Handchir Mikrochir Plast Chir 2017; 49(03): 211
DOI: 10.1055/s-0043-115118
Leserbrief
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ist die PNF+ eine minimal invasive Technik?

Zum Beitrag: Die Technik der erweiterten perkutanen Nadelfasziotomie (PNF+) bei der Dupuytren’schen Kontraktur
Albrecht Meinel
Further Information

Publication History

05/24/2017

06/28/2017

Publication Date:
14 August 2017 (online)

Es verwundert, dass Herr Lenze die von ihm vorgestellte erweiterte perkutane Nadelfasztiotomie (PNF+) als minimal invasive Technik beschreibt [1]. M. E. eine unzutreffende Einstufung!

Als minimal invasiv wird heute ein Operationsverfahren verstanden, das mit einem kleinen Haut- und Gewebeschnitt auskommt und ein kleines Operationstrauma darstellt. Aus diesem Verständnis heraus stellt die perkutane Nadelfasziotomie (PNF) gleichsam den aus heutiger Sicht denkbar kleinsten und am wenigsten belastenden operativen Eingriff an der Dupuytrenhand dar. Die PNF mit der kurzen 25-Gauge-Kanüle reduziert den Schnitt auf einen kleinen Punkt / eine Punktion. Darüberhinaus stellt die PNF im Regelfall eine Ein-Tages-Behandlung dar. Die Hand kann meist schon ab dem Folgetag fast wieder voll umfänglich eingesetzt werden. Und last not least weist die PNF eine auffallend geringe Komplikationsrate auf. Diese Eigenschaften zusammen verleihen der PNF ihre minimal invasive Behandlungsqualität.

Ganz anders zeigt sich die von Herrn Lenze vorgestellte erweiterte perkutane Nadelfasziotomie (PNF +). Da die meist durch Vollhaut zu deckenden Hautrisse „keine Komplikationen, sondern Teil der Behandlung“ sind, ist schon allein der Operationszugang keineswegs als minimal zu bezeichnen. Aber auch die anderen Qualitätsmerkmale der PNF – die Ein-Tages-Behandlung und die sehr niedrigen Komplikationsraten – sind bei der PNF + nicht wieder zu finden. So berichtet Herr Lenze von einer auffallend hohen Komplikationsrate. Zudem muss eine ärztliche und handtherapeutische Nachbehandlung in Kauf genommen werden. Allein die schlechten Einheilungsergebnisse der Vollhauttransplantate lassen vermuten, dass sich die Behandlungszeiten nach PNF + durchaus denen nach resezierenden Operationen nähern. Schwer vereinbar mit einem minimal invasiven Eingriff erscheint darüberhinaus der Umstand, dass Gewebeexzisionen im Rissbereich ohne Blutleere vorgenommen werden – Maßnahmen, die mit den Prinzipien einer atraumatischen Handchirurgie nur schwer vereinbar sind.

Die Ausführungen zur PNF beziehen sich keineswegs nur auf Hände mit gut abgrenzbaren Strangformationen und Streckdefiziten in den Fingergrundgelenken. In der eigenen Praxis werden durchaus auch Dupuytrenhände mit fortgeschrittenen Fingerkontrakturen mittels PNF behandelt und begleitet – sofern Befund und Ansprüche der Patienten eine rechtfertigende Indikation abgeben.

Um auch erheblich kontrakte Finger mittels Nadelperforation mit der kurzen 25-Gauge-Kanüle komplikationsarm behandeln zu können, sollte allerdings der Biologie der Dupuytrenhand mehr Beachtung geschenkt werden. Herr Lenze empfiehlt bei Tubiana-III- und -IV-Stadien eine mehrzeitige Stufenbehandlung. Erst werde das Grundgelenk „aufgebrochen“ – später erfolge die „Begradigung“ des Mittelgelenkes.

In der eigenen Praxis hat es sich bewährt, die erheblich kontrakten Einzelgelenke nur schrittweise zu lösen, ohne immer gleich die Komplettöffnung anzustreben. Nur so können behandlungspflichtige Hautrisse vermieden werden. Bei diesem schonenden Vorgehen werden – in Kombination mit einer individuell zugerichteten Nachtschienung – nicht selten unerwartete Regressionen beobachtet, die Patient wie behandelnden Arzt immer wieder staunen lassen.

Herr Lenze weist darauf hin, dass er die PNF+ entwickelt habe, um die perkutane Nadelfasziotomie universell anwendbar zu machen, damit sie mit der partiellen Fasziektomie (PF) konkurrieren könne.

Warum PF und PNF als Konkurrenz-Behandlungen ansehen? Warum nicht versuchen, diese beiden Behandlungen jeweils in ihren spezifischen Eigenschaften und Besonderheiten zu sehen und sie ergänzend in der Behandlung der Dupuytrenhand – auch der fortgeschrittenen Kontrakturen – einzusetzen?

Die PF versucht, mit der Entfernung des erkrankten Gewebes die Dupuytrenhand krankheitsfrei zu machen. Die PNF führt lediglich das fortgeschrittene Krankheitsbild auf eine niedrigere Krankheitsstufe zurück. Das fragmentierte Krankheitssubstrat und der Krankheitsprozess verbleiben in der Dupuytrenhand. Damit stellt die PNF primär nur eine symptomatische Behandlung dar. Die fundamentalen Unterschiede im Behandlungsziel von PF und PNF verdeutlichen, dass es letztlich problematisch erscheint, PF und PNF in eine Behandlungsschublade zu stecken.

Publikationshinweis

Leserbriefe stellen nicht unbedingt die Meinung von Herausgebern oder Verlag dar. Herausgeber und Verlag behalten sich vor, Leserbriefe nicht, gekürzt oder in Auszügen zu veröffentlichen.