Aktuelle Rheumatologie 2004; 29(6): 307
DOI: 10.1055/s-2004-813852
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

EditorialH. Thabe
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Publication Date:
14 December 2004 (online)

Die Indikationsstellung zur Endoprothesenversorgung an Hüft- und Kniegelenk ist zentrales Thema in der Versorgung von Patienten mit endzündlich rheumatischen Erkrankungen. Es sind dies tragende Gelenke; nach endoprothetischem Ersatz entscheidet deren Funktionieren weitreichend über die Mobilität und das Maß an Selbstversorgungsmöglichkeit der Patienten. Obwohl Hüft- und Knieprothesen heute als Standardversorgungen angesehen werden könnten, bleibt eine Versorgung rheumatischer Patienten wegen der schlechten Knochen- und Weichteilgewebequalität problematischer als beim Arthrosepatienten. Trotzdem sind die Ergebnisse aus unterschiedlichsten Gründen bei guten Versorgungen keinesfalls schlechter in den Langzeitprognosen als die bei arthrotischen Grunderkrankungen.

Der Erfolg dieser Versorgungen an Knie und Hüfte hat die Verbreitung dieser Operationsverfahren gefördert, die Patienten erleben im Alltag die Wertigkeit dieser Verfahren, die Indikationsstellung zur Operation an Hüfte und Kniegelenk ist heute sicher und an feste Kriterien gebunden.

Doch wie sicher und verlässlich sind die Indikationsstellungen an den anderen endoprothetisch versorgbaren Gelenken? Wann und wie sind sie versorgbar? Welche Kriterien sprechen für die Verwendung eben dieser oder jener Bau- und Verankerungsart von Prothesen? Sollte die Versorgung zementfrei sein oder schließen sich diese Verfahren bei schlechten Knochenverhältnissen ganz aus?

Der Zeitpunkt für eine Versorgung ist klarer zu definieren, wenn nur ein Gelenk befallen und derart zerstört ist, dass eine endoprothetische Versorgung infrage kommt.

Die rheumatischen Erkrankungen treten aber gehäuft symmetrisch oder polyartikulär auf - welches Gelenk sollte dann <!?breakb b16?>zuerst versorgt werden? In diesen Fällen wird der Operateur im Gespräch mit dem Patienten unter Berücksichtigung der Schmerz- und Befallsmuster die letzte Entscheidung fällen müssen.

Gelenkersatz ist im Allgemeinen ein Ersatz für die optimale Anlage eines Bewegungssystems. Mechanisch können Gleitpaarungen und Verankerungen perfektioniert werden und sind in immer gleichen Qualitätsstandards lieferbar. Unterschiede ergeben sich jedoch in der individuellen Anpassung an die pathologischen Verhältnisse unserer Patienten.

Gerade die Diskussion über die roboterassistierte Versorgung hat uns diese Problematik klar vor Augen geführt. Wir versorgen nicht nur das zerstörte knöcherne Gelenk. Wie kann ein Gelenk funktionieren, wenn seine Motoren, d. h. die Muskeln, nicht mehr ihren Dienst verrichten, sei aus operationstechnischen Gründen oder aus Gründen der weitgehenden entzündlichen Zerstörung oder langjährigen Funktionslosigkeit? Auch dies ist eine Frage der zeitgerechten Indikationsstellung für eine endoprothetische Versorgung.

Lastragende Gelenke sind gelenk- und bandgeführte Gelenke, wie das Hüft-, Knie, Sprung- oder auch das Ellenbogengelenk. In diesen Gelenken limitieren feste Bandführungen oder aber eingeschränkte Gelenkfreiheitsgrade die Bewegung und gewährleisten so die Stabilität.

Anders verhält sich die Situation bei Schulter- Hand- und bei den Fingergelenken. Hier sind funktionierende Motoren, wiederhergestellte Gleichgewichte im Gelenkspiel und reaktivierbare Muskelfunktionen von entscheidender Bedeutung. Korrigierbare Muskeldysbalancen entscheiden über das zu erwartende Operationsergebnis. Voroperationen mit Verklebungen und Kontrakturen lassen die Erfolgsquoten gerade an diesen Gelenken sinken.

Neuropathische Komplikationen und schwere Kontrakturen im Vorfeld der operativen Versorgungen stellen die Weichen für die Arthrodese, die, funktionell optimiert eingestellt, unter diesen Begleitumständen bessere Funktionsergebnisse erbringen kann. Im „Zeitalter der Endoprothetik” muss der Patient davon überzeugt werden.

Dr. med. H. Thabe

Diakonie Krankenhaus, Orthopädische und rheumatologische Abteilung

Ringstraße 58 - 60

55541 Bad Kreuznach

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