Gesundheitswesen 2018; 80(05): 444-452
DOI: 10.1055/s-0042-121596
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Subjektive Arbeitsbelastung, Arbeitszufriedenheit, Work-Life-Balance von Ärzten und Pflegekräften eines Kommunalklinikums im ländlichen Raum im Vergleich zu einem großstädtischen Universitätsklinikum

Subjective Workload, Job Satisfaction, and Work-Life-Balance of Physicians and Nurses in a Municipal Hospital in a Rural Area Compared to an Urban University Hospital
Michael Körber
1   Innere Medizin, St. Anna Krankenhaus, Sulzbach-Rosenberg
,
Klaus Schmid
2   Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Institutsleiter, Erlangen
,
Hans Drexler
2   Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Institutsleiter, Erlangen
,
Johannes Kiesel
2   Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Institutsleiter, Erlangen
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
15 February 2017 (online)

Zusammenfassung

Einleitung

Der Ärzte- und Pflegekräftemangel im ländlichen Raum stellt ein aktuelles und ernst zu nehmendes gesundheitspolitisches Problem dar. Die medizinische Versorgung der Landbevölkerung ist als gefährdet einzustufen. Diese Untersuchung vergleicht die empfundene Arbeitsbelastung, die Arbeitszufriedenheit, die Work-Life-Balance sowohl von Ärzten als auch von Pflegekräften an einer Klinik im ländlichen Raum mit 2 Kliniken eines Universitätsklinikums.

Material und Methode

Die Ärzte sowie die Pflegekräfte wurden schriftlich und anonym mit einem standardisierten Fragebogeninstrument u. a. zur Arbeitsbelastung, Arbeitszufriedenheit und Work-Life-Balance befragt.

Ergebnisse

Die Rücklaufquote betrug im Universitätsklinikum wie auch im Kommunalklinikum knapp 50%. Im Universitätsklinikum nahmen 32 Ärzte und 54 Pflegekräfte teil, im kommunalen Haus 18 Ärzte und 137 Pflegekräfte. Die Pflegekräfte des Universitätsklinikums beurteilen die Organisation des Tagesablaufes mit 94.1% besser als die Pflegekräfte des kommunalen Hauses (82,4%, p=0,03). Die Ärzte des Universitätsklinikums können Erlerntes an einer Universitätsklinik mit 87,5% besser in die Praxis umzusetzen als ihre Kollegen an der Kommunalklinik (55,5%, p=0,02). Die Ärzte an der Universitätsklinik schätzen im Gegensatz zu ihren Kollegen an der Kommunalklinik die subjektive Arbeitsbelastung nur zu 50% als gerade richtig ein (kommunal 83,3%, p=0,02) und geben zu 96,9% an „täglich“ oder „mehrmals pro Woche“ unter Zeitdruck zu stehen (kommunal 50%, p<0,01). Die Pflegekräfte beider Häuser geben überwiegend an, ausreichend Möglichkeit zu haben, Familie und Beruf vereinbaren zu können(Uniklinik 62,9%, Kommunalklinik 72,8%). Hingegen sehen die Ärzte des Universitätsklinikums nur zu 20% ausreichend Möglichkeiten, Beruf und Familie zu vereinbaren, bei den Ärzten des kommunalen Klinikums sind es zumindest 42,9% (p=0,13).

Schlussfolgerung

Die Rücklaufquote mit knapp 50% ist als gut zu bezeichnen. Aufgrund der kleinen Fallzahlen bei den Ärzten, vor allem im kommunalen Haus, kann vermutet werden, dass interessante Unterschiede teilweise nicht erkannt werden konnten. Bei den Pflegekräften zeigen sich in beiden Kliniken nur geringe Unterschiede. Im Gegensatz dazu sind bei den Ärzten die subjektive Arbeitsbelastung sowie die Werte bei den Beanspruchungsfaktoren am Uniklinikum deutlich höher als bei den Kollegen an der Kommunalklinik. Wie in der Einleitung vermutet, kann trotz der besseren work-life-balance im Kommunalklinikum eine freie Arztstelle nicht besetzt werden.

Fazit

Die Attraktivität einer Arztstelle hängt derzeit von den guten Karrierechancen und der Arbeit auf wissenschaftlich höchstem Niveau ab.

Abstract

Background

Medical and nursing shortages in rural areas represent a current serious public health problem. The healthcare of the rural population is at risk. This study compares perceived workload, job satisfaction and work-life balance of physicians and nurses at a clinic in a rural area with two clinics of a University hospital.

Method

Physicians and nurses were interviewed anonymously with a standardized questionnaire (paper and pencil), including questions on job satisfaction, subjective workload and work-life balance.

Results

The response rate was almost 50% in the University hospital as well as in the municipal hospital. 32 physicians and 54 nurses from the University hospital and 18 physicians and 137 nurses from the municipal hospital participated in the survey. Nurses at the University hospital assessed the organization of the daily routine with 94.1% as better than those at the municipal hospital (82.4%, p=0.03). Physicians at the University hospital were able to better implement acquired knowledge at a University clinic with 87.5% than their counterparts at the municipal hospital (55.5%, p=0.02). In contrast to their colleagues at the municipal hospital, only 50% of the physicians at the University hospital subjectively considered their workload as just right (83.3% municipal, p=0.02). 96.9% of the physicians at the University hospital were “daily” or “several times a week” under time pressure (municipal 50%, p<0.01). Nurses of both hospitals had sufficient opportunity to reconcile work and family life (62.9% University hospital, 72.8% Municipal hospital). In contrast, only 20% of the physicians at the University Hospital but 42.9% of the physicians of the municipal hospital had sufficient opportunities to balance workload and family (p=0.13).

