Geburtshilfe Frauenheilkd 2004; 64(9): 889-890
DOI: 10.1055/s-2004-821252
Editorial

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fortschritt ermöglichen - Grenzen erkennen: Der 55. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe

Make Progress Possible Acknowledge Limitations - 55th Congress of the German Association for Gynecology and ObstetricsK. Diedrich1 , R. Felberbaum1
  • 1Universitätsklinikum Schleswig-Holstein - Campus Lübeck, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
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Publication Date:
02 September 2004 (online)

Die Frage nach den Grenzen im Guten wie im Schlechten hat die Philosophie und Wissenschaft des Abendlandes immer und immer wieder beschäftigt. Auch fühlt sich der Arzt im Spannungsfeld zwischen seiner primären Verpflichtung dem ihm anvertrauten Patienten und der ethischen Verantwortung der Gesellschaft gegenüber häufig selbst an seine Grenzen herangeführt. Dabei scheint sich diese Problematik in vielen Fragestellungen gerade unseres Faches, der Gynäkologie und Geburtshilfe zu verdichten. Pränatale Diagnostik und pränatale Therapie, Präimplantationsdiagnostik und Schwangerschaftsabbruch, Reproduktionsmedizin und Forschung an embryonalen Stammzellen, onkologische Therapie zwischen Radikalität und Lebensqualität, Hormonersatztherapie und Malignomrisiko, optimale Betreuung kleinster Frühgeborener und lebenslange Morbidität, so vieles ist möglich geworden - soll aber auch alles, was machbar ist, in die Tat umgesetzt werden? Das Motto „Fortschritt ermöglichen - Grenzen erkennen“ zieht sich programmatisch durch den gesamten Kongress.

Mit allen aktuellen Entwicklungen der Frauenheilkunde und Geburtshilfe Schritt zu halten, ist selbst für den Experten ausgesprochen schwierig geworden. Enger als in anderen Bereichen der Medizin gilt es, den Dialog zwischen den niedergelassenen Frauenärzten, den Klinikern und den Grundlagenforschern voranzutreiben, und gemeinsam aktuelle Entwicklungen kritisch zu bewerten. Unsere Patientinnen und Patienten erwarten, dass neue gesicherte Erkenntnisse schnell in medizinische Maßnahmen einfließen. Diesem Ziel dienen die Plenarsitzungen mit ihren „Key-note-lectures“, Vorlesungen der reputiertesten, auch internationalen Vertreter unseres Faches, zu denen es wiederum keine Parallelveranstaltungen geben wird.

Prof. Robert G. Edwards, wissenschaftlicher Vater des ersten Kindes nach assistierter Reproduktion, wird in seiner Vorlesung „de finibus“ die wissenschaftlichen, aber auch ethischen Grenzen dieses noch jungen, aber sich stürmisch entwickelnden Teiles unseres Faches auszuloten versuchen.

Prof. Umberto Veronesi wird den „state of the art“ in diesem Teilbereich der gynäkologischen Onkologie, der in Zeiten von Disease Management Programmen (DMP) und der Entstehung von Brustzentren im Focus auch des gesundheitspolitischen Interesses steht, aufzeigen.

Prof. Carl Djerassi, dessen Forschungsergebnisse ganz wesentlich die orale Kontrazeption ermöglicht haben, wird über neue mögliche oder auch unmögliche Verhütungsformen bei Mann und Frau referieren.

Die Ultraschalldiagnostik ist heutzutage aus der Schwangerschaftsbetreuung nicht mehr wegzudenken. Prof. Manfred Hansmann, Nestor der Deutschen Pränataldiagnostik und Prof. Eberhard Merz werden die Entwicklungen und Erwartungen in der Pränatal- und Geburtsmedizin und ganz besonders die Bedeutung der Screeninguntersuchungen im ersten Trimester der Schwangerschaft darstellen.

Bei der Behandlung des Mammakarzinoms verschränken sich Onkologie und Endokrinologie. Prof. Walter Jonat obliegt die Darstellung der modernen endokrinen Behandlungsformen dieses Krankheitsbildes. Prof. Peter Dall wird über die translationale Forschung in der gynäkologischen Onkologie referieren.

In Absprache mit dem Berufsverband der Frauenärzte haben wir eine Programmstruktur entworfen, die es uns ermöglicht, einen schlanken Kongress auf höchstem Qualitätsniveau zu gestalten. Die schlanke Kongressstruktur wird genügend Zeit zu ausführlichen Diskussionen, auch im kleinen Kreis und zum Besuch der Industrieausstellung lassen.

Eine ganz wichtige Neuerung stellt dabei das „Forum des Frauenarztes“ dar. In insgesamt 6 Veranstaltungen dieser Programmreihe werden besonders für den niedergelassenen Frauenarzt hoch relevante Themen in die Präsentationen einfließen, deren Inhalte direkt in den klinischen Alltag umgesetzt werden können. Der direkten Vermittlung klinikrelevanter Inhalte dient weiterhin das Angebot von insgesamt 18 Kongresskursen und -Seminaren.

Die eingereichten Abstracts, mehr als 800 Stück an der Zahl, sind einem wirklichen Wettbewerb unterzogen worden. Um das Angebot an parallel stattfindenden Vortragsveranstaltungen auf ein Minimum zu beschränken, haben nur die am höchsten bewerteten Arbeiten Eingang in die Sitzungen der freien Vorträge Eingang gefunden. Die Kennzeichnung „best of the best“ ist diesen Vortragssitzungen also mit vollem Recht verliehen worden.

Diese Sitzungen sind wirkliche „Highlights“, die Qualität der zu präsentierenden Arbeiten bestechend. Sie könnten auf jedem internationalen Kongress bestehen. Es ist ohne Zweifel eine Auszeichnung, zu dem Kreis derer zu gehören, die an diesen Sitzungen teilnehmen können.

Die Postersitzungen des diesjährigen Kongresses unterscheiden sich von denen der vorangegangenen Kongresse. Thematisch sind sie den drei „Säulen“ des Faches zugeordnet worden, also der gynäkologischen Onkologie und operativen Gynäkologie, der gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin und der pränatalen Medizin und Geburtshilfe. Innerhalb dieser Themenschwerpunkte sind sie jedoch bewusst nicht streng Einzelthemen zugeordnet, sondern bieten eine interessante und abwechslungsreiche Mischung, so dass jede einzelne Posterbegehung von vorne herein vielfältig angelegt ist. Auch hinsichtlich der Bewertung der zu präsentierenden Arbeiten durch die Gutachter sind die Sitzungen gemischt. Arbeiten mit sehr hoher Punktzahl werden neben solchen mit schwächerer Punktzahl zu sehen sein. Dies gibt jeder vorstellenden Arbeitsgruppe die Möglichkeit, durch die Qualität des Posters und seiner Präsentation ggf. bestehende Schwächen des eingereichten Abstracts wieder auszugleichen. Wir haben alles getan, um den wissenschaftlichen Wettkampf um die ausgeschriebenen Posterpreise so offen wie möglich zu gestalten. Entscheidend wird im Endeffekt die Punktwertung durch die Moderatoren sein.

Jeder, der sich in diesen Dingen auskennt, weiß, dass die Vorbereitung eines hochwertigen Posters viel mehr Arbeitsaufwand verlangt als ein Kurzvortrag. Dieser Arbeitsaufwand ist bisher selten entsprechend honoriert worden. Das wird in Hamburg anders sein. Die Poster werden an zentraler Stelle über den gesamten Kongress hinweg ausgestellt sein. Jedes Poster wird mit einer eigenen Beleuchtung ausgestattet werden, um die Präsentation des jeweiligen Posters so optimal wie möglich zu gestalten. Die Posterbegehungen werden ohne jegliche Parallelveranstaltung unter der Leitung ausgewiesener Experten aus dem jeweiligen Fachgebiet moderiert und diskutiert werden. Wein und Käse sollen dazu beitragen, eine lockere Atmosphäre zu schaffen. Die besten Poster werden am Ende des Kongresses in einer eigenen Plenarsitzung nochmals mündlich präsentiert und prämiert werden. Wir freuen uns jetzt schon auf diesen wissenschaftlichen Wettkampf.

Wir hoffen sehr, eine ausgewogene Mischung aus wissenschaftlichem und klinischem Angebot gefunden zu haben, das Ihr Interesse finden möge. Wir haben uns größte Mühe gegeben, diesem Kongress den Charakter eines offenen Forums zu geben. Hier wird unsere Sache verhandelt, die aller Gynäkologinnen und Gynäkologen in Deutschland und ihrer Patientinnen. Wir hoffen sehr auf Ihre zahlreiche Teilnahme, und wir freuen uns schon heute, Sie in Hamburg begrüßen zu dürfen!

Herzlichst Ihre

Klaus Diedrich

Ricardo Felberbaum

Prof. Dr. med. Klaus Diedrich
Prof. Dr. med. Ricardo Felberbaum

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein - Campus Lübeck
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

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