Erfahrungsheilkunde 2017; 66(02): 77
DOI: 10.1055/s-0043-108188
Editorial
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

„Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.“

(Franz Kafka)
Volker Schmiedel
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Publication Date:
07 June 2017 (online)

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Auch wenn das Gedächtnis nach und nach zu „Honig im Kopf“ wird, wie es die Tragikomödie mit Dieter Hallervorden so berührend beschreibt, kann auch der demente Mensch noch lange Zeit Vieles und eben auch Schönes wahrnehmen. Dabei schauen die reinen Fakten leider nicht so schön aus: Laut dem Welt-Alzheimer-Bericht von 2015 erkrankt weltweit alle 3 Sekunden ein Mensch an Demenz. Es leben derzeit 46 Mio. Menschen mit dieser Krankheit, für 2030 werden 74 Mio. prognostiziert. Laut einer Statistik der BARMER GEK Krankenkasse waren 47 % der Frauen sowie 29 % der Männer, die im Alter von über 60 starben, demenzkrank – davon ca. 90 % pflegebedürftig.

Es rollt also schon allein aufgrund der soziographischen Altersentwicklung eine riesige Demenzwelle auf uns zu, derer wir kaum Herr zu werden scheinen. Dabei verheißen die Zahlen ein unabwendbares Schicksal: Der Einzelne ist dem Eintreten von Demenz hilflos ausgeliefert und die Gesellschaft muss die medizinischen, psychischen und sozialen Folgen mit Pflegegesetzen irgendwie schultern.

In dieser Ausgabe werden Sie erfahren, dass dem überhaupt nicht so ist, sondern dass wir insbesondere primärpräventiv die Wahrscheinlichkeit von Demenz deutlich reduzieren können. Und es sind – wie so oft in der Medizin – mal wieder die Faktoren Ernährung, Bewegung und Lebensstil, die hier die entscheidenden Rollen spielen.

Die entscheidenden Nährstoffe zur Vermeidung von Demenz sind nach der Studienlage Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D und B-Vitamine. Für einen optimalen Schutz reicht die Ernährung meist nicht aus, sodass hier bei entsprechendem Risiko Nahrungsergänzungen indiziert sind.

Die Bedeutung von Zucker und von Insulinresistenz beim Diabetes ist hinreichend bekannt. Dass Demenz auch eine Art von „Zuckerkrankheit“ darstellt, wird hier wissenschaftlich präzise dargelegt.

Wenn dann doch Demenz eingetreten sein sollte, so gibt es noch Ernährungshinweise, die nicht gegen, sondern vielmehr bei Demenz indiziert sind, um den Patienten mit all seinen Problemen beim und mit dem Essen eine optimale Versorgung teilwerden zu lassen.

Erfreulicherweise haben wir zur Bedeutung von Bewegung gleich zwei Artikel. Zunächst wird die Bedeutung von Bewegung zur Verhinderung von Demenz eindrücklich und wissenschaftlich untermauert dargestellt. Dann werden Strategien vorgestellt, wie das dann auch praktisch umgesetzt werden kann.

Schließlich soll mit dem Dogma, dass Demenz durch das Alter verursacht wird, aufgeräumt werden. Sie ist zwar im Alter gehäuft, was aber nicht diesem geschuldet ist, sondern vielmehr auf das Konto von langjährigen Fehlern im Lebensstil geht. Diesen können wir selbst bestimmen und damit Demenz verhindern.

In einem weiteren Artikel beschäftigen wir uns mit dem Lebensstil mehr aus einer gesellschaftlichen als aus einer individuellen Situation. Alzheimer scheint eine Folge westlicher Lebensweise zu sein – was immer das im Einzelnen ist. Hier wird der Beitrag einzelner Lebensstilfaktoren wie AGEs, Aluminium oder Pestiziden bezüglich möglicher Zusammenhänge zu Alzheimer beleuchtet.

So hoffe ich, dass Sie dieses Heft nicht nur mit Gewinn für Ihre Patienten, sondern auch für sich selbst lesen werden. Das nachfolgende Zitat trifft für Demenzpatienten zu, die auch bei eingetretener Krankheit noch lange Zeit Lebenskünstler bleiben können – es trifft aber natürlich auch für jeden Gesunden zu.

„Die wahre Lebenskunst besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen.“

(Pearl S. Buck)

Bleiben Sie jung – körperlich und geistig! Herzlichst Ihr

Dr. Volker Schmiedel