JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2018; 07(02): 50-51
DOI: 10.1055/s-0044-101126
Kolumne
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

# Kolumne

Heidi Günther
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Publication Date:
06 April 2018 (online)

Das Internet ist für uns alle Neuland.

(Angela Merkel (* 1954), deutsche Bundeskanzlerin)

Ich bin ja manchmal ein bisschen stolz auf mich. Als vor Jahren bei uns im Krankenhaus die papierlose Station eingeführt, also die gesamte Patientendokumentation digitalisiert wurde, hatte ich schon meine Bedenken, ob ich das jemals packen würde. Aber dann ging es doch deutlich stressfreier, als ich mir das je vorgestellt hatte. Heute habe ich schon fast vergessen, wie es ist, alle nötigen Dinge handschriftlich festzuhalten. Obwohl, eine Alltagssituation auf Station gibt es doch noch, bei der ich an Altbewährtem festhalte. Während unsere Ärzte bei den Visiten tapfer mit dem Laptop arbeiten, stehe ich mit meinem Klemmbrett daneben und schreibe alle Informationen, Anordnungen und was es sonst noch so gibt schnöde mit Kugelschreiber auf Papier mit.

Mit dieser Kolumne wollte ich nun endlich mal ganz auf der Höhe der Zeit sein. Aber, wie so oft, war es wieder einmal nichts. Bis gerade eben habe ich nämlich geglaubt, dass der oder die oder das Hashtag eine Erfindung der neuesten Zeit sei. Aber nein, die Raute gibt es in der Kommunikation in den sozialen Netzwerken schon seit mehr als zehn Jahren. In meinem Fall hat diese Ignoranz oder bestenfalls Unkenntnis der Dinge nicht viel zu sagen. Denn bis vor zwei Jahren hatte ich ja nicht einmal ein Handy.

Ja, ich weiß, junge oder ganz junge Kollegen werden jetzt mit den Augen rollen oder müde lächeln. Das stört mich aber nicht weiter, denn dieser Umstand hat in meinem täglichen Umfeld über Jahre hinweg die ganze Bandbreite an Gefühlen hervorgebracht. Von Erstaunen bis Entsetzen, von Mitleid bis zu tiefster Ungläubigkeit. Irgendwann musste ich dann doch kapitulieren und bekam von meinem Sohn – nicht dass dieser mich vorher gefragt hätte – zu Weihnachten ein solches Gerät im sehr schicken Lederetui geschenkt. Pfiffigerweise hatte er mir das auch schon nach meinen vermeintlichen Bedürfnissen eingerichtet, und um mir das Paket noch schmackhafter zu machen, trägt er auch alle auflaufenden Kosten.

Nun habe ich also dieses Ding, und ich muss leider feststellen, dass ich es nicht missen möchte. Erstaunlicherweise nutze ich auch einige Apps. Wetter, Internet, Foto, YouTube und ähnlich unspektakuläre Dienste. Allerdings wachse ich damit weit über meine Möglichkeiten hinaus, wenn man bedenkt, dass ich meine eigene Rufnummer bis heute nicht flüssig aufsagen kann, ohne nachzusehen. Ich muss aber auch feststellen, dass das Wenigste, was ich mit meinem Handy mache, ist: telefonieren. Das finde ich wiederum auch ein bisschen absurd. Sehr aktiv bin ich zum Beispiel bei WhatsApp. Ich kommuniziere viel, bin sogar in zwei Gruppen und habe gelernt, Fotos zu verschicken. Jetzt schreibe ich ja, wie man sich unschwer denken kann, eigentlich sehr gern und mache daher auch vor episch langen WhatsApp-Nachrichten nicht halt. Enttäuschend ist für mich dann oft die Reaktion respektive Antwort auf meine geistigen Ergüsse. Während ich immer brav mit einer freundlichen Ansprache beginne und mit lieben Grüßen ende, frühstückt mich selbst mein bester Freund häufig mit einzelnen oder diversen Emojis ab. Als Ausdruck größter Heiterkeit oder Verständnis kommt dann schon mal eine ganze Reihe Tränen lachender oder verständlich schauender Smileys an. Na, vielen Dank auch!

Seit geraumer Zeit allerdings hadere ich ein bisschen mit mir. Sollte ich vielleicht den Sprung zu Facebook, Twitter oder Instagram wagen? Inspiriert wurde ich – und das ist eigentlich ein bisschen peinlich – durch Donald Trump. Ständig hört und liest man über seine verbalen Entgleisungen auf den jeweiligen Portalen. Es entsteht fast der Eindruck, der Mann regiere via Social Network. Ich möchte auch an den sogenannten „Twitterperlen“ teilhaben. Erst gestern hat eine Freundin mir, nachdem mehrere Insassen einer Berliner Haftanstalt das Weite gesucht haben, folgenden Tweet (oder war es ein Post?) eines wildfremden Menschen weitergeleitet: „Dit is ja wieder so was von typisch Berlin, wa? Beim BER meckern sie rum, aber wenn die JVA Plötzensee öffnet, is auch wieder nicht richtig!“ Fand ich sehr witzig! Leider bin ich immer auf die Gunst von Freundinnen oder Freunden angewiesen. Zum Glück oder auch nicht finden die Tweets von Herrn Trump in allen Nachrichten Erwähnung.

Zunächst habe ich mit meinem Sohn telefoniert. Das war wenig ergiebig, von viel Ungläubigkeit ob meiner Unkenntnisse begleitet, und endete mit einem lang gezogenen „Mutter, das weiß man doch!“. Nein, weiß ich nicht! Dabei hätte ich noch so viele Fragen gehabt. Zum Beispiel, was ist das eigentlich mit diesem „Hashtag“? Wer setzt es wann, wo und warum ein?

Was bleibt also wieder einmal? Recherche! Ich habe viel gelesen, gelernt und gestaunt. Gelernt habe ich – und das hätte man mir ja auch gleich sagen können –, dass diese Raute nichts weiter als eine Verschlagwortung ist und Projekte oder Meinungen kennzeichnet. Wer sie nicht benutzt, ist nicht up to date. Sie ist gewissermaßen ein neuer Slang im Netz. Leider und wie fast immer mit allem Neuen wird dieses Zeichen sehr inflationär gebraucht. Das ganze Leben wird irgendwie verhashtagt, und wirkliche wichtige Schlagworte gehen dabei ein bisschen unter.

Unter #Pflege habe ich zum Beispiel Folgendes an fast erster Stelle gefunden: #Kasack #Krankenschwester #Pflege #Berufsbekleidung #Berufskleidung #Nurse. Da kann ich nur sagen, dass im Stationsalltag mein Kasack mein kleinstes Problem ist. Ich hätte #Pflegenotstand oder #Dreischichtarbeit oder #Stellenplanberechnung oder #Vergütungsstufen oder Ähnliches erwartet. Aber ich weiß ja zum Glück, dass ich nur die Raute weglassen muss, und schon finde ich die für mich wichtigen Informationen.

In diesem Sinne

Ihre
Heidi Günther