Fortschr Neurol Psychiatr 2017; 85(10): 575-576
DOI: 10.1055/s-0043-118635
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Verhaltenstherapie besonders effizient bei ADHS im Erwachsenenalter

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Publication Date:
10 October 2017 (online)

Ein verhaltenstherapeutisches Gruppentraining erzielt bei Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) genauso gute Erfolge wie ein Neurofeedback-Training. Zu diesem Schluss kommt eine Studie mit erwachsenen Probanden unter Leitung der Universität Tübingen. Demnach führen beide Methoden zu einer vergleichbaren Abnahme der Symptome, aber die Verhaltenstherapie erweist sich als insgesamt effizienter.

ADHS besteht bei bis zu 60 % der Betroffenen auch im Erwachsenenalter fort und kann zu Schwierigkeiten im Berufs- wie auch Privatleben führen. Symptomen sind Impulsivität, geringe Stresstoleranz, innerer Ruhelosigkeit und Getriebenheit. Dazu kommen Schwierigkeiten in Planung und Organisation sowie die Unfähigkeit, sich längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren und diese zum Abschluss zu bringen. Mit Medikamenten lassen sich die Symptome gut behandeln, ähnliche Erfolge werden auch für nicht pharmakologische Therapieformen berichtet.

Kontrovers diskutiert wird v. a. das sog. Neurofeedback, bei dem Patienten lernen sollen, ihre Hirnströme gezielt zu beeinflussen und so einen Rückgang der Symptome zu erreichen. Frühere Studien konnten überzeugend zeigen, dass ADHS-Symptome nach einem solchen Training tatsächlich abnehmen. Dennoch ist umstritten, ob die Verbesserung tatsächlich auf die spezifische Wirkung des Trainings zurückzuführen ist – oder eher unspezifischen Plazebo-Effekten zugeschrieben werden muss.

In einer aktuellen Studie testeten die Wissenschaftler aus Tübingen, Bamberg, Bayreuth und Budapest vergleichend

  • ein Neurofeedbacktraining,

  • ein Plazebo-Training (den Teilnehmern wurden nicht die eigenen Hirnströme rückgemeldet) und

  • ein verhaltenstherapeutisches Gruppenprogramm (u. a. spezifische Strategien zur Handlungsplanung, verbessertes Zeitmanagement, Stressbewältigungstechniken).

118 Erwachsene mit ADHS-Symptomatik erhielten dafür über 15 Wochen

  • entweder insgesamt 30 Sitzungen Neurofeedback

  • oder 15 Sitzungen Plazebo-Training und im Anschluss daran 15 Sitzungen Neurofeedback.

Eine weitere Vergleichsgruppe erhielt über 12 Wochen insgesamt 12 Sitzungen verhaltenstherapeutische Gruppentherapie. Verglichen wurden Veränderungen in der Symptomschwere, in objektiven Tests zur Konzentrationsfähigkeit und in zugrundeliegenden Hirnstrommustern über 4 Messzeitpunkte (vor Beginn der Intervention bis zu 6 Monaten nach Trainingsende).

Die Wissenschaftler berichten, dass die Effekte einer Neurofeedbackintervention denen eines Plazebo-Trainings nicht überlegen waren. Beide Trainings hätten eine gute Wirkung gezeigt, einen spezifischen Effekt des Neurofeedbacks auf die Hirnströme habe man jedoch nicht nachweisen können. Außerdem habe das verhaltenstherapeutische Gruppentraining ebenfalls zu einer vergleichbaren Abnahme der Symptome geführt – bei wesentlich geringerem Aufwand, z. B. weniger Sitzungen, Gruppentraining, keine Zusatzkosten für die Technik. Die Autoren schließen, dass verhaltenstherapeutische Ansätze sehr effektiv und effizient in der Behandlung von ADHS-Symptomen im Erwachsenenalter sind. Bevor andere Methoden empfohlen werden können, müssten diese erst ihre Überlegenheit unter Beweis stellen.

Nach einer Mitteilung der Eberhard Karls Universität Tübingen