Z Geburtshilfe Neonatol 2017; 221(04): 198-200
DOI: 10.1055/s-0043-116495
Perinatalmedizin in Bildern
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Urinöser Aszites bei Sinus-urogenitalis-Fehlbildung

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Publication Date:
11 August 2017 (online)

Fallpräsentation

Anlässlich der Schwangerenvorsorge war in einer gynäkologischen Praxis in der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) eine zystische Struktur im Unterbauch des Feten gesehen worden. Bei der Vorstellung am Universitären Perinatalzentrum wurde mit 25+0 SSW ein ausgeprägter fetaler Aszites festgestellt. Es erfolgte eine Amniozentese, die einen unauffälligen weiblichen Karyotyp zeigte. Wegen des stark zunehmenden Bauchumfanges wurde mit 28+5 SSW eine fetale Aszitespunktion vorgenommen, bei der 635 ml gelbliche Flüssigkeit drainiert wurden.

Bei Amnioninfektionssyndrom mit unaufhaltsamen Wehen kam es mit 30+2 SSW zur Geburt durch Sectio caesarea, die durch den vergrößerten Bauchumfang erschwert war. Direkt postnatal imponierte das massiv dilatierte Abdomen mit begleitender Thorax-/Lungenhypoplasie ([Abb. 1]), die wegen der resultierenden persistierenden pulmonalen Hypertension des Neugeborenen (PPHN) eine Hochfrequenzoszillationsbeatmung (HFOV) mit inhalativer Stickstoffmonoxid-Applikation (iNO) notwendig machte. Das äußere Genitale wirkte in atypischer Weise verschlossen mit einer prominenten Klitoris, zusätzlich fand sich eine Analatresie. Im Alter von wenigen Lebensstunden wurde eine explorative Laparatomie zur kontrollierten Entlastung des erhöhten intraabdominellen Druckes mit gleichzeitiger Anlage eines suprapubischen Blasenkatheters sowie eines Anus praeternaturalis vorgenommen. Die laborchemische Untersuchung der gewonnenen intraabdominellen Flüssigkeit zeigte, dass es sich um urinösen Aszites handelte.

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Abb. 1 Weibliches Frühgeborenes der 30. Schwangerschaftswoche mit massivem (urinösem) Aszites und verdrängungsbedingter Thorax-/Lungenhypoplasie zu Beginn der neonatalen Erstversorgung. Man beachte das auffällige, in Verbindung mit der Analatresie bereits auf eine Kloakenfehlbildung hinweisende äußere Genitale.

Sonografisch und im abdominellen MRT kam eine große, retrovesikal gelegene Struktur ohne erkennbare Verbindung zum Beckenboden zur Darstellung. In der Durchleuchtung zeigte sich eine Verbindung zwischen Harnblase und Vagina mit Rückstau des Urins über den Uterus und beide Tuben in die freie Bauchhöhle (vgl. [Abb. 2]). Daraufhin wurde über eine kleine perineale Öffnung, aus der sich tropfenweise Urin entleerte, ein zusätzlicher Harnkatheter in den „Sinus urogenitalis“ eingelegt.

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Abb. 2 Schematische Darstellung einer (frühen/hohen) Sinus urogenitalis-Fehlbildung (mod. n. [1]). Durch die ausgebliebene Trennung von Urethra und Vagina kann der Urin retrograd über den Uterus und die Tuben in die freie Bauchhöhle gelangen (Pfeile), besonders wenn der äußere Abfluss durch eine persistierende Kloakalmembran obstruiert ist. Zusätzlich kann eine Analatresie mit einer Fistelverbindung zwischen Sigmoid und Sinus urogenitalis – im Sinne einer komplexen Kloakenfehlbildung – vorliegen (gepunktete Linien).

Nach Überwindung der Probleme der Frühgeburtlichkeit und Lungenhypoplasie einschließlich des Aufbaus der enteralen Ernährung konnte das Mädchen in der korrigierten 44. SSW nach Hause entlassen werden, nachdem die Eltern in die Versorgung der beiden Urinableitungen und in die Stomapflege eingewiesen worden waren. Im 6. Lebensmonat wurde das Kind zur Korrektur-OP wiederaufgenommen. Dabei wurden der Sinus urogenitalis in ein Ostium urethrae umgeformt, der durch die Flüssigkeitsansammlung erweiterte Vaginalschlauch und das atretische Sigmoid nach perineal durchgezogen sowie die zugehörigen Fistelverbindungen verschlossen.

Im weiteren Verlauf wurde das Mädchen regelmäßig in unserer Frühgeborenen-Nachsorgesprechstunde gesehen. Im korrigierten Alter von fast 23 Monaten lag die Entwicklung im kognitiv-sprachlichen Bereich bei 16 Monaten, auch die motorische Entwicklung war etwas verzögert. Insgesamt präsentierte sich das Mädchen, das intrauterin durch einen massiven fetalen Aszites aufgefallen war und nach erfolgter Frühgeburt erhebliche pulmonale Probleme aufgewiesen hatte, jedoch als aufmerksames, fröhliches und kontaktfreudiges Kleinkind ([Abb. 3]).

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Abb. 3 Die vorgestellte Patientin a im fetalen Ultraschallbild mit 25 SSW (sonographische Untersuchung: W. Diehl) und b in der Frühgeborenen-Nachsorgesprechstunde im korrigierten Alter von 23 Monaten (Bild mit freundlicher Genehmigung der Eltern).
 
  • Literatur

  • 1 Walz PH. Sinus urogenitalis und Anomalien des weiblichen Genitals. In: Stein R, Beetz R, Thüroff JB. (Hrsg.) Kinderurologie in Klinik und Praxis. 3. Aufl Stuttgart: Thieme; 2011. Kap. 37, S. 440-452
  • 2 Cammani D, Zaccara A, Capitanucci L. et al. Isolated fetal ascites secondary to persistent urogenital sinus. Obstet Gynecol Int 2009; 2009: 219010
  • 3 Taori K, Krishnan V, Sharbidre KG. et al. Prenatal sonographic diagnosis of fetal persistent urogenital sinus with congenital hydrocolpos. Ultrasound Obstet Gynecol 2010; 36: 641-643
  • 4 Loganathan P, Kamaluddeen M, Soraisham AS. Urinary ascites due to persistent urogenital sinus: A case report and review of literature. Neonatal Perinatal Med 2014; 7: 75-79
  • 5 Nigam A, Kumar M, Gulati S. Fetal ascites and hydrometrocolpos due to persistent urogenital sinus and cloaca: a rare congenital anomaly and review of literature. BMJ Case Rep 2014; 2014 pii: bcr2013202231 DOI: 10.1136/bcr-2013-202231.
  • 6 Dreux S, Salomon LJ, Rosenblatt J. et al. Biochemical analysis of ascites fluid as an aid to etiological diagnosis: a series of 100 cases of nonimmune fetal ascites. Prenat Diagn 2015; 35: 214-220
  • 7 Rintala RJ. Congenital cloaca: Long-term follow-up results with emphasis on outcomes beyond childhood. Semin Pediatr Surg 2016; 25: 112-116