Aktuelle Neurologie 2017; 44(08): 537-538
DOI: 10.1055/s-0043-110342
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fortschritte der Neurorehabilitation

Frontiers in Neurorehabilitation
Thomas Mokrusch
,
Claus W. Wallesch
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Publication Date:
09 October 2017 (online)

Widmung

Wir widmen dieses Heft unserem viel zu früh verstorbenen Vorstandskollegen Prof. Dr. med. Stefan Hesse (* 23. 5.1960, † 6. 8. 2016), einem Pionier der evidenzbasierten Neurorehabilitation.

Liebe Leserinnen und Leser

Im Frühjahr 2016 beschloss der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für NeuroRehabilitation (DGNR), der Aktuellen Neurologie die Herausgabe eines Schwerpunktheftes zu bedeutsamen aktuellen Entwicklungen in der Neurorehabilitation vorzuschlagen. Dieses Heft legen wir jetzt vor. Der Fokus liegt auf innovativen Entwicklungen der letzten Jahre, die bereits in vielen Rehabilitationskliniken routinemäßig eingesetzt werden, noch im Experimentalstadium befindliche Verfahren wie Brain-Computer-Interfaces werden nicht berücksichtigt.

Der wichtigste Fortschritt aus Sicht und auf Initiative der DGNR ist die zunehmende Evidenzbasierung. Durch die sehr aufwendige Entwicklung von Leitlinien wird in einem ersten Schritt die Standardisierung und Manualisierung neurorehabilitativen Handelns angestrebt. Im vorliegenden Heft werden Strategien und Methoden der Leitlinienentwicklung [1] vorgestellt und das Vorgehen bei der Entwicklung einer kürzlich von der AWMF publizierten Leitlinie zur Beatmungsentwöhnung in der neurologischen Frührehabilitation dargestellt [2] [3].

Gestützt auf Leitlinien der DGNR [4] befasst sich ein Beitrag mit neuen technischen Entwicklungen für Mobilisation und Gangtraining [5]. Hier halten derzeit Visualisierung des Trainingserfolges und virtuelle Realität Einzug, welche die Motivation und das Durchhaltevermögen des Rehabilitanden zu steigern vermögen. Ähnliches gilt für die gerätegestützte Rehabilitation der oberen Extremität [6], wo die Kombination von roboterunterstützten Bewegungen und Videospielen zu einer deutlichen Steigerung der Trainingszeit und des Trainingserfolges führen kann, was spekulativ für die Entstehung neuer Synapsen besonders förderlich ist [7]. Ein betriebswirtschaftlich interessanter Nebeneffekt ist, dass der Personaleinsatz bei robotergestützter Therapie geringer ist als bei konventioneller Ergotherapie, weil ein Therapeut mehrere Rehabilitanden betreuen kann.

Die kortikale Handarea ist am Schädel gut lokalisierbar und liegt parallel zur Schädeloberfläche. Eine Kombination der robotergestützten Therapie der oberen Extremität mit transkranieller Stimulation bietet sich an. Hier sprechen betriebswirtschaftliche Gründe (Personaleinsatz) für den Einsatz der transkraniellen Elektrostimulation (gegenüber der Magnetstimulation). Reis und Fritsch geben in ihrem Artikel einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung [8].

Dem Internet ist zu entnehmen, dass die transkranielle Elektrostimulation auch von Gesunden zum „Neuroenhancement“ eingesetzt wird. Ähnliches gilt für diverse Pharmaka, die auch in der Neurorehabilitation zum „Hirndoping“ eingesetzt werden. Der Artikel von Hömberg [9] berichtet die derzeitige Evidenz. Wichtig ist sein Hinweis auf Medikamente, die sich nachteilig auf die Rehabilitation auswirken und auf deren Gabe möglichst verzichtet werden sollte.

„Hirndoping“ wird in der Rehabilitation eingesetzt, um Rehabilitationsfähigkeit und Motivation der Rehabilitanden zu verbessern. Die psychische Verfassung und psychische Komorbiditäten sind für den Erfolg der Rehabilitation von entscheidender Bedeutung. Rehabilitation ist zuvörderst Arbeit des Patienten, für die die Therapeuten Hilfestellungen und Optimierungen anbieten. Seelische Blockaden, depressive Kognitionen und „learned non-use“ wirken sich negativ auf das Rehabilitationsergebnis aus. Der Artikel von Schmidt et al. [10] stellt den aktuellen Stand der Psychotherapie in der neurologischen Rehabilitation dar.

Thomas Mokrusch, Ärztlicher Direktor, MediClin Hedon Klinik, Lingen, Vorsitzender der DGNR

Claus W. Wallesch, Ärztlicher Direktor, BDH-Klinik Elzach, Elzach, Stv. Vorsitzender der DGNR