Conclusion

The return rate of almost 50% can be described as good. Due to the small number of physicians, especially from the municipal hospital, it can be assumed that some interesting differences could not be detected. There were only slight differences between the nurses from the two hospitals. In contrast, subjective workload and stress factors reported by physicians at the University Hospital were significantly higher than those by doctors at the municipal hospital.

 
  • Literatur

  • 1 Hibbler B. Fachkräftemangel: Zahl ausländischer Ärzte steigt. Deutsches Ärzteblatt 2012; 109: 33-34
  • 2 Richter-Kuhlmann EA. Arztberuf: Umfrage zeigt mangelnde Attraktivität. Deutsches Ärzteblatt 2012; 109: 20
  • 3 Afentakis A, Maier T. Projektion des Plegebedarfs und -angebots in Pflegeberufen bis 2025. Statistisches Bundesamt Wiesbaden-Wirtschaft und Statistik 2010
  • 4 Buxel H. Arbeitsplatz Krankenhaus: Was Ärzte zufriedener macht. Eine Studie der Fachhochschule Münster zeigt auf, wie Krankenhäuser sich als attraktive Arbeitgeber für Ärztinnen und Ärzte profilieren können. Deutsches Ärzteblatt 2013; Heft 11: A494-A498
  • 5 Jurkat HB. Lebensqualität bei Ärztinnen und Ärzten-Erfahrungen aus der empirischen Forschung. Deutsche Medizinische Wochenschrift 2008; 133: 14-16
  • 6 Hibbeler B, Korzilius H. Die Medizin wird weiblich. Deutsches Ärzteblatt 2008; Heft 12: A609-A612
  • 7 Kiesel J, Broding H, Lederer C. et al. Arbeitszufriedenheit, selbsteingeschätzter Gesundheitszustand und Beanspruchung von Mitarbeitern eines Universitätsklinikums im Vergleich zu anderen Betrieben. Arbeitsmed/Sozialmed/Umweltmed 2010; 45: 416-422
  • 8 Schmid K, Broding HC, Kötter R et al. Erhöhte Burnout Gefahr bei Klinikärzten? Report Versorgungsforschung 2010
  • 9 Schmid K, Drexler H, Fischmann W. et al. Welche Berufsgruppen an einem Klinikum sind besonders beansprucht? Ein Vergleich mit anderen Branchen. Deutsche Medizinische Wochenschrift 2011; 136: 1517-1522
  • 10 Bender R. St. Lange A. Ziegler: Multiples Testen. Deutsche Medizinische Wochenschrift 2002; 127: T4-T7
  • 11 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Arbeit in der Pflege – Arbeit am Limit? Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche. www.baua.de/dok/6505548 (last access on 24.11.2015)
  • 12 Angerer P, Petru R, Nowak D. et al. Arbeitsbedingungen und Depression bei Ärzten. Deutsche Medizinische Wochenschrift 2008; 133: 26-29
  • 13 Bauer J, Groneberg DA. Ärztlicher Disstress- Eine Untersuchung baden-würtembergischer Arztinnen und Ärzte in Krankenhäusern. Deutsche Medizinische Wochenschrift 2013; 138: 2401-2406
  • 14 Ochsmann E, Lang J, Drexler H et al. Stress andrecovery in juniordoctors. Postgrad Med Jpublished online March 24, 2011 doi:10.1136/pgmj.2010.103515
  • 15 Weigl M, Hornung S, Raluca P. et al. Depressive symptoms in junior doctors: a follow-up study on work-related determinants. Published online: 29 September 2011 Springer-Verlag; 2011
  • 16 Wenderlein FA. Analyse hohe Fehlzeiten bei Pflegekräften-Schwerpunkt Arbeitszufriedenheit: Dissertation Medizinische Fakultät Ulm. 2002;
  • 17 Bühren A. Ärztinnen Gesundheit. Deutsche Medizinische Wochenschrift 2008; 133: 23-25
  • 18 Gedrose B, Wonneberger C, Jünger J. et al. Haben Frauen am Ende des Medizinstudiums andere Vorstellung über Berufstätigkeit und Arbeitszeit als ihre männlichen Kollegen? Ergebnisse einer multizentrischen postalischen Befragung. Deutsche Medizinische Wochenschrift 2012; 137: 1242-1247
  • 19 Hartmannbund Umfrage 07.05.2012: Der Arztberuf von morgen-Erwartungen und Perspektiven einer Generation-Umfrage unter den Medizinstudierenden des Hartmannbundes-Wie sehen Sie Ihre Zukunft als Arzt oder Ärztin? www.hartmannbund.de/uploads/2012_Umfrage-Medizinstudierende.pdf (last access on 21.01.2015)
  • 20 Kopf S. Arbeitsplatz Krankenhaus-Was die jungen Wilden wollen-Die Generation Y verändert die Krankenhäuser und das Arztsein gleich mit. Deutsches Ärzteblatt 2014; Heft: 1-2
  • 21 Pressemitteilung Medizinischer Fakultätentag vom 1.9.2014: Perspektiven für die ländliche Versorgung und die Allgemeinmedizin. http://www.mft-online.de/files/pm_berufsmonitoring_medizinstudenten_01.09.2014.pdf (letzter Zugriff am 05.12.2015)
  • 22 BÄKground Informationsdienst der Bundesärztekammer, vom 30.05.2014, S. 17: Reformvorhaben der Bundesregierung: Qualität gibt es nicht zum Nulltarif. Ärzteschaft in der Generationenfalle: Bundesärztekammer veröffentlicht Ärztestatistik 2013. www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/BAeKground_Mai_Web1.pdf (letzter Zugriff am 18.12.2015)