Balint Journal 2005; 6(3): 90-91
DOI: 10.1055/s-2005-873106
Tagungsbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Medizin von Menschen für Menschen - die 25. Balint-Studientagung in Würzburg vom 24. bis 28. November 2004 als eine beispielhafte Fortbildungsveranstaltung

G. Sutthoff
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Publication Date:
23 September 2005 (online)

55 Teilnehmer waren es, die sich im vergangenen Jahr aus Deutschland und dem nahen Ausland auf den Weg zur Balint-Studientagung in Würzburg machten. Ärzte aller Fachrichtungen, Psychotherapeuten, Psychoanalytiker und natürlich altbekannte Vertreter der Deutschen Balint-Gesellschaft kamen im traditionsreichen Hotel Rebstock und seinen gepflegten Räumlichkeiten sowie den gegenüberliegenden, schmucken Griesing-Häusern zusammen, um in Groß- und Kleingruppen, Leiter- und Supervisionsgruppen Balint-Arbeit zu betreiben.

Über den Sinn der Balint-Arbeit soll an dieser Stelle gar nicht lang diskutiert werden. Jeder, der sie erlebt hat, weiß, wovon die Rede ist, hat erfahren, wie bereichernd eine solche Arbeit ist. Der Referent erlebt am Gruppenprozess wie in einer szenischen Darstellung, welche bewussten und unbewussten Anteile die Arzt-Patient-Beziehung bestimmen, so dass sich ihm Erkenntnisse erschließen können darüber, welche Faktoren bisher positivere und heilsamere Einflüsse verhinderten. Ja, er kann dies regelrecht an Leib und Seele spüren! Und auch die übrigen Gruppenmitglieder können viele Parallelen mit eigenen Fällen erleben und für sich hilfreich nutzen - ganz abgesehen von dem Selbsterfahrungseffekt, den jeder Teilnehmer für sich insgeheim mitnehmen kann. Ganz wesentlich für das Gelingen der Balint-Arbeit sind klare zeitliche Strukturen, ungestörte Rahmenbedingungen und die Kontinuität der Gruppe.

Es sind viele Faktoren, die zusammenwirken, um eine Fortbildung wie die in Würzburg auch über die Sinnhaftigkeit der Balint-Arbeit hinaus zu einer Wohltat werden zu lassen.

Es beginnt damit, dass die Tagung langfristig eingeplant werden kann, denn der Vorstand der Deutschen Balint-Gesellschaft gibt sehr frühzeitig das Jahresprogramm heraus mit gleichbleibenden, reizvollen Tagungsorten.

So lässt sich das Würzburger Organisationsteam um Dr. Norbert Günzel und Dr. Johann Eichfelder das einladende Hotel Rebstock nicht nehmen. Mittwochsabends geht's los, das heißt für jeden, dass er nach der Vormittagssprechstunde gemütlich losfahren kann und rechtzeitig zur Begrüßung ankommt. Schon bei der Einschreibung ist die willkommen heißende Atmosphäre spürbar, zumindest ein kurzes persönliches Wort und ein freundliches Lächeln für jeden sind selbstverständlich. Viele, die Jahr für Jahr kommen, freuen sich über das Wiedersehen. Die gemeinsame Richtung wird klar, der gute Rahmen ist abgesteckt: Es geht um ein freundliches, kollegiales, effektives Miteinander. Die Einteilung in die Gruppen erfolgt unkompliziert. Insbesondere Erstteilnehmer werden mit wiederholten Informationstreffen bedacht. Im Ablauf der Tagung sind regelmäßige Zusammenkünfte und Rückmeldemöglichkeiten im Plenum, aber auch immer wieder kleine Zeiteinheiten eingestreut, in denen sich die Möglichkeit ergibt zu einem kurzen Plausch, zu einem Telefonat mit den Daheimgebliebenen, zum Bezug des Hotelzimmers etc. Eine über dreistündige Mittagspause gibt Gelegenheit, die unterfränkische Gastronomie zu genießen, Weihnachtseinkäufe zu erledigen, den Weihnachtsmarkt zu besichtigen, an einer Stadtführung teilzunehmen oder auch einfach nur ein ausgedehntes Mittagschläfchen zu machen, wie es im Berufsalltag nie möglich ist. Dafür geht es dann bis in den Abend hinein mit der Balint-Arbeit weiter, unterbrochen von einem köstlichen, gemeinsamen Buffet im Hotel Rebstock, gekrönt von einem abschließenden Vortag (in diesem Jahr gehalten von Paul Sackin, einem englischen Kollegen), einer Podiumsdiskussion (diesmal über psychotherapeutische Methodenvielfalt im stationären Bereich) oder dem Fest am letzten Abend.

