Fortschr Neurol Psychiatr 2018; 86(03): 145
DOI: 10.1055/s-0044-101112
Fokussiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Langzeitwirksamkeit von Expositionsbehandlung bei anhaltender Trauerstörung

Contributor(s):
Bernd Lenz
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Publication Date:
05 April 2018 (online)

Nach einem Todesfall entwickeln bis zu 7 % der Betroffenen prolongierte Trauersymptome mit hoher Krankheitslast. Es gibt einige empirische Belege für die Wirksamkeit von kognitiver Verhaltenstherapie bei anhaltender Trauerstörung. Die Langzeiteffekte solcher Interventionen sind bisher jedoch nicht ausreichend systematisch beforscht. Richard A. Bryant und Kollegen analysieren in der hier referierten Follow-up-Untersuchung zur Bryant et al. (2014) Studie die Effekte von Expositionsbehandlung in Kombination mit kognitiver Verhaltenstherapie bei anhaltender Trauerstörung im 2-Jahresnachbeobachtungsintervall.

In den Jahren 2007 bis 2010 wurden 80 ambulante Patienten mit anhaltender Trauerstörung an der Universität von New South Wales in Australien rekrutiert. Die Diagnose und die Schwere der Symptome wurden mit dem Complicated Grief Assessment und dem Inventory of Complicated Grief erfasst (u. a. Trennungsschmerz; Schwierigkeiten, den Todesfall zu akzeptieren; emotionales Taubheitsgefühl; Verbitterung; Schwierigkeiten, wieder im Leben anzukommen; Ziel- und Sinnlosigkeit; funktionelle Einschränkung). Einschlusskriterium war ein Todesfall mindestens 12 Monate vor Aufnahme in die Studie. Patienten mit Begleiterkrankungen wie Psychose in der Anamnese, einer Borderline -Persönlichkeitsstörung oder schwerer Suizidalität wurden ausgeschlossen.

Alle Studienteilnehmer erhielten 10 wöchentliche, 2-stündige, kognitiv-verhaltenstherapeutische Gruppensitzungen (u. a. Psychoedukation, kognitive Umstrukturierung, Rückfallprophylaxe) sowie 4 1-stündige Einzelsitzungen. Nach Stratifizierung entsprechend Geschlecht und Trauerschwere erhielten 41 Patienten in den Einzelsitzungen eine Expo-sitionsbehandlung mit Imagination des Todesfalls und wurden mit den anderen 39 Teilnehmern verglichen, die unter-stützende Einzelgespräche gleicher Dauer erhielten. Primärer Endpunkt war die Schwere der Trauerstörung nach 2 Jahren. Nur 76 % der Teilnehmer schlossen die Behandlung ab und lediglich 51 % nahmen an der 2-Jahresnacherhebung teil.

Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen Studienpatienten, die an der 2-Jahresnacherhebung teilnahmen, und denjenigen, die nicht kontaktiert werden konnten, in Bezug auf Alter, Zeit seit dem Todesfall, initiale Trauerschwere, Anzahl der Bildungsjahre oder Erwartungen an die Behandlung. Als Hauptergebnis der intention-to-treat-Analyse zeigte sich für den Zeitraum von vor der Behandlung bis zum 2-Jahrenachbeobachtungszeitpunkt ein signifikanter Vorteil in Bezug auf die Schwere der Trauersymptomatik für die Kombination aus kognitiv-verhaltenstherapeutischer Gruppenbehandlung mit Expositionsbehandlung im Vergleich zur Kombination mit unterstützenden Gesprächen (Zeit x Behandlung im hierarchischen linearen Modell, B = -0,63 [95 % Konfidenzintervall -1,14 bis -0,12]). Unter denjenigen, die das 2-Jahres-Follow-up abschlossen, erfüllten zum 2-Jahresnachbeobachtungszeitraum signifikant weniger in der Kombinationsgruppe mit Exposition (17,4 %) die Kriterien für eine anhaltende Trauerstörung im Vergleich zur Gruppe mit supportiver Therapie (50,0 %).