osteopathisch Zeitschrift für Osteopathen 2017; 01(01): 54
DOI: 10.1055/s-0043-105761
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rezensionen: Atlas des menschlichen Fasziensystems

Contributor(s):
Magga Corts
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Publication Date:
06 June 2017 (online)

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Dank klinischer Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre ist die funktionelle Bedeutung der Faszien in der Medizin aus ihrem Schattendasein getreten. Zahlreiche wissenschaftliche Expertisen beschäftigen sich mit ihrer Funktion und ihrer Bedeutung für pathologische Prozesse, Aspekte der Rehabilitation und Prävention.

Carla Stecco stellt sich mit dem von ihr veröffentlichen Atlas der Aufgabe, aus Sicht der funktionellen Anatomie zum einen Faszien im Detail bildlich an anatomischen Präparaten darzustellen, und zum anderen die einzelnen strukturellen Details in die Funktionalität des Körpersystems einzubinden. Die Funktion und Form von Faszien, die je nach Körperregion sehr unterschiedlich sein können, lassen Schlüsse auf das differenzierte systemische Wirken dieser Bindegewebsstrukturen zu.

Körperbewegungen sind mehr als nur die Muskelreaktionen auf einen Nervenreiz. Vielmehr sind Muskeln ein Teil des Bewegungssystems, das koordiniert werden muss. Carla Stecco befindet, dass es die Faszien sind, die einen großen Bestandteil der Koordination im motorischen System übernehmen. Faszien versteht sie als Brücken zwischen Gelenken und Muskeln. Sie fokussiert sich in ihrem Buch auf die Durchgängigkeit und Gleiteigenschaften von den oberflächlichen bis hin zu den tiefen Faszienebenen. Ergänzt wird dieser Fokus um die Funktion der Faszien als Verbindungsglied zwischen Muskeln, Nerven und Blutgefäßen.

In Ermangelung einer allgemein anerkannten Definition des Fasziengewebes stellt Stecco klar, dass für sie das Fasziensystem ein eigenständiges Organsystem mit eigenen Funktionen und spezifischen pathologischen Veränderungen ist. Gelenkkapseln, Bänder, Sehnen und lockeres Bindegewebe schließt sie von dem Fasziensystem aus – mit dem Hinweis, dass die Faszien zwar in diese Strukturen übergehen, aber Gelenkkapseln, Bänder, Sehnen und lockeres Bindegewebe mikroskopisch andere Eigenschaften und Funktionen besitzen.

Der Atlas des menschlichen Fasziensystems gliedert sich in acht Kapitel:

  • Kapitel 1 klassifiziert das Bindegewebe und stellt detailliert die Zusammensetzung der verschiedenen Bindegewebsarten dar.

  • Kapitel 2 beschreibt allgemein die makro- und mikroskopischen Eigenschaften der oberflächlichen Faszie.

  • Die tiefe Faszie wird unter gleichen Aspekten in Kapitel 3 beschrieben.

  • In Kapitel 4 bis 8 werden Faszien topografisch beschrieben – mit einem Schwerpunkt bei den Übergängen zwischen den Faszien und den verschiedenen Körperteilen sowie der Verbindung zwischen Faszien und Muskeln.

Fazit:

Der Atlas besticht durch seine bildliche Darstellung der anatomischen Faszienpräparate, die differenzierte Beschreibung der Kontinuitäten zwischen den oberflächlichen, tiefen Faszien und die Hinweise zu Pathologien und Funktionalität.

Schade ist, dass es keine vertiefenden Ausführungen zum Diaphragma abdominale und dem Beckenboden gibt, die unter den funktionellen Aspekten der Atmung, Körperstabilität und Bewegungsübertragung ein wichtiger Bestandteil der myofaszialen Ketten in der Körpertiefe sind.

Magga Corts, Praxis für Osteopathie, Köln