Wie feiern sie, die Balint-Anhänger? Genüsslich! Es werden Köstlichkeiten gespeist, erlesene Rebsäfte der Region verwöhnen die Kehlen, und aus dem Kreis der Organisatoren und Teilnehmer stellt sich dann ein Programm zusammen mit Musik, Poesie und Lyrik. Da werden Duette geschmettert, rauchige Saxophon-Klänge erfüllen den schönen Raum, Lieblingskurzgeschichten werden vorgelesen, Gedichte rezitiert, und so manche bekannte Melodie erhält spontan einen neuen Text. So kommt die Botschaft an, dass Mensch-Sein nicht nur aus Arzt-Sein besteht, sondern dass dazu auch noch andere Elemente gehören müssen, die Lebensfreude erzeugen. Am nächsten Tag, dem abschließenden Sonntag, fällt der Abschied schwer. Noch einmal eintauchen in Fallarbeit, Resümee ziehen über das, was jeder für sich nach Hause mitnimmt, Adressen austauschen, Hände drücken und viele Umarmungen für den wohlmeinenden, offenherzigen und innigen Austausch, für die gegenseitige Hilfe, das Verständnis und die Anregungen. Viele kommen Jahr für Jahr wieder.

Solche Fortbildungen kommen ohne Powerpoint-System, ohne Mikrofon und Lautsprecher, ohne Pharma-Werbung oder Ähnliches aus. Stattdessen stehen z. B. im Hintergrund zwei große Ölbilder, die einer der Organisatoren ausgeliehen hat - zur Anregung, zum Gedankenschweifenlassen, zur Bereicherung.

Wohltuend - für wen ist eine solche Fortbildung wohltuend?

Für uns Ärzte und Therapeuten, für alle, die in helfenden Berufen tätig sind, z. B. auch für Lehrer und Erzieher, also für all diejenigen, die vom chronischen Burn-out-Syndrom, von Selbstverausgabung und ständiger Erschöpfung bedroht sind! Und damit sind solche Fortbildungen in zweiter Linie auch für die Patienten wichtig und für alle, die auf persönliche Kompetenz, Energie und Ausgeglichenheit von uns Ärzten und Psychotherapeuten sowie ähnlichen Berufen im sozialen Bereich angewiesen sind!

Und nicht genug des Guten! Belohnt wird eine solche Fortbildung durch reichen Fortbildungspunkte-Segen. Haben doch die Ärztekammern erkannt, dass kollegiale, zwischen-menschliche, mit-menschliche Fort-Bildung (alle Begriffe wörtlich zu nehmen!) wichtig ist und honoriert werden sollte.

Balint-Arbeit wird im Rahmen von Facharztweiterbildungen gefordert und zum Erwerb der Kompetenz zur psychosomatischen Grundversorgung als niedergelassener Arzt.

Ein herzlicher Dank an alle, die zum Gelingen der Würzburger Balint-Studientagung beigetragen haben!

Und eine herzliche Einladung an alle, die in diesem Jahr kommen wollen!

Dr. med. Gerda Sutthoff

Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin

- Psychoanalyse -

Sperrlohestraße 29

97996 Niederstetten

Email: Dr.G.Sutthoff@T-Online.de

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