Z Gastroenterol 2017; 55(03): 322-323
DOI: 10.1055/s-0042-123762
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Ist die Darmkrebsvorsorge zu teuer?

Franz Josef Heil
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Publication Date:
13 March 2017 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

95,0 Mio. Euro. Soviel kosteten die präventiven Koloskopien im Jahr 2014 in Deutschland. Ist das viel oder wenig? Im Honorarbericht für das 3. Quartal 2014 der KBV (herausgegeben am 22.7.2016) findet man eine Übersicht über alle Präventionsleistungen, die über die KVen abgerechnet wurden ([Tab. 1], [2]): Im Jahr 2014 betrug der Leistungsbedarf für Präventionsleistungen 2077,6 Mio. Euro. Das entspricht 6,10 % des gesamten über die KVen abgerechneten Leistungsbedarfs der niedergelassenen Ärzte. Ob das viel oder wenig ist, sei dahingestellt.

Tab. 1

Leistungsbedarfsanteil der teilnehmenden Ärzte und Therapeuten aus Präventionsleistungen (2014).

Leistungsbedarf in Mio Euro

Anteil am Gesamtvolumen der Versorgung

Hausärzte

 474,6

 4,30 %

Chirurgie

   5,7

 0,60 %

Kinder- und Jugendmedizin

 150,7

10,70 %

Gynäkologie

 913,0

42,20 %

Hautärzte

  76,7

10,10 %

Humangenetik

  10,3

 7,50 %

Laboratoriumsmedizin

  35,3

 2,70 %

Innere Medizin

  90,4

 2,40 %

Patholoige

  41,5

14,50 %

Radiologie

 165,9

12,70 %

Urologie

  40,1

 6,80 %

sonstige

  73,4

 0,70 %

alle

2077,6

 6,10 %

Tab. 2

Leistungsbedarfsanteil für präventive Leistungen nach Bereichen (2014).

Leistungsbedarf in Mio Euro

Anteil am Gesamtvolumen der Versorgung

Früherkennung Kinder

 167,9

0,46 %

Krebsfrüherkennung Frau

 509,4

1,40 %

Krebsfrüherkennung Mann

 150,5

0,41 %

Gesundheitsuntersuchung

 417,7

1,15 %

Mammografie-Screening

 210,4

0,58 %

Mutterschaftsvorsorge

 621,7

1,71 %

alle

2077,6

6,10 %

Quelle: Honorarbericht für das 3. Quartal 2014, KBV.

Wenn man die vorliegenden Zahlen näher betrachtet, dann ist die Verteilung der Ausgaben auf die einzelnen Bereiche durchaus erstaunlich. Natürlich interessiert uns Gastroenterologen vor allem ein Blick auf die wirksamste Krebsfrüherkennungs- und -vorsorgeleistung, nämlich die Koloskopie. Leider wird die präventive Koloskopie in dem KBV-Bericht nicht einzeln ausgewiesen, sondern die Aufwendungen dafür sind in den Leistungen der Internisten (und z. T. der Chirurgen) bzw. in den beiden Bereichen „Krebsfrüherkennung Frau“ und „Krebsfrüherkennung Mann“ enthalten.

Der Gesamtleistungsbedarf für die Krebsfrüherkennung inkl. des Mammografie-Screenings summiert sich auf 870,3 Mio. Euro. Aus den Abrechnungszahlen der KVen wissen wir, dass im Jahr 2014 bundesweit 444 513 präventive Koloskopien (EBM-Nr. 01 741) abgerechnet wurden (eigene Zahlen des bng). Bei 204,81 Euro pro Koloskopie entspricht dies einem Leistungsbedarf von 91,0 Mio. Euro. Hinzu kommen noch die Kosten für die Polypektomie (EBM Nr. 01 742), die bei einer Polypketomierate von 30 % etwa 4,0 Mio. Euro betragen. Insgesamt also 95,0 Mio. Euro. Für die präventive Koloskopie werden demnach 10,9 % der Gesamtausgaben für die Krebsfrüherkennung ausgegeben. Für die Mammografie werden 210,4 Mio. Euro, d. h. 2,2-mal so viel ausgegeben. Die Gesamtkosten für die Brustkrebsvorsorge liegen natürlich noch erheblich höher.

Um einen Eindruck zu bekommen, was 95,0 Mio. Euro für die Vorsorgekoloskopie wirklich bedeuten, hilft auch ein Vergleich mit den Kosten für andere Krebsfrüherkennungsprogramme: Hautkrebsscreening (Leistungsbedarf der Hautärzte plus unbekannter Anteil bei den Hausärzten) mehr als 76,7 Mio. Euro; Krebsfrüherkennung Mann (abzüglich 47,5 Mio. Euro für die Koloskopie) 103,0 Mio. Euro; Krebsfrüherkennung Frau inkl. Mammografie-Screening (abzüglich 47,5 Mio. Euro für die Koloskopie) 672,3 Mio. Euro.

Was kann man daraus ableiten? Die Vorsorge-Koloskopie ist nicht nur eine der effektivsten Vorsorgeuntersuchungen, die nachweislich zu einem Rückgang der Darmkrebsneuerkrankungen führt und deren Bedeutung weltweit nicht ernsthaft angezweifelt wird, sondern im Vergleich zu anderen Krebsfrüherkennungsprogrammen auch noch ausgesprochen preiswert. Eine Förderung und Werbung für die präventive Koloskopie, die über das verdienstvolle und unverzichtbare Engagement von Stiftungen und Verbänden hinausgeht, wäre sehr gut investiertes Geld. Die Umsetzung des im nationalen Krebsplan vorgesehenen Einladungsmodells ist mehr als überfällig.

Dr. Franz Josef Heil (bng-Vorstand)