Viszeralchirurgie 2000; 35(4): 241
DOI: 10.1055/s-2000-6909
EDITORIAL

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Stellenwert der Lymphadenektomie

H. Lippert
  • Klinik für Chirurgie, Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg
Further Information

Publication History

Publication Date:
31 December 2000 (online)

Seit fast 100 Jahren ist die Lymphadenektomie als erforderliche Maßnahme für eine Radikalität in der Tumorchirurgie in der Diskussion.

Moynihan postulierte bereits 1908 „The surgery of malignant disease is not the surgery of organs, it is the anatomy of the lymphatic system.”

Die Leitlinien zur Tumorchirurgie sehen für die meisten Tumoren des Gastrointestinaltraktes eine Lymphadenektomie zur Verbesserung der Langzeitprognose vor. Nur mit einer systematischen Lymphadenektomie, so belegen Studien, ist dies erreichbar.

Bekannt ist die kontroverse Diskussion um das Ausmaß der regionalen Lymphadenektomie beim lokalisierten nichtmetastasierten Adenokarzinom des Magens. Inwieweit eine limitierte Lymphadenektomie durch eine adjuvante Therapie zur besseren Prognose beiträgt, muss angezweifelt werden. Die Ergebnisse der Gastrointestinal Cancer Intergroup (Studie 116) belegen, dass eine unzureichende Lymphadenektomie (54 % weniger als D1 Lymphadenektomien) mit einer geringeren 3-Jahres-Überlebenszeit einhergehen. Selbst die zusätzliche Strahlen-Chemotherapie kann nicht die Ergebnisse einer konsequenten D1- und D2-Lymphadenektomie erreichen. Statistisch signifikant sind die Differenzen hinsichtlich der postoperativen Komplikationen in Abhängigkeit vom Ausmaß der Lymphknotendissektion in einer niederländischen Studie.

Nicht alle Magentumoren weisen Lymphknotenmetastasen auf. Intestinale Stromatumoren (GIST) weisen extrem selten Lymphknotenmetastasen auf. Eine Assoziation zur hämatogenen Fernmetastasierung mit der Größe der Tumoren ist nachweisbar. Die histologische Aufarbeitung von dem Tumorresektat anhängender Lymphknoten ergab in keinem Fall eine Tumorabsiedlung. Hier ergibt sich nach bisheriger Auffassung allenfalls eine Konsequenz für eine tumornahe Lymphadenektomie. Bei dieser Tumorart ergibt sich hinsichtlich der TNM-Klassifikation eine Unsicherheit, die sich allerdings in der therapeutischen Vorgehensweise fortsetzt.

Die erweiterte Lymphadenektomie wird beim Pankreaskarzinom von einzelnen Arbeitsgruppen nicht als zusätzliches Risiko angesehen. Die Überlebensrate wird jedoch durch die erweiterte Lymphadenektomie auch nicht beeinflusst.

In gleicher Weise gilt diese Erkenntnis für das Gallenblasenkarzinom. Eine regionale und paraaortale Lymphadenektomie schafft bei fortgeschrittenen Tumoren keine Lebensverlängerung.

Die kaskadenförmige Metastasierung nach kranial beim Rektumkarzinom belegt, dass für die Chirurgie die Anatomie der Lymphwege von wesentlicher Bedeutung ist.

Die totale mesorektale Exzision zur Behandlung des Rektumkarzinoms ist durch systematische Untersuchungen belegt. Eine zusätzliche Lymphadenektomie der pelvinen Region bei einem Tumorstadium III bringt hinsichtlich der Überlebensrate keinen signifikanten Vorteil. Die Lymphadenektomie und die histologische Untersuchung sind hier für die Entscheidung einer adjuvanten Therapie von Bedeutung.

Der Nachweis von disseminierten Tumorzellen in verschiedenen Organsystemen hat an Bedeutung gewonnen. Trotz kurativer Resektion liegt hier eine Tumorprogression vor. Diese Erkenntnis verlangt, weil sie offenbar prognoserelevant ist, eine Neubearbeitung der TNM-Klassifikation. Die histopathologische Untersuchung der Lymphknoten muss heute den Nachweis isolierter Tumorzellen in Lymphknoten führen. Studien sind erforderlich, um die prognostische Relevanz und die mögliche therapeutische Konsequenz zu bestimmen.

Die Frage der Lymphadenektomie und der histologischen oder immunhistochemischen Aufarbeitung und eine mögliche neue Form der adjuvanten Therapie ist aktuell.

Dieses Themenheft soll die Diskussion anregen.

Prof. H. Lippert

Klinik für Chirurgie Medizinische Fakultät Otto-von-Guericke-Universität

Leipziger Straße 44

39120 Magdeburg

    >