Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1999; 34(9): 588-590
DOI: 10.1055/s-1999-10836-5
ASTRACTS
Georg Thieme Verlag Stuttgart ·New York

Perforation der Trachea nach problemloser orotrachealer Intubation

A. Krieghoff1 , B. Wiedemann1 , R. Haupt2 , A. Skuballa3
  • 1Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie
  • 2Institut fiir Pathologie und Tumordiagnostik
  • 3Klinik für Thoraxchirurgie des Städtischen Klinikums „St. Georg” Leipzig
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Publication Date:
28 April 2004 (online)

Trotz großer Fortschritte in unserem Fachgebiet bleibt ein anästhesiologisches Restrisiko immer bestehen. Der Intubationsvorgang selbst ist in der Hand des geübten Anästhesisten zwar ein Routinevorgang, ist aber - wenn auch im geringen Ausmaß - mit einer Reihe von Komplikations- und Verletzungsmöglichkeiten verbunden. So sind in der Literatur Verletzungen der Trachea durch Führungsstab, Tubussporn oder Überblähung des Cuffs beschrieben. Häufig stehen solche Komplikationen im Zusammenhang mit einer schwierigen Intubation. Im folgenden wird über eine Perforation der Trachea nach problemloser orotrachealer Intubation berichtet. Kasuistik: Bei einer 77jährigen Patientin (ASA-Risiko 3) war die operative Entfernung eines Rektumkarzinoms geplant. Als Nebendiagnosen bestanden eine chronische Bronchitis und eine manifeste pulmonale Hypertension. Die Anästhesie lag in den Händen eines routinierten Anästhesisten. Die Narkoseeinleitung wurde mit 300 mg Thiopental, 0,1 mg Fentanyl und 6 mg Pancuronium durchgeführt. Mit dem Laryngoskop ließ sich der Larynxeingang auf Anhieb vollständig einstellen. Das Einführen des verwendeten „Brandt”-Tubus (ID: 7,0 mm) gelang mühelos. Der sogenannte „Brandt”-Tubus (Fa. Mallinkrodt) hat an Stelle des Pilotballons einen wesentlich größeren Ballon, der als Druckausgleichsreservoir dient und eine Überblähung des Cuffs, z. B. durch N2O-Diffusion, verhindern soll. Zunächst war aufällig, daß sich der Tubus nicht dicht blocken ließ. Deshalb wurde dieser entfernt und ein größerer „Brandt”-Tubus (ID: 7,5 mm) ebenfalls wieder problemlos in die Trachea eingeführt. Um Abdichtung zu erzielen, mußte dieser allerdings bis zur 25 cm-Marke vorgeschoben werden. Die Spitze des entfernten Tubus war blutig tingiert. Ein Führungsstab wurde nicht benutzt. Etwa 10 min nach der Intubation entwickelte die Patientin an der rechten Halsseite ein Hautemphysem. Die Röntgenaufnahme des Thorax zeigte ein Weichteilemphysem im rechten Halsbereich, Lungen und Herz waren unaufällig. Mit einem flexiblen Bronchoskop wurde über den liegenden Tubus die Trachea inspiziert. Hierbei fand sich ein ca. 4 cm langer bis kurz vor die Carina reichender Einriß der Pars membranacea. Die Patientin wurde von dem hinzugezogenen Thoraxchirurgen unverzüglich thorakotomiert und der Einriß der Trachea übernäht. Von der Operation des Rektumkarzinoms wurde zunächst Abstand genommen. Postoperativ verlegten wir die Patientin auf unsere Intensivtherapiestation, wo 2 Tage später die Extubation erfolgte. Der weitere Verlauf gestaltete sich problemlos. Eine Kontrollbronchoskopie nach 13 Tagen zeigte eine glatt verheilte Trachealwunde bei insgesamt engem Tracheobronchialsystem. 