Neonatologie Scan 2017; 06(01): 1
DOI: 10.1055/s-0042-124316
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neonatologie Scan: Wärme und Kälte – Teil 2

Axel Hübler
,
Gerhard Jorch
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Publication Date:
14 March 2017 (online)

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Axel Hübler
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Gerhard Jorch

Liebe Leserinnen und Leser,

das Editorial mit dem Titel „Wärme und Kälte“ im Märzheft 2016 enthielt die Fallbeschreibung eines im Jahre 1921 geborenen Frühgeborenen mit weniger als 500 g Geburtsgewicht, welches gesund überlebte. Es handelte sich um eine Hausgeburt. Eine Krankenhausbehandlung war damals für solche Situationen nicht vorgesehen. Die Prinzipien der schon damals erfolgreichen Frühgeborenenpflege, die von der Mutter mithilfe der Hebamme und des Hausarztes durchgeführt wurden, fußten im Wesentlichen auf ständiger Beobachtung, Warmhalten und häufiger Fütterung kleiner Muttermilchmengen mit dem Teelöffel. Einige wenige Frühgeborene konnten also vor dem Zeitalter der modernen Neonatologie mit dieser Basispflege überleben. Der folgende medizinische Fortschritt hat indes erfreulicherweise dazu geführt, dass darüber hinaus die große Mehrheit kleiner Frühgeborener, denen diese Maßnahmen allein nicht reichen, gerettet werden können.

Im Märzheft 2015 stellte R. Böttger den aktuellen Standard der Frauenmilchfütterung dar, in diesem Märzheft 2017 beschreibt der Autor S. Avenarius umfassend die physiologischen Grundlagen und praktische Durchführung der Wärmepflege, die nach wie vor unerlässlich für gute neonatologische Behandlungsqualität ist.

Während also der eine Fortbildungsartikel ein altes Thema „aufwärmt“, beinhaltet der zweite Übersichtsartikel zur Epigenetik ein wissenschaftlich und klinisch hochinnovatives Thema. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Vererbung nicht nur über DNA-Sequenzen möglich ist, sondern auch auf anderen biologischen Wegen. Die Autoren Thomas und Bettina Brune belegen anschaulich, dass dieses keineswegs eine nur wissenschaftlich interessante Petitesse ist, sondern erhebliche klinische Bedeutung hat.

Wir dürfen ferner auf die Originalarbeiten verwiesen, die wir in diesem Heft nicht nur referieren, sondern ausführlich diskutieren: Im Lancet bringen die GBD 2015 Child Mortality Collaborators einen Überblick über den derzeitigen Stand der Kindersterblichkeit, die Entwicklung in der jüngsten Vergangenheit und die Ziele und Aussichten für die Zukunft. Im NEJM entzaubern die Autoren mit ihrer Studie den (nasalen) High Flow Hype und propagieren, dass man auf Standard-CPAP nicht verzichten sollte. Eine Propofol-Dosisfindungs-Studie im Journal of Pediatrics befasst sich mit dem sicheren Einsatz dieses hochpotenten Anästhetikums in der Neonatologie. In Pediatric Research berechnen die Autoren die Inzidenz von tödlichen oder fast tödlichen neonatalen „SIDS“- und „ALTE“- Fällen mit etwa 0,1 auf 1000 Lebendgeborene (SIDS-Rate insgesamt in Deutschland etwa 0,3 auf 1000). Insbesondere auch die elterliche Brust scheint kein sicherer Beobachtungsort nach der Geburt zu sein. Jedenfalls sollten Neugeborene postpartal sorgfältig überwacht werden, womit wir wieder bei den Prinzipien wären, die bereits vor fast 100 Jahren das Überleben eines Frühgeborenen unter 500 g ermöglicht haben.

PD Dr. med. Axel Hübler
Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Klinikum Chemnitz gGmbH

Prof. Dr. med. Gerhard Jorch
Direktor der Universitätskinderklinik Magdeburg