physioscience 2018; 14(01): 45-47
DOI: 10.1055/s-0044-100530
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Flossing auf Sprunggelenkbeweglichkeit, Sprung und Sprintleistung: Eine Follow-up-Studie

Tissue Flossing on Ankle Range of Motion, Jump and Sprint performance: A Follow-up Study
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Publication Date:
06 March 2018 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund

Flossing beinhaltet das Umwickeln eines Gelenks oder Muskels mit einem dicken Gummiband (Floss-Band). Danach wird das Gelenk über einen Zeitraum von 1 – 3 Minuten bewegt. Die physiologischen Erklärungsmodelle können denen einer ischämischen Präkonditionierung oder eines Blutflussrestriktionstrainings ähnlich sein, wobei die Reperfusion von Blut in die okkludierte Region mit nachfolgenden Zunahmen der Wachstumshormons- und Katecholaminantworten, verstärkter Muskelkraft und Kontraktilität in der Skelettmuskulatur einhergehen könnte [5] [8].

Eine frühere Studie zeigte bei 52 Freizeitsportlern die Wirkung von Flossing nach einer Sprunggelenk-Floss-Bandanlage aufgezeigt [1]. Dabei traten 5 Minuten nach Entfernen des Floss-Bandes signifikante Effekte (p < 0,05) in einer um 6 % verbesserten Dorsalextension, einem um 14 % verbesserten Weight-Bearing-Lunge-Test und einer um 6 % verbesserten Sprunggeschwindigkeit im Vergleich zum Kontrollbein auf. Bis dato gab es nur noch eine weitere Studie, die den Effekt von Flossing untersuchte [4]. Plocker et al. [4] fanden jedoch keine durch Flossing hervorgerufenen Effekte.

Es ist relativ unsicher, wie lange mögliche Vorteile von Flossing anhalten können, wobei den Praktikern nur begrenzte Informationen zur Verfügung stehen. So ist z. B. nicht bekannt, ob Flossing einen Zusatznutzen hat, wenn es vor dem Training angelegt wird, um in ein Warm-up-Programm integriert zu werden, wenn die Effekte nur ca. 5 Minuten andauern. Da trotz einiger positiver Befunde der Vorstudie [1] bisher wenig Forschungsliteratur existiert, erfordert die Modalität weitere diesbezügliche Untersuchungen.


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Ziel

Basierend auf einer früher publizierten Arbeit von Driller und Overmayer [1] war das Ziel dieser Studie, die Anwendung von Flossing auf die Sprunggelenkgelenkbeweglichkeit (im Talokruralgelenk), Sprung und Sprintleistung zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Anwendung von Floss-Bands bei Freizeitsportlern zu untersuchen.


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Methode

In die Studie wurden 69 Freizeitsportler (37 Frauen, 32 Männer) mit einem Durchschnittsalter von 19 ± 2 Jahre eingeschlossen und zufällig in die Flossing- (N = 38) oder Kontrollgruppe (N = 31) aufgeteilt. Nach der Baseline-Messung führten alle Probanden ein 5-minütiges Warm-up durch. Der Flossing-Gruppe wurde anschließend an beiden Sprunggelenken ein Floss-Band angelegt. Beide Gruppen bewegten ihre Sprunggelenke aktiv über einen Zeitraum von 2 Minuten.

Die Postmessungen erfolgten nach 5, 15, 30 und 45 Minuten. Als Zielparameter wurden der Weight-Bearing-Lunge-Test (WBLT) in cm, Counter-Movement-Jump-Test (CMJ) in cm und die Sprintzeit in Sekunden nach 5, 10 und 15 m gemessen.

Die statistische Auswertung erfolgte mittels SPSS 22.0. Um Therapieeffekte zu erheben, wurde eine zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholungen angewendet. Die Effektstärke wurde nach Cohen’s d ermittelt und die statistische Signifikant auf p < 0,05 festgelegt.


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Ergebnisse

Es ergaben sich keine Zwischengruppeneffekte, jedoch fanden sich signifikante Effekte für den WBLT nach 5, 15, 30 und 45 Minuten (p < 0,05; d = 0,15 – 0,18). Für den CMJ und den Sprint zeigten sich keine signifikanten Effekte innerhalb der Gruppen. Die Effektstärke fiel zugunsten der Flossing-Gruppe für den CMI nach 30 (d = 0,32) und 45 Minuten (d = 0,21) klein aus. Die Effektstärke der Sprinttestungen lag bei allen Messpunkten (5, 10 und 15 m) im Bereich d = –0,21 bis –0,27.