24 Tage nach der Erstoperation erfolgte wieder eine Intubationsnarkose von dem selben Anästhesisten zur primär geplanten Operation des Rektumkarzinoms. Intubation und Beatmung bereiteten keine Probleme. Die Trachea blieb jetzt unbeschädigt. Allerdings kam es intraoperativ zu einer Kreislaufinstabilität und postoperativ zum Auftreten unbeherrschbarer Herzrhythmusstörungen, in deren Folge die Patientin am nächsten Tag verstarb. Bei der durchgeführten Obduktion wurde auch die Trachea gründlich untersucht. Es zeigte sich eine gut verheilte schmale Narbe an der Stelle der ehemaligen Verletzung. In mehreren Schnitten durch die Trachealstriktur fanden sich Knorpelspangen mit ausgeprägter Chondropathie in Form von spangenförmigen Verkalkungen. Außerdem erfolgten weitergehende postmortale Untersuchungen am Bronchialsystem. Nach Einführung eines endotrachealen Tubus (ID: 8,0) kam es bei schlagartiger Blähung des Cuffs mit hohem Druck (ca. 120 cm Wassersäule) zu einem frischen Einriß der Trachealschleimhaut in Höhe des Cuffs. Diskussion: Die Trachealruptur durch Intubation stellt eine seltene aber lebensbedrohliche Komplikation dar. Meist handelt es sich bei schwierigem Intubationsvorgang um Verletzungen durch einen herausragenden Führungsstab oder durch den Sporn eines Doppellumentubus. Eine Vorschädigung des Tracheobronchialsystems, z. B. bei chronischer Bronchitis oder Verkalkung der Knorpelspangen mit damit verbundenem Elastizitätsverlust, könnte „begünstigend” für ein solch fatales Ereignis sein. Auch eine exzentrische Entfaltung der Tubusmanschette oder exzessive Manschettenblockung sind als Auslöser fiir eine Trachealverletzung beschrieben. Im vorliegenden Fall wäre ein zu hoher Cuffdruck als wahrscheinliche Ursache für den Einriß der Pars membranacea zu diskutieren, der durch eine unbeabsichtigte Kompression des Blockungsreservoirs des benutzten „Brandt”-Tubus zustande gekommen sein könnte, z. B. durch Manipulationen von Kopf oder Schulter des Patienten. Darüber hinaus könnte die postmortal nachgewiesene „Starrheit” der Trachea durch knorplige Verkalkungen das Bersten der Trachealhinterwand gefördert haben. Eine mechanische Verletzung der Trachea durch den Intubationsvorgang scheidet nach den vorliegenden Gegebenheiten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus. Von den typischen Symptomen einer Trachealruptur - Hautemphysem, Beatmungsprobleme, Pneumothorax sowie Mediastinalemphysem - die unter Umständen erst nach einer Latenzzeit von mehr als 24 Stunden sichtbar werden, führten im vorliegenden Fall die beiden zuerst genannten Zeichen bereits nach 10 min zum Verdacht einer Trachealverletzung, die dann schließlich durch die unmittelbar durchgeführte Tracheoskopie gesichert wurde. Die blutig tingierte Spitze des entfernten Trachealtubus könnte ebenfalls als Hinweiszeichen für eine Schleimhautverletzung der Trachea angesehen werden. Auch die Thoraxröntgenaufnahme zeigte Hinweise auf eine Verletzung im Tracheobronchialsystem. Wir halten bereits bei einem Verdacht einer Trachealverletzung eine thoraxchirurgische Konsultation für unabdingbar, da dieser Fachspezialist über das weitere Vorgehen entscheiden muß. Dabei steht für uns außer Zweifel, daß bei einer solch großen Verletzung, wie hier aufgetreten, immer eine chirurgische Intervention erforderlich ist. 24 Tage nach chirurgischer Versorgung der Trachealruptur scheint bei einem glatten Heilungsverlauf (Tracheoskopiekontrolle!) eine normale „Belastung” der Trachea durch einen Tubus wieder möglich. Schlußfolgerungen: Verletzung der Trachealschleimhaut durch den Endotrachealtubus und das Intubationsmanöver können auch bei geübten Anästhesisten auftreten. Eine mögliche Ursache ist ein zu hoher Cuffdruck, der z. B. durch unbeabsichtigte Kompression von Druckausgleichsreservoiren (z. B. beim „Brandt”-Tubus oder „Hi-lo-Lanz”-Tubus) entstehen kann. Es stellt sich damit die Frage, inwieweit solche Spezialtuben mit Druckausgleichsreservoiren überhaupt noch verwendet werden sollen. Wir sind der Meinung, daß „normale” Tuben mit Niederdruckcuff eine ausreichende Sicherheit für die Trachealschleimhaut unter der Voraussetzung einer regelmäßigen Kontrolle des Cuffdrucks bieten.

DM A. Krieghoff

Städtisches Klinikum „Sankt Georg” Leipzig

Delitscher Straße 141

D-04129 Leipzig

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