Komplexität der somatischen Veränderungen ausreichend erklären.

Schließlich fasst Ulrike Denzer, die Erstautorin der neuen S2k-Leitlinie für Qualitätsanforderungen in der gastrointestinalen Endoskopie, Qualitätsmerkmale und Sicherheitsprofile einer innovativen hochtechnisierten Endoskopie zusammen, um Diagnostik und Behandlung gastroenterologischer Erkrankungen individuell zu unterstützen. Die endoskopische Kaltabtragung von kleinen Kolonpolypen < 5 mm mit einer Schlinge ist z. B. vollständiger als die Zangenbiopsie und sicher. Basierend auf europäischen Daten bleibt die endoskopische Mukosaresektion (EMR)-Technik derzeit der Standard zur endoskopischen Resektion der Barrett Neoplasie. Die Vorteile der endoskopischen Submukosaresektion (ESD)-Technik zur Entfernung von Rektum- und Kolonadenomen sind bisher nicht klar belegt, prospektiv randomisierte Daten bleiben abzuwarten. Die Endosonografie (EUS)-gestützte Gallengangsdrainage/Pankreasdrainage kann bei Versagen des ERCP-Zuganges in ausgewählten klinischen Fällen angewandt werden. Voraussetzung ist allerdings eine hohe Expertise in therapeutischen ERCP/EUS-Verfahren.

Sieben ausgewiesene Expertinnen gastroenterologischer Erkrankungen machen klar, dass unser besonderes Augenmerk auf die Entwicklung personalisierter und passgenauer Therapien gerichtet sein sollte. Ich wünsche Ihnen eine spannende und kurzweilige Lektüre beim Eintauchen in die moderne Gastroenterologie.

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