Z Gastroenterol 2007; 45(12): 1227
DOI: 10.1055/s-2006-926821
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Benchmarking in der Endoskopie - Datentransparenz für die Öffentlichkeit?

U. Rosien1 , T. Rösch2
  • 1Israelitisches Krankenhaus, Innere Medizin, Hamburg
  • 2Charité - Campus Virchow Klinikum, Klinik für Innere Medizin, Interdisziplinäre Endoskopie, Berlin
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Publication Date:
13 December 2007 (online)

In diesem Heft werden die wichtigsten Daten aus dem DGVS-Projekt „Benchmarking in der gastroenterologischen Endoskopie” vorgestellt (S. 1228). Die Daten zeigen zum Teil erhebliche Abweichungen der Kosten endoskopischer Maßnahmen zwischen den teilnehmenden Abteilungen. Darüber hinaus wurden auch deutliche Unterschiede bei potenziellen Qualitätsindikatoren offensichtlich, wie z. B. in der Polypendetektionsrate. Ist die eine Abteilung zu teuer und eine andere qualitativ zu schlecht? Oder gibt es die idealtypischen „billigen” Abteilungen mit hervorragender Qualität? In der Presse wird im Zusammenhang mit medizinischen Benchmarking-Daten oft gefordert, Ross und Reiter öffentlich zu nennen (vergleiche Spiegel-Artikel vom 16.1.2006, Nr. 3, S. 128 ff.). Dieser Forderung muss derzeit eine klare Absage erteilt werden, zumindest was die Daten aus diesem Projekt betrifft.

Zunächst einmal: Der vertrauliche Umgang mit den erhobenen Daten ist Basis aller etablierten externen Vergleiche. Auch die Projekteilnehmer untereinander können sich nicht gegenseitig identifizieren. Diese vereinbarte Vertraulichkeit kann zu keinem späteren Zeitpunkt ohne Zustimmung der Beteiligten aufgehoben werden.

Die Ursachen der beobachteten Abweichungen zwischen den Abteilungen sind vielschichtig.

Schwere der Erkrankung, Altersstruktur und andere Risikofaktoren bestimmen Ressourcenverbrauch und z. B. Komplikationsrisiko. Ziel eines Benchmarkings ist es, darüber hinausgehende Abweichungen transparent zu machen. Bei negativen Abweichungen kann eine betroffene Abteilung von der Benchmarking-Gruppe lernen und es wird ihr ein wichtiges Instrument zur Qualitätsverbesserung an die Hand gegeben, bei positiven Abweichungen kann sich die Gruppe am besten orientieren und weiter optimieren. Im Einzelfall muss allerdings geprüft werden, ob die gewählten und von den Teilnehmern auch konsentierten Einteilungen in Schwierigkeitsgrade (z. B. bei der therapeutischen ERCP) die verschiedenen Spektren verschiedener Abteilungen widerspiegeln oder ob in Zukunft weitere Differenzierungen nötig sein werden, damit sich high-end endoskopische Abteilungen gegenüber fortgeschrittenen Endoskopien aus Versorgungskrankenhäusern aufwandsmäßig abgrenzen können (oder auch nicht, je nach Daten).

Die „Öffentlichkeit” der DGVS hat aber in besonderem Maße Anspruch auf eine Publikation der wesentlichen Projektergebnisse. Die Analysen der Endoskopiekosten aus diesem Projekt wurden bereits in mehreren DRG-Projekten der DGVS benutzt, um eine sachgerechtere Abbildung der gastroenterologischen Leistungen im deutschen DRG-System zu ermöglichen. Mit der erheblichen finanziellen Förderung des Projektes will sich die DGVS aber auch in der öffentlichen Diskussion um Qualität im Gesundheitswesen positionieren. Für die teilnehmenden Abteilungen bedeutet das Projekt die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben einer externen Qualitätssicherung (§ 137 des SGB V).

Die Kommission für Berufsfragen hat sich in den letzten Jahren intensiv um die korrekte Abbildung der Gastroenterologie im DRG-System bemüht. Im aktuellen DRG-Projekt werden zusammen mit der DRG-Research-Group, Münster, mehr als 140 000 Fälle aus über 150 Abteilungen analysiert. Der Kodierleitfaden wurde überarbeitet und zum Januar publiziert. Neben anderen Entwicklungen, die das Berufsfeld der Gastroenterologie betreffen, ist die Wahrnehmung der DGVS als in der Qualitätssicherung aktive Fachgesellschaft ein Anliegen, das wir als Vorsitzende der Kommission für Berufsfragen zusammen mit den Vorsitzenden der Kommission für Qualitätssicherung und Technologiebewertung, H. D. Allescher und S. Faiss, vorantreiben wollen. In Zukunft sollen gemeinsam für den stationären und ambulanten Bereich Benchmarking-Daten erhoben und Qualitätsempfehlungen erarbeitet werden.

Darüber hinausgehende Forderungen einer interessierten Öffentlichkeit, dass jede Abteilung oder Praxis ihre Qualitäts- und Komplikationsdaten öffentlich machen soll, sagt nur etwas über die Eingriffszahlen aus, nicht notwendigerweise auch über die Qualität der Untersuchungen und Eingriffe auf den verschiedenen Ebenen. Vergleiche von Äpfeln und Birnen sollten zum einen vermieden werden; zum anderen hängen Qualitäts- und gerade auch Komplikationsdaten von der Sorgfalt der Erhebung ab; ein gewisser Anteil signifikanter Komplikationen tritt nach zahlreichen Studien erst nach 24 Stunden, also nach der Entlassung aus ambulanter Betreuung auf und ehrlicherweise sollten sich u. a. auch zu Werbezwecken eingesetzte Komplikationsraten einen externen Audit gefallen lassen. Trotzdem sollten wir uns nicht in unserer Qualitätswagenburg verschanzen, sondern gemeinsam überlegen, wie wir mit dem Thema umgehen, um der zunehmenden Forderung nach Benchmarking-Daten von Seiten der Klinikverwaltungen und Kostenträger effizient zu begegnen und - vor allem und immer noch - uns das Vertrauen unserer Patienten zu erhalten.

Das Projekt wird zunächst auf Klinikebene fortgesetzt - machen Sie mit!

Ulrich Rosien und Thomas Rösch
Vorsitzende der Kommission für Berufsfragen

Prof. Dr. Thomas Rösch

Charité - Campus Virchow Klinikum, Klinik für Innere Medizin, Interdisziplinäre Endoskopie, Berlin

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

Email: thomas.roesch@charite.de

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