Dtsch Med Wochenschr 2017; 142(19): 1473-1474
DOI: 10.1055/s-0043-118899
Facharztfragen
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Kreatininerhöhung bei einem Patienten mit alkoholtoxischer Leberzirrhose

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Publication Date:
22 September 2017 (online)

Sie haben einen Patienten mit alkoholtoxischer Leberzirrhose und massivem Aszites aufgenommen und eine diuretische Behandlung eingeleitet. 6 Tage nach Therapiebeginn kommt es zu einer Kreatininerhöhung, anlässlich einer Kontrolle wird ein Kreatinin von 3 mg/dl bestimmt. Woran denken Sie?
Antwort

An ein hepatorenales Syndrom.

Kommentar

Hepatorenales Syndrom:

  • Definition:

    • Nierenfunktionsstörung bei Leberzirrhose ohne zugrundeliegende Nierenerkrankung

  • Ursache:

    • Umverteilung des zirkulären Blutvolumens mit Minderperfusion der Nierenrindenarterien

  • Auslöser:

    • diuretische Behandlung, Blutung, nephrotoxische Medikamente (NSAR u. a.)

  • Befunde:

    • Kreatininanstieg, Einschränkung der Kreatinin-Clearance unter 40 ml/min

    • Einschränkung der Natriurese (< 10 mmol/l) bei gleichzeitiger Hyponatriämie (< 130 mmol/l)

    • Oligurie (< 500 ml pro Tag)

    • fehlende Reaktion auf Volumengabe

Welche therapeutischen Möglichkeiten kennen Sie?
Antwort

Die Beeinflussbarkeit des hepatorenalen Syndromes ist schlecht, die Prognose ebenso. Im Vordergrund steht die Prophylaxe (Verzicht auf aggressive Diurese, Ausgleich von Elektrolytstörungen, Verzicht auf nephrotoxische Medikamente). Die medikamentöse Therapie ist experimentell, es gibt keine gut etablierte Therapie.

Kommentar

Therapie des hepatorenalen Syndroms:

  • wichtigste Maßnahmen: Prophylaxe, Verzicht auf aggressive Diurese, Ausgleich von Elektrolytstörungen, Verzicht auf nephrotoxische Medikamente

  • in der Behandlung eingesetzte Medikamente: Dopamin niedrig dosiert, Vasopressinanaloga

  • evtl. TIPS-Anlage

  • dauerhafte Stabilisierung nur durch Lebertransplantation

Merke

Die Prognose des hepatorenalen Syndroms ist schlecht.

Sie betreuen einen Patienten stationär, bei dem eine posthepatitische Leberzirrhose vorliegt. Er wurde wegen Aszites stationär aufgenommen; dieser wird nun langsam ausgeschwemmt. Nach einer Woche beobachten Sie eine zunehmende Apathie und Schläfrigkeit bei dem Patienten. Wenn Sie ins Zimmer kommen, schläft er überwiegend, ist jedoch erweckbar. Was liegt hier vor?
Antwort

Das Bild passt zu einer hepatischen Enzephalopathie.

Kommentar

Hepatische Enzephalopathie:

Metabolisch bedingte, potenziell reversible Funktionsstörungen des ZNS im Rahmen einer Lebererkrankung.

Wie wird die Diagnose gestellt?
Antwort

Anhand des klinischen Bildes.

Kommentar

Diagnose der hepatischen Enzephalopathie:

  • Nachweis einer Funktionsstörung des ZNS

  • Nachweis einer gravierenden Lebererkrankung

  • Ausschluss einer anderen neurologischen Erkrankung

Sie sagen, die Diagnose werde anhand eines klinischen Befundes gestellt. Können Sie denn auch eine Aussage darüber machen, wie ausgeprägt das Krankheitsbild im Einzelfall ist?
Antwort

Ja, mithilfe der klinischen Stadieneinteilung der hepatischen Enzephalopathie. Diese berücksichtigt den Affekt, die Konzentrationsfähigkeit, den Grad der Wachheit, der Erweckbarkeit und der Reaktion auf Schmerzreize.

Kommentar

Stadieneinteilung der hepatischen Enzephalopathie:

  • Stadium 0:

    • subklinisch, durch psychometrische Tests erfassbar

  • Stadium I:

    • Stimmungsschwankungen, Verwirrtheit, Verlangsamung, Schläfrigkeit, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Tremor

  • Stadium II:

    • Zunahme der Schläfrigkeit, Benommenheit, inadäquates Verhalten, Veränderungen von Schriftproben, Flapping-Tremor

  • Stadium III:

    • Patient schläft meistens, ist jedoch erweckbar, Flapping-Tremor

  • Stadium IV:

    • tiefer Schlaf, fehlende Reaktion auf Schmerzreize, fehlender Kornealreflex

Hätte man das Auftreten der Enzephalopathie verhindern können oder anders gefragt: Gibt es Risikopatienten für das Auftreten der Enzephalopathie?
Antwort

Die hepatische Enzephalopathie kann im Verlauf der Krankheit auftreten, insbesondere bei gastrointestinalen Blutungen, daneben können ärztliche Fehler eine Rolle spielen: medikamentöse Behandlung mit Benzodiazepinen, zu aggressive Diuretikabehandlung mit Hypovolämie und Elektrolytstörungen. Außerdem kann der Patient Fehler gemacht haben, z. B. Diätfehler mit zu starker Eiweißbelastung.

