Dtsch Med Wochenschr 2018; 143(02): 123-124
DOI: 10.1055/s-0043-123008
Facharztfragen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

28-jährige Patientin mit Unterschenkelvenenthrombose

Further Information

Publication History

Publication Date:
22 January 2018 (online)

Sie behandeln eine 28-jährige Patientin mit Unterschenkelvenenthrombose, die mit oralen Antikoagulanzien eingestellt ist. Sie hatte bis zum Auftreten der Thrombose Östrogene eingenommen und 15 Zigaretten pro Tag geraucht. Die Thrombose war während einer Busreise aufgetreten. Östrogene werden nicht mehr eingenommen, der Nikotinabusus ist eingestellt. Wie lange führen Sie die Antikoagulation durch?
Antwort

Drei Monate.

Kommentar

Bei distaler TVT, insbesondere bei identifizierbarem Anlass, reicht eine 3-monatige Antikoagulation aus.

Wie lange behandeln Sie Patienten mit Oberschenkelvenenthrombose und Beckenvenenthrombose antikoagulatorisch?
Antwort

6 – 12 Monate.

Kommentar

Derzeit werden Patienten mit TVT oberhalb der V. poplitea 6 Monate behandelt. Sind die Beckenvenen mit einbezogen, sollte die Behandlung länger erfolgen.

Welche Regeln im Hinblick auf die Dauer der Antikoagulanzienbehandlung gelten bei Rezidivthrombose?
Antwort

Mindestens 12-monatige Behandlung.

Kommentar

Die individuelle Therapieentscheidung hängt von der Ausdehnung der Rezidivthrombose ab sowie von individuellen Risiken, insbesondere Begleiterkrankungen wie Hypertonus, Diabetes mellitus und Niereninsuffizienz.

Sie betreuen einen Patienten, der nach einer TVT eine orale Antikoagulation mit Phenprocoumon (z. B. Marcumar®) erhält. Die letzte Kontrolle des INR-Werts liegt 2 Wochen zurück. Er stellt sich bei Ihnen vor wegen eines ausgeprägten Hämatoms im Bereich des Oberschenkels; ein Trauma hat hier nicht vorgelegen. Wie reagieren Sie?
Antwort

Orale Gabe von Vitamin K, Kontrolle des INR-Werts so bald wie möglich.

Kommentar

Bei schweren, nicht beherrschbaren Blutungen muss u. U. mit Gerinnungsfaktor substituiert oder Frischplasma gegeben werden. Bei einem INR-Wert über 6 sollte in jedem Falle – auch wenn keine Blutung vorliegt – Vitamin K gegeben werden.

Kennen Sie neben den Blutungskomplikationen noch weitere unerwünschte Wirkungen von Phenprocoumon?
Antwort

Ja, insbesondere die Hautnekrose.

Kommentar

Nebenwirkungen einer Antikoagulanzienbehandlung:

  • Blutungen

  • Alopezie, nicht selten, früh auftretend

  • Phenprocoumon-Nekrose der Haut

Wie oft werden Kontrollen des INR-Werts durchgeführt?
Antwort

Abhängig von der Stabilität der Einstellung, meistens 14-tägig.

Kommentar

Länger als 4 Wochen sollten die Untersuchungen keinesfalls auseinanderliegen.

Wie wird die Wirkung der oralen Antikoagulation antagonisiert?
Antwort

Mit Vitamin K (z. B. Konakion®).

Cave

Eine Normalisierung ist frühestens nach 1 – 2 Tagen zu erwarten.

Welche Therapiemöglichkeiten der TVT bestehen bei Gravidität?
Antwort

In der Gravidität ist eine Behandlung mit Heparin zugelassen, allerdings nur mit unfraktioniertem Heparin.

Kommentar

Therapie der TVT in der Schwangerschaft:

  • Zugelassen ist nur unfraktioniertes Heparin,

  • nebenwirkungsärmer ist niedermolekulares Heparin.

  • Mögliches Vorgehen: Aufklärung der Patientin, dann Therapie mit niedermolekularem Heparin.

Merke

In der Gravidität ist nur unfraktioniertes Heparin zugelassen.

Wann beginnen Sie bei einer Schwangeren mit einer oralen Antikoagulation?
Antwort

Frühestens nach der Entbindung.

Kommentar

Orale Antikoagulation und Schwangerschaft:

  • Cave: Phenprocoumon ist teratogen, in der Schwangerschaft kontraindiziert!

