ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2003; 112(9): 363
DOI: 10.1055/s-2003-42544
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Bunte Zöpfe

Cornelia Gins
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Publication Date:
25 September 2003 (online)

Nun ist die neue Gesetzesvorlage ja mehr oder weniger in Sack und Tüten. Es wird allgemein Konsens signalisiert, einige maulen wie immer, aber das ist normal. Einig ist man sich auch, dass der große Wurf nicht dabei ist, allerdings wird von jeder politischen oder auch berufsständischen Fraktion der „große Wurf” anders definiert. Einigkeit herrscht ferner in der weitläufigen Meinung der Medien und natürlich der Bürger, dass die Belastungen wieder einmal nur die Schwachen im System treffen, das ist ebenfalls wie immer also auch normal.

Nicht normal ist es allerdings, dass es offensichtlich keiner unserer Standesvertretungen bis dato gelungen ist, der Öffentlichkeit klar zu machen, dass die Ärzteschaft seit Jahren mit Honorareinbußen lebt, damit dieses marode System bis jetzt überhaupt einigermaßen über Wasser gehalten werden konnte.

Wie dem auch sei, die Spitzen der Parteien zeigten sich zufrieden, allerdings hätten sich einige mehr Wettbewerb unter den Leistungserbringern und -anbietern gewünscht. Mit dieser Formulierung habe ich ein Problem. Ich wehre mich schlicht dagegen, meine ärztliche Tätigkeit auf die eines Leistungsanbieters oder -erbringers zu reduzieren. Aus den Diskussionen der letzten Wochen und Monate wurde immer wieder deutlich, dass dem Wettbewerb eine entscheidende, steuernde Wirkung auf Kosten und Ausgaben zugerechnet wird. Nach dem Lexikon soll freier (!) Wettbewerb, wie er vom wirtschaftlichen Liberalismus konzipiert war, durch das freie Spiel der Kräfte einen Ausgleich der Einzelinteressen bei maximaler Güterversorgung für die ganze Volkswirtschaft herbeiführen. Klingt ja gut, aber wie immer gibt es wohl einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis.

Unter Umständen ist es mir ja entgangen, aber ich verstehe nicht, wie ich den Wettbewerb, wie auch immer er nun verstanden werden will, in die Ausübungen meiner ärztlichen Tätigkeit integrieren soll oder kann. Ist für mich der Wettbewerbsgedanke bei den Kassen oder der Pharmaindustrie noch gut nachvollziehbar, hätte ich für meine Praxis da ein Problem. Ist vielleicht gemeint, der Patient zahlt eine zahnfarbene Füllung und erhält dafür 2, oder wenn er sich neue Zähne machen lässt, bekommt er einen bestimmten Betrag für die alten zurückerstattet. Beim Auto- oder Möbelkauf ist dies ja eine ganz gängige Praxis. Oder bedeutet marktorientiertes Denken den Nachbarn über- oder unterbieten? - Natürlich könnte ich auch für das Geld, dass ich zurzeit erhalte, mehr Leistung und Service als der Mitbewerber anbieten (doch das ist sicherlich nicht gemeint).

Wettbewerb, das freie Spiel der Kräfte. Von der Politik immer wieder gern als Zauberwort für die Vorstellung des sich selbst bereinigenden Marktes benutzt. In der Gesundheitspolitik bereinigt sich auf diese Weise kein Markt. Das sieht das System gar nicht vor und war seinerzeit auch nicht dafür gedacht. Solange die alten Zöpfe immer nur rot, schwarz oder grün umgefärbt werden, wird aus dem Barbier kein Coiffeur.

Dr. med. dent. Cornelia Gins

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