ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2004; 113(5): 181
DOI: 10.1055/s-2004-828625
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Supermarkt Dentale

Cornelia Gins
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Publication Date:
26 May 2004 (online)

Der Famila-Supermarkt in Nienburg an der Weser bietet mehr als nur Schnäppchen. Neben allerlei Nützlichem für den Haushalt stehen nun seit dem Sommer 2003 hinter der Kasse 3 Schreibtische. Ein Hinweisschild klärt den Kunden auf: Rechtsberatung günstig. Rechtsberatung schnell. Rechtsberatung hier! In diesem Supermarkt hatte sich der erste deutsche Anwaltshop einer Kanzleikette eingerichtet. Eine Broschüre verspricht der Laufkundschaft, dass gutes Recht nicht teuer sein muss.

Anwälte werben im Supermarkt - das ist eine interessante Entwicklung. Auf dem Arbeitsmarkt kämpfen viele ums Überleben, sodass die Not auch Juristen erfinderisch gemacht hat. Einst geprägt von Traditionsbewusstsein und Standesdünkel, muss der Berufsstand nun erleben, wie um Marktanteile gekämpft werden muss. Vor 10 Jahren gab es rund 70000 Anwälte, heute sind es 127000. In Frankfurt kommen auf einen Anwalt 104 Einwohner. Auch der Kollege Computer ist zum Konkurrent geworden: Im Internet sollen Anwaltsgespräche simuliert dargestellt werden können, an deren Ende dann eine maßgeschneiderte Lösung angeboten wird. Ferner arbeitet das Bundesjustizministerium an einem Entwurf, das Monopol der Rechtsberatung zu kippen, das bis dato nur für Personen mit juristischem Examen möglich war. So könnten dann auch andere Berufsgruppen wie Steuer- und Unternehmensberater sich an dem Kuchen bedienen.

An 5 Standorten - unter anderem in einem Karstadt-Warenhaus in Berlin - soll das juristische Supermarktkonzept aufgehen. Die Anwaltskammer ist empört, vor allem weil die Diskretion nicht gewährleistet sei. Ein Kammervertreter zog sogar einen Vergleich zu den Jahrmärkten im Mittelalter, wo bekanntlich vor den Augen der Zuschauer die Zähne gezogen wurden ...

Damit sind wir beim Thema, entstehende Ähnlichkeiten wären nicht rein zufällig. Auch in unserem Berufsstand werden Korrosionen immer deutlicher. Der Wellness- und Beauty-Boom setzt auch in unseren Praxen neue Signale. Viele Kollegen hoffen in der plötzlich neu entstandenen Sparte die sinkenden Einnahmen kompensieren zu können. Doch gerade auf diesem Gebiet werden die Zahnärzte echte Konkurrenz von „Nichtfachleuten” bekommen: Kosmetik-, Nagelstudios und dergleichen haben inzwischen auch die Zähne für sich entdeckt. Zahnschmuck und Bleichen werden nicht mehr nur von zahnärztlicher Fachhand ausgeführt. Prophylaxeshops werden sich sicherlich, sofern es die Gesetzeslage erlaubt, nicht nur auf den Verkauf von Produkten beschränken.

Allerorten berichten Kollegen von einem massiven Patienteneinbruch in den Praxen. Vielleicht muss auch uns die Not erfinderisch machen. Schließlich haben auch Optiker ihre Filialen in Kaufhäusern. Warum also nicht die Kunden (der Patient ist ja schließlich zum Kunden mutiert) beim Bummel durch die Schmuck- oder besser Süßwarenabteilung von einer neuen zahnärztlichen Versorgung überzeugen? Zusammen mit den Juristen wären wir dann in guter Gesellschaft. Also auch bei uns bald Jahrmarktverhältnisse?? Dann allerdings müsste ich meine Einstellung zu meinem Beruf neu überdenken. Mit dieser Vorstellung von der Ausübung meiner zahnärztlicher Tätigkeit bin ich seinerzeit nicht ins Studium gegangen.

Dr. med. dent. Cornelia Gins

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