JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2017; 06(06): 261
DOI: 10.1055/s-0043-120233
BHK
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mitteilungen für die Mitglieder des Bundesverband Häusliche Kinderkrankenpflege e. V.

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Publication Date:
07 December 2017 (online)

Pflege für Pflegende – Ein empathiebasiertes Entlastungskonzept

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Die Auseinandersetzung mit dem Thema Empathie im Kontext sozialer Berufe wie der Pflege scheint auf den ersten Blick wie Eulen nach Athen zu tragen. Pflegende wenden sich zu, spenden Trost und Hoffnung. Die vielen öffentlichen Berichte und Beiträge über den Pflegeberuf bestätigen dieses vordergründige Bild. Auch für viele Pflegende selbst ist der Qualitätsanspruch an die eigene Arbeit eng mit der Qualität der Interaktion und Zuwendung zu Patienten und Angehörigen verbunden. Es scheint so, als wären Zuwendung und Mitgefühl definitorisch und qualitätsrelevant für den Pflegeberuf. Ein Blick in die Versorgungslandschaft zeigt aber, wie herausfordernd es unter den gegebenen Umständen der Leistungsverdichtung und des sich abzeichnenden Fachkräftemangels ist, diesem Anspruch gerecht zu werden.

Empathie erweitert Erfahrungen

Allgemein betrachtet ist Empathie eine grundlegende Fähigkeit des Menschen, die uns die Möglichkeit gibt, das Erleben von anderen Menschen zu teilen. Wir können emotionale Situationen von Menschen erkennen, verstehen und mitfühlen. Empathie erweitert unsere Wahrnehmung. [1] Ob wir mit unserem Mit-Erleben genau das empfinden, was der andere fühlt, wissen wir natürlich nicht, dieses differenziert zwangsläufig zwischen dem Ich und dem Anderen.

Bei Ärzten, Pflegenden und vielen weiteren sozialen Berufen ist Empathie eine unerlässliche Voraussetzung. [2] Empathisches Handeln ist die Basis, um viele Situationen und Reaktionen von Patienten, Bewohnern, Angehörigen und auch Kollegen verstehen zu können – es unterstützt dabei, geeignete Interventionsmöglichkeiten zu finden. Zugleich wissen wir aber auch, dass Empathie gelernt und eingeübt werden muss. Sie mag biologische Grundlagen haben, sie braucht aber zugleich eine Kultur, die Empathie fördert und ihr Formen gibt.


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Empathische Herausforderungen der Caring-Berufe

Der Pflegeberuf zeichnet sich durch einen hohen emotionalen Anforderungscharakter aus. Pflegende erleben tagtäglich und intensiv mit Patienten und Angehörigen positive wie auch die belastenden Emotionen. Gleichzeitig erleben sie durch den hohen Zeitdruck einen starken Zwang zur Effektivität in der Arbeit.

In der pflegerischen Interaktionsarbeit ist das empathische Handeln demnach sowohl das wichtigste Instrument und zugleich auch eine Quelle für emotionale Belastungen im Berufsalltag von Pflegenden. [2,] [3] Diese sind eng assoziiert mit klassischen Belastungsfolgen wie Berufsunzufriedenheit, Depressivität und Burn-out-Symptomen bis hin zum Wunsch, den Beruf zu verlassen.

Pflegende brauchen bewusste Strategien, wie sie mit emotionalen Herausforderungen in der Versorgung von Patienten und Angehörigen auch im Sinne der Selbstpflege umgehen können. [4]


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Das Forschungsprojekt (empCARE)

Im Rahmen des Forschungsprogramms „Präventive Maßnahmen für die sichere und gesunde Arbeit von morgen“ des Bundesbildungsministeriums (BMBF) greift das Verbundprojekt „Pflege für Pflegende: Entwicklung und Verankerung eines empathiebasierten Entlastungskonzepts in der Care-Arbeit“ (empCARE) das Thema Empathie in der Pflege auf. In Anlehnung an Elemente der Gewaltfreien Kommunikation wurde ein Trainings- und Coachingkonzept entwickelt, das modellhaft an zwei Universitätskliniken und einem ambulanten Intensivpflegedienst eingeführt, weiter entwickelt und evaluiert wird.

Das Entlastungskonzept empCARE adressiert sowohl das empathische Verhalten gegenüber Patienten, Angehörigen und Kollegen als auch das empathische Verhalten zu sich selbst. Gerade die Betonung des Aspekts der Selbstempathie im Abgleich der eigenen mit den anderen Bedürfnissen ist die entscheidende Innovation dieses Projekts. Erste Erfahrungen aus den laufenden Schulungen spiegeln diese Erwartung. Die positive Auseinandersetzung mit dem empathischen Anspruch der Care-Arbeit trifft den Kern des pflegerischen Berufsverständnisses und der Berufsmotivation. Erste Erfahrungen aus dem Praxistransfer zeigen, dass die möglichen empathischen Interventionen nicht zwingend mehr Zeit brauchen und Entlastungen in der Interaktionsarbeit möglich sind. Statistische Ergebnisse der laufenden Evaluation sind für die Jahre 2017/18 geplant.

Weitere Informationen unter www.empcare.de.

Andreas Kocks, Krankenpfleger und Pflegewissenschaftler (BScN, MScN, in Promotion) am Universitätsklinikum Bonn, Sprecher des Netzwerkes Pflegeforschung an Universitätskliniken des VPU, Standortprojektleiter im BMBF-Verbundforschungsprojekt empCARE


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  • Literatur

  • 1 Breithaupt F. Die dunkle Seite der Empathie. Berlin: Suhrkamp; 2017
  • 2 Altmann T. Empathie in sozialen und Pflegeberufen. Entwicklung und Evaluation eines Trainingsprogramms. Psychologie in Bildung und Erziehung: vom Wissen zum Handeln. Wiesbaden: Springer; 2015
  • 3 Altmann T, Roth M. Mit Empathie arbeiten – gewaltfrei kommunizieren. Praxistraining für Pflege, Soziale Arbeit und Erziehung. Stuttgart: Kohlhammer; 2014
  • 4 Abt-Zegelin A, Kocks A. „Ich muss selbst leben, was ich weitergeben soll“. Die Schwester Der Pfleger 2013; 52 (01) 92-95