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Diskussion

Die Studie stellte einen positiven Trend für die Nutzung des Floss-Bands am Sprunggelenk zur Verbesserung der Sprunggelenkbeweglichkeit, des CMJ und der Sprintleistung über 15 m bei 69 Freizeitsportlern über einen Zeitraum von 45 Minuten fest. Die Ergebnisse untermauern die der Vorgängerstudie von Driller und Overmayer [1].

Als Erklärungsmodell dienten Okklusionsverfahren, wie z. B. Blutdruckmanschetten oder Druckverbände aus anderen Studien [3] [8]. So berichteten Takarada et al. [8] einen signifikanten Anstieg von Wachstumshormonen und einen signifikant erhöhten Noradrenalinspiegel nach der Unterschenkel-Applikation eines Druckverbands. Morales et al. [3] postulierten, dass ein erhöhter Noradrenalinspiegel mit einer verbesserten vertikalen Sprungleistung assoziiert werden kann.

Die Verbesserung der Sprunggelenkbeweglichkeit wird damit erklärt, dass nach der Abnahme des Floss-Bands eine verbesserte Gelenkschmierung durch eine Durchblutungszunahme erfolgte. Dies wiederum führte zu einer verbesserten Sprunggelenksgelenkbeweglichkeit.

Die Ergebnisse können für Praktiker positive Auswirkungen bedeuten, wenn die Sprunggelenktechnik für das Aufwärmprogramm vor dem Training in Betracht gezogen wird. Bekanntermaßen stellt eine gute Dorsalflexion eine wichtige Komponente für die Absorption von Druckbelastungen nach einer Sprunglandung dar. Des Weiteren ist eine reduzierte Sprunggelenksbeweglichkeit ein Risikofaktor für die Entstehung von Tendopathien an der Patella und Verletzungen der unteren Extremität bei Sportlern.

Zukünftige Studien sollten das Flossing an verschiedenen Gelenken bei Hochleistungssportlern untersuchen. Zudem sollten auch Langzeitstudien durchgeführt werden.

Als eine Schwäche der Studie gilt das Fehlen einer Placebo-/Sham-Gruppe. Es ist nicht auszuschließen werden, dass durch das Anlegen des Floss-Bands ein psychologischer Vorteil entstanden ist. Jedoch lässt sich eine Placebo-Bedingung für Flossing-Interventionen nicht einfach herstellen. Daher empfiehlt es sich für zukünftige Studien, verschiedene Druckniveaus der Flossing-Bänder zu untersuchen. Hierfür wäre ein Crossover-Design ein geeignetes Mittel, um Drücke, wie z. B. < 50 mmHg, 100 mmHg, 150 mmHg, > 200 mmHg zu bestimmen.


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Schlussfolgerung

Die Studie erweitert die Erkenntnisse aus der Vorstudie, indem sie aufzeigt, dass eine Floss-Band-Anlage am Sprunggelenk die Sprunggelenkbeweglichkeit-, Sprung- und Sprintleistung bis zu 45 Minuten nach dem Entfernen der Floss-Bands verbessern kann. Zukünftige Studien sollten erforschen, ob dieselben Ergebnisse bei Hochleistungssportlern nachweisbar sind.


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  • Literatur

  • 1 Driller MW, Overmayer RG. The effects of tissue flossing on ankle range of motion and jump performance. Phys Ther Sport 2017; 25: 20-24
  • 2 Haarer-Becker R. Nun also Flossing. physiopraxis 2015; 13: 3
  • 3 Morales AP, Sampaio-Jorge F, da Cruz Rangel LF. Heart rate variability responses in vertical jump performance of basketball players. Int J Sports Sci 2014; 4: 72-78
  • 4 Plocker D, Wahlquist B, Dittrich B. Effects of tissue flossing on upper extremity range of motion and power. International Journal of Exercise Science: Conference Proceedings 2015; 12: Art. 13
  • 5 Reeves GV, Kraemer RR, Hollander DB. et al. Comparison of hormone responses following light resistance exercise with partial vascular occlusion and moderately difficult resistance exercise without occlusion. J Appl Phys 2006; 101: 1616-1622
  • 6 Rogan S, Hilfiker R, Schenk A. et al. Effects of whole-body vibration with stochastic resonance on balance in persons with balance disability and falls history – a systematic review. Res Sports Med 2014; 22: 294-313
  • 7 Schulz KF, Altman DG, Moher D. CONSORT 2010: Aktualisierte Leitlinie für Berichte randomisierter Studien im Parallelgruppen-Design. DMW 2011; 136: e20-e23
  • 8 Takarada Y, Nakamura Y, Aruga S. et al. Rapid increase in plasma growth hormone after low-intensity resistance exercise with vascular occlusion. J Appl Phys 2000; 88: 61-65
  • 9 Tonelli MR. The limits of evidence-based medicine. Respir Care 2001; 46: 1435-1440