Geburtshilfe Frauenheilkd 2006; 66(9): 825-826
DOI: 10.1055/s-2006-924402
Editorial

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Translationale Forschung - Spielzeug der Unikliniken oder Innovator für die Praxis?

Translational Research - Academic Toy or Innovator for the Future?W. Janni1 , W. Rath2 , M. W. Beckmann3
  • 1Frauenklinik der Universität München, München
  • 2Direktor der Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Aachen
  • 3Universitäts-Frauenklinik, Erlangen
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Publication History

Publication Date:
12 September 2006 (online)

Der Begriff ist neu - die Herausforderung ist so alt wie die medizinische Forschung. „Translational Research“, zu deutsch „translationale Forschung“, ist das Bindeglied zwischen Grundlagenforschung auf der einen und klinischer Forschung auf der anderen Seite. Dieses Bindeglied ist wichtiger denn je, um den wissenschaftlichen Dialog zwischen den Grundlagenforschern und den schon mit der Patientenversorgung zunehmend überlasteten Klinikern zu gewährleisten.

Unternehmen der pharmazeutischen Industrie haben dies erkannt und entsprechende Forschungsabteilungen geschaffen. Die Entwicklung der Aromataseinhibitoren ist hierfür ein gutes Beispiel. Ursprünglich als adrenotoxische Substanz entwickelt, führte die klinische Beobachtung ihrer Wirkung auf die Geschlechtshormonkaskade zur Weiterentwicklung der Substanzgruppe im Labor. Es folgte die wechselseitige präklinische und klinische Entwicklung, die zu den uns nun allen bekannten Aromataseinhibitoren der 3. Generation führte.

Wozu brauchen wir dann translationale Forschung an Universitätskliniken, wenn pharmazeutische Unternehmen dies vermutlich viel professioneller mit wesentlich größeren Ressourcen leisten können? In der Tat wird translationale Forschung in Deutschland oft von übermüdeten, unterbezahlten Klinikern am Abend oder Wochenende in ihrer Freizeit geleistet. Kann das überhaupt zu ernstzunehmenden Forschungsergebnissen führen?

Die Antwort darauf ist eindeutig - ja! International beachtete deutsche Arbeiten zu uPA/PAI1 und Minimal Residual Disease als Prognosefaktor beim Mammakarzinom und zur Tumorzellvakzinierung oder zu Genexpressionsprofilen aus den letzten Jahren haben die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft deutscher Kliniken unter Beweis gestellt. Grundsätzliche Voraussetzungen hierzu sind aber infrastrukturelle Ausstattungen, die zumeist ein Team von Basiswissenschaftlern und Klinikern umfassen. Ein entscheidender Vorteil des universitären „Forscher-Kliniker-Hybride“ ist gerade das klinische Verständnis und der erfahrungsgetriebene Blick für Notwendigkeit und Relevanz der Fragestellung. Auch insbesondere die Integration von klinischen Studien in die tägliche Routine und damit die Rekrutierung von Patientinnen für Forschungsprojekte der Phasen 1 - 4 sind nur von „Forscher-Kliniker-Hybriden“ möglich, da hier das Verständnis für die Problematik und damit auch mit persönlichem Interesse der „Drive“ zur Integration der Innovation besteht. Der Einblick in die klinische Realität, einfacher Zugang zu Patientinnen und Biomaterial sowie der unkomplizierte Zugang zum gesamten Spektrum von wissenschaftlichen Instituten der Universität sind ein weiterer Standortvorteil von Universitätskliniken.

Alles gut? Die Streiks der Universitäts-Ärztinnen und Ärzte im Frühjahr diesen Jahres und der Exodus von deutschen Forscherinnen und Forschern ins Ausland zeigt, dass die Rahmenbedingungen an den deutschen Universitäten noch deutlich zu verbessern sind. Nicht nur klinische Leistungen, sondern auch wissenschaftliche Leistungen müssen sich lohnen und mit entsprechenden Möglichkeiten zum eigenständigen Arbeiten wie auch zum Erreichen unabhängiger Positionen unterstützt werden. Das wissenschaftliche Territorium der Grundlagenforschung, einschließlich der translationalen Forschung, wird zukünftig sonst komplett von der Industrie übernommen. Diese wird dann die prädominante Heimat der jungen Forscherinnen und Forscher sein und nicht mehr die Universitäten. Die originäre Aufgabe der Universitäten, die der Lehre und Forschung, und damit die des Innovationsmotors, würde hinfällig werden.

Die Forderung nach weniger Bürokratie und Forschung (und Lehre) ist im Hinblick auf die Motivation junger Wissenschaftler mehr denn je zu unterstützen.

Die „Kommission Translationale Forschung“ (TraFo) der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) soll zukünftig gerade diesen immer mehr an Bedeutung gewinnenden Wissenschaftszweig fördern, sowie Vernetzungen und Synergismen unterstützen. Um Beispiele für die Translationale Forschung aufzuzeigen, wird zweimonatlich in den nächsten Ausgaben der Zeitschrift „Geburtshilfe und Frauenheilkunde“ jeweils ein Projekt, welches die Erfolge der Translationalen Forschung aufzeigt, publiziert werden. Dies soll für die zukünftigen Entwicklungen sensibilisieren und ist als Diskussionsforum im Sinne der Förderung einer innovativen Forschung gedacht. Wir würden uns über Kommentare und Anmerkungen freuen und diese auch als entsprechende Leserbriefe publizieren.

Dr. med. W. Janni

Frauenklinik der Universität München

Maistraße 11

80337 München

Email: Wolfgang.Janni@med.uni-muenchen.de

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