  • Es tritt in die Muttermilch über.

  • ggf. Vitamin-K-Substitution beim Säugling

Sie sprachen vorhin von einer Thrombophilie. Was ist das?
Antwort

Ganz allgemein formuliert: Neigung zu Thrombosen.

Kommentar

Thrombophilie im engeren Sinne:

angeborene oder erworbene Störung der Blutgerinnung mit Thromboseneigung.

Kommt das häufig vor?
Antwort

Ja, mit angeborenen Gerinnungsstörungen ist in bis zu 20 % bei Thrombosepatienten zu rechnen.

Kommentar

Häufigste angeborene thrombophile Gerinnungsstörung:

APC-Resistenz (APC: aktiviertes Protein C).

Sollte man nicht bei jedem Patienten mit Thrombose nach einer Thrombophilie suchen?
Antwort

Eventuell ja, allerdings wäre das aufwendig. Man versucht, Risikopatienten zu identifizieren, insbesondere solche mit Rezidiven oder ungewöhnlichen Thromboselokalisationen.

Kommentar

Thrombophilie-Screening empfohlen bei:

  • Erstthrombose mit dem Vorliegen von weniger als 2 Risikofaktoren

  • Rezidivthrombosen

  • Thrombosen atypischer Lokalisation

  • familiärer Thrombosebelastung

  • Es besteht derzeit kein Konsens, wann eine Thrombophiliediagnostik zu erfolgen hat.

Sie erwähnten nicht das Lebensalter. Sollte man nicht besonders bei jungen Patienten suchen?
Antwort

Ja, schon. Allerdings sollte man beachten, dass die Inzidenz der APC-Resistenz im höheren Lebensalter steigt.

Cave

Die häufigste hereditäre Thrombophilieform zeigt eine steigende Inzidenz im Alter.

Welche Ursachen einer Thrombophilie berücksichtigen Sie bei einem Screening?
Antwort

Die APC-Resistenz, außerdem den Protein-C- und Protein-S-Mangel sowie im Zweifelsfalle auch seltenere Formen.

Kommentar

Angeborene und erworbene Thrombophilie:

  • APC-Resistenz

  • Protein-C-Mangel

  • Protein-S-Mangel

  • Prothrombinmutation

  • Faktor-V-Leiden-Mutation

  • Antiphospholipid-Antikörper

Bei einem 65-jährigen Patienten soll wegen eines Karzinoms eine Prostatektomie durchgeführt werden. Wie schätzen Sie das Thromboserisiko bei diesem Patienten ein?
Antwort

Hoch.

Kommentar

Einschätzung des Thromboserisikos bei internistischen Erkrankungen und chirurgischen Eingriffen:

  • Patientenbedingte Risiken:

    • Alter

    • Vorerkrankungen

  • Krankheitsbedingte Risiken:

    • Art der Erkrankung

    • Art des Eingriffs

    • Dauer der Immobilisierung

Welche Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe führen Sie durch?
Antwort

Frühmobilisierung, Antithrombosestrümpfe sowie Heparin subkutan.

Kommentar

Thromboseprophylaxe bei chirurgischen Eingriffen und internistischen Erkrankungen:

  • Frühmobilisierung, Krankengymnastik

  • Antithrombosestrümpfe

  • fraktioniertes Heparin subkutan

Welche internistischen Erkrankungen halten Sie für besonders riskant im Hinblick auf das Entstehen einer Thrombose im Krankenhaus?
Antwort

Den Myokardinfarkt und den Apoplex.

Kommentar

Thromboserisiko bei Myokardinfarkt:

20 – 30 %.

An welche Ursachen denken Sie bei Vorliegen einer Armvenenthrombose?
Antwort

An eine Kompression der V. axillaris von außen, an außergewöhnliche körperliche Belastungen des Armes sowie an einen ZVK.

Kommentar

Thrombose der V. axillaris oder V. subclavia, Paget-Schroetter-Syndrom:

  • Kompression von außen: meistens zwischen Schlüsselbein und 1. Rippe, außerdem Halsrippen, Scalenus-anterior-Syndrom u. a.

  • Überanstrengungsthrombose (Thrombose d’effort)

  • ZVK

Merke

Thromboserisiko bei Myokardinfarkt im Krankenhaus → 20 – 30 %.

Adaptiert nach: Berthold Block,

Facharztprüfung Innere Medizin,

3000 kommentierte Prüfungsfragen.

5., vollständig überarbeitete Auflage 2017

ISBN 9783 131 359 551