Kommentar

Auslöser der hepatischen Enzephalopathie:

  • Krankheitsbedingt:

    • gastrointestinale Blutung

    • Infektionen

    • Obstipation

  • iatrogen:

    • Therapie mit Benzodiazepinen

    • zu aggressive Diurese

    • TIPS-Anlage

    • portosystemischer Shunt

  • Patientenfehler:

    • diätetische Eiweißbelastung

Wie behandeln Sie den o. g. Patienten?
Antwort

Durch Beseitigung und Behandlung der auslösenden Faktoren und Reduktion der toxischen Eiweißmetabolite im Darm, insbesondere durch Einläufe und die Gabe von Lactulose. Zusätzlich kann eine antibiotische Behandlung der ammoniakbildenden Darmflora versucht werden.

Kommentar

Behandlung der akuten hepatischen Enzephalopathie:

  • Behandlung und Beseitigung der auslösenden Ursache: gastrointestinale Blutstillung

  • Einläufe mit 1 – 2 l 20 %iger Lactuloselösung

  • Lactulose p. o., Ziel: 2 – 4 weiche Stühle/d

  • Antibiotika (der Wert ist nicht sicher belegt), Rifaximin

Bei dem o. g. Patienten ist es unter einer adäquaten Behandlung zu einer deutlichen Rückbildung der Beschwerden gekommen. Der Aszites konnte ausgeschwemmt werden. Jetzt steht die Entlassung bevor. Was raten Sie dem Patienten hinsichtlich der Prophylaxe einer hepatischen Enzephalopathie?
Antwort

Eine generelle Empfehlung kann nicht ausgesprochen werden. Lactulose wird als Langzeittherapie gegeben, allerdings ist der Nutzen nicht belegt. Bei nachgewiesener Proteinunverträglichkeit sollte eine eiweißreduzierte Kost mit ca. 50 g/d eingehalten werden. Bevorzugt wird pflanzliches Eiweiß.

Kommentar

Langzeitbehandlung nach akuter Episode einer hepatischen Enzephalopathie:

  • Eine gesichert wirksame Langzeitbehandlung ist nicht bekannt.

  • Therapiemöglichkeiten: Lactulose p. o., Ornithinaspartat p. o., zwischen 40 und 70 g Eiweiß/d, bevorzugt pflanzliches Eiweiß.

Merke

Eine gesichert wirksame Langzeitbehandlung bei hepatischer Enzephalopathie ist nicht bekannt.

Sie wissen ja wahrscheinlich, dass bei Patienten mit Leberzirrhose häufig ein HCC als Komplikation auftritt. Kennen Sie eine Screening-Untersuchung für das HCC?
Antwort

Die Bestimmung von α1-Fetoprotein.

Kommentar

Diagnostik des HCC:

  • α1-Fetoprotein

  • bildgebende Verfahren

  • Keine PE bei potenziell operablem Befund wegen der Gefahr von Implantationsmetastasen!

Cave

Bei Verdacht auf HCC → keine PE wegen der Gefahr von Implantationsmetastasen.

Merke

Die Häufigkeit des HCC in einer Leberzirrhose ist, abhängig von der Grundkrankheit, sehr variabel.

Halten Sie das Auftreten eines HCC in einer Zirrhoseleber für häufig?
Antwort

Ja, allerdings in Abhängigkeit von der Grunderkrankung. Besonders häufig bei Alkoholabusus und Hepatitis-B-bedingter Zirrhose.

Kommentar

Leberzirrhose und HCC:

  • Chronischer Alkoholabusus und Hepatitis B:

    • häufige Todesfälle (bis 25 %) durch HCC

  • Hepatitis C:

    • geringere Inzidenz (3 – 5 %)

  • Hämochromatose:

    • häufig, 20 – 50 % der Todesfälle

  • Selten:

    • bei PBC, Morbus Wilson, autoimmuner Hepatitis

Cave

Bei PSC in 15 – 30 % Auftreten eines cholangiozellulären Karzinoms!

Nach: Berthold Block,

Facharztprüfung Innere Medizin,

3000 kommentierte Prüfungsfragen.

5., vollständig überarbeitete Auflage 2017

ISBN 9783 